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Fachkräfte
Am slowakischen Arbeitsmarkt ist noch kein Abschwung zu erkennen. Fachkräfte bleiben vor allem in den Wirtschaftszentren gefragt. Die Zahl der offenen Stellen steigt sogar.
26.09.2025
Von Gerit Schulze | Bratislava
Die schwache Wirtschaftsentwicklung in Europa schlägt bislang nicht auf den slowakischen Arbeitsmarkt durch. Im Juni 2025 betrug die Erwerbslosenquote laut Eurostat 5,3 Prozent. Das war der niedrigste Wert für diesen Monat seit den 1990er Jahren. Die Quote liegt leicht unter dem EU-Durchschnitt, ist aber immer noch höher als in den anderen drei Ländern der Visegrád-Region (Polen, Tschechien und Ungarn).
Während Eurostat die Berechnungsmethode der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) benutzt und die aktiv arbeitsuchenden 15- bis 74-Jährigen einbezieht, verwendet das slowakische Arbeitsministerium eine andere Definition. Die Behörde ermittelte für Juni 2025 eine Arbeitslosenquote unter den 15- bis 64-Jährigen von 3,8 Prozent. Das entsprach ungefähr dem Wert des Vorjahres.
Insgesamt waren bei den Arbeitsämtern Ende Juni 2025 rund 163.000 Menschen als arbeitssuchend registriert und damit etwa 3.000 weniger als im Vorjahresmonat.
Beschäftigungsquote erreicht Höchststand
Die slowakische Regierung geht davon aus, dass die Zahl im Jahresdurchschnitt 2025 bei 150.000 Personen liegt und in den beiden Folgejahren um maximal 2.000 Arbeitssuchende steigt. Wegen zunehmender Alterung der Bevölkerung hat die Zahl der Beschäftigten aber ihren Höchststand von gut 2,6 Millionen erreicht und könnte in den kommenden vier Jahren um fast 50.000 schrumpfen.
Dagegen arbeiten immer mehr ausländische Beschäftigte in der Slowakei. Bis 2029 könnten es 150.000 werden, schätzt das Finanzministerium in seiner aktuellen Konjunkturprognose.
Langwierige Verfahren für ausländische Fachkräfte
Das zentrale Arbeitsamt ÚPSVR führt eine Liste der Berufspositionen mit Arbeitskräftemangel für jede Region. Sie dient dazu, das Verwaltungsverfahren für die Beschäftigung von Drittstaatsangehörigen zu beschleunigen. Slowakische Unternehmen berichten jedoch, dass die Antragstellung in den Auslandsvertretungen sehr langwierig ist. Außerdem beschränkt Bratislava den Zuzug von Arbeitsmigranten auf einige wenige Länder der ehemaligen Sowjetunion und in Asien.
Im Juni 2025 hatten knapp 37.000 Arbeitnehmende aus Drittstaaten eine Arbeitserlaubnis und damit fast 10.000 mehr als im Vorjahresmonat. Mehr als ein Viertel davon kam aus der Ukraine. Weitere wichtige Herkunftsländer sind Indien, Serbien und Usbekistan. Außerdem arbeiteten 33.000 EU-Bürger in der Slowakei - die meisten aus Rumänien, Tschechien und Ungarn.
Eine Sonderregel gilt für Ansässige aus Drittstaaten, deren Familien und für Geflüchtete mit Schutzstatus. Sie können ohne Arbeitsgenehmigung auf Basis einer "Informationskarte" (wird vom Arbeitgeber an die Arbeitsämter geschickt) arbeiten. Ende Juni 2025 nutzten 57.000 Drittstaatler diese Möglichkeit, ein Anstieg um 20 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum.
Arbeitsmigration bleibt wichtig, weil die Firmen weiter einstellen. Laut Befragungen des Personaldienstleisters Manpower für das 4. Quartal 2025 planen 29 Prozent der Unternehmen einen Anstieg ihres Personalbestandes, während 16 Prozent Entlassungen ankündigten. Neue Stellen entstehen vor allem im Gesundheitswesen, in der Energiewirtschaft und im Telekommunikationssektor.
Eine Entlassungswelle erfasst dagegen die Logistik, die Automobilindustrie und den einst boomenden IT-Sektor. Durch den zunehmenden Einsatz von künstlicher Intelligenz in der Softwareentwicklung sinkt der Bedarf an klassischen Softwareexperten. Der größte IT-Arbeitgeber, Deutsche Telekom IT Solutions Slovakia, will 150 Stellen am Standort Košice streichen. Die Entlassungen seien Teil einer strategischen Neuausrichtung, teilte das Unternehmen mit.
Die Chefin des Košice IT Valley, Miriama Hučková, sagte gegenüber slowakischen Medien, dass die Arbeitskosten im Land deutlich höher als in Polen oder Rumänien seien. "Gleichzeitig haben wir Schwierigkeiten, junge Tech-Talente zu halten."
Immer mehr Slowaken arbeiten im Ausland
Junge Talente aus der Ostslowakei suchen eher im Ausland nach Verdienstmöglichkeiten als im Inland. Im Jahresdurchschnitt 2024 arbeiteten 117.300 Slowakinnen und Slowaken im Ausland, im 2. Quartal 2025 bereits 122.000. Sie begründen dies mit höheren Gehältern, attraktiveren Jobangeboten und zum Teil mit der politischen Situation im Heimatland. Dem Statistikamt zufolge arbeiten sie vor allem im Baugewerbe, in der Industrie und im Gesundheitswesen. Die beliebtesten Länder sind Deutschland, Österreich und Tschechien.
Die Slowakei im weltweiten VergleichFolgende Karte ermöglicht den Vergleich zwischen zahlreichen Ländern weltweit. Bitte beachten Sie, dass die Werte in der Karte aus international standardisierten Quellen stammen und somit ggf. von Angaben aus nationalen Quellen im Text abweichen können. |
Zahl der offenen Stellen nimmt zu
Ende Juni 2025 meldete die Arbeitsbehörde Ústredie práce 107.000 offene Stellen. Das waren 8.600 mehr als im Vorjahresmonat. Fast die Hälfte der Vakanzen entfällt auf den Bezirk Bratislava. Vergleichsweise wenig Jobangebote gibt es in den Regionen Prešov und Košice.
Die meisten Jobangebote entfallen auf Anlagen- und Maschinenbediener sowie Montageberufe (fast 55.000). Außerdem sind Facharbeiter und Handwerker stark gefragt. Gesucht werden aber auch ungelernte Hilfskräfte sowie Personal für den Dienstleistungssektor (Handel und Gastronomie).
Trotz aller Anstrengungen, die strukturschwachen Regionen mit Investitionsanreizen zu fördern, besteht weiterhin ein enormes West-Ost-Gefälle. In den wirtschaftlich potenten Regionen der Westslowakei herrscht quasi Vollbeschäftigung. So liegt die offizielle Erwerbslosenquote in den Bezirken Bratislava, Trnava, Trenčín und Nitra derzeit bei unter 3 Prozent.
Die höchste Erwerbslosenquote verzeichnete zur Jahresmitte 2025 der Bezirk Prešov mit 5,9 Prozent. Zwar hat sich die Situation in der Zentral- und Ostslowakei etwas entspannt. Doch viele Arbeitsuchende dort passen nicht auf die ausgeschriebenen offenen Stellen, sind nicht hinreichend qualifiziert oder mobil genug. Rund die Hälfte der Erwerbslosen im Osten der Slowakei ist schon mehr als ein Jahr auf Arbeitssuche. Im Westen des Landes gibt es weniger Langzeitarbeitslose, weshalb die Reintegration in den Arbeitsmarkt leichter fällt.
Vorruhestandsregel schwächt Personalangebot
Zusätzlich verringert sich das Fachkräfteangebot seit 2023 durch eine neue Vorruhestandsregelung. Sie ermöglichte schon zwei Jahre vor dem eigentlichen Rentenbeginn den Eintritt in den Ruhestand nach mindestens 40 Arbeitsjahren. Allein 2023 und 2024 nutzten 61.000 Menschen diese Möglichkeit. Die Regierung hat deshalb die Abschläge von der Rentenhöhe erhöht, um die Attraktivität zu senken.
Die Frühverrentung verschärft das Problem, dass ein großer Teil der erwerbsfähigen Bevölkerung keiner Beschäftigung nachgeht. Das betrifft neben älteren Menschen auch Frauen, die sich um die Erziehung der Kinder oder Pflege kümmern sowie Roma-Gruppen, die kaum in den Arbeitsmarkt integrierbar sind. Erschwert wird die Lage durch wenige Nahverkehrsangebote auf dem Land und fehlende Umschulungsangebote.
Automatisierung schreitet voran
Mit hohem Tempo setzen die Fabriken daher ihre Investitionen in die Automatisierung fort. Die Slowakei verzeichnete 2023 laut der Publikation "World Robotics 2024 - Industrial Robots" mit 2.174 einen Rekord an neu installierten Industrierobotern. Drei Viertel davon kamen in der Automobilindustrie zum Einsatz, vor allem beim Schweißen, Palettieren oder Montieren. Mit 20 Robotern je 1.000 Industriebeschäftigten liegt das Land über dem globalen Durchschnitt.