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Südkorea bringt viele Unicorns hervor
Start-ups haben in Südkorea noch keine lange Historie. Dennoch haben sich in den vergangenen zehn bis 25 Jahren neue Firmen mit interessanten Technologien entwickelt.
18.06.2025
Von Frank Robaschik, Katharina Viklenko | Seoul
Südkorea ist offen für neue Technologien und investiert rege. Der Global Innovation Index 2024 der World Intellectual Property Organization führt das Land auf Rang 2 innerhalb Asiens und auf Platz 6 weltweit. Im Jahr 2022 gab Südkorea 5,2 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts für Forschung und Entwicklung aus. In absoluten Werten liegt das Land dabei bei entsprechenden Ausgaben auf Position 5 weltweit. Daneben verfügt es über gut ausgebildete und hoch motivierte Arbeitskräfte. Zugute kommen Start-ups auch eine schnelle und stabile Internetverbindung sowie Kunden, die offen sind für neue Trends und innovative Lösungen.
"Dennoch gibt es keine schnellen Anfangserfolge", berichtet Tobias Kirchhoff, Founder und CEO des deutschen Start-ups Variowell, das intelligente Matratzenauflagen mit Temperaturregulierung anbietet. Die Bearbeitung des südkoreanischen Marktes benötige Zeit und Geduld. Das habe das Start-up im Rahmen einer Markterkundungsreise des German Accelerator nach Seoul im Dezember 2024 festgestellt.
Im Rahmen seiner Industriepolitik fördert Südkorea vor allem Technologien in den Bereichen Halbleiter, Batterien und Biotechnologie. Aber auch autonomes Fahren und Elektromobilität spielen eine Rolle. Hinzu kommen digitale Themen wie künstliche Intelligenz, Internet der Dinge, Cloud, Big Data und Blockchain, Quantencomputer, Software sowie erweiterte und virtuelle Realitäten. Des Weiteren werden Sicherheit, Displays, Medizintechnik, Kernenergie, Robotik, Luft- und Raumfahrt sowie Technologien zur Erreichung der Klimaneutralität gefördert.
Start-ups im Wettbewerb mit großen Konzernen
Traditionell ist Südkorea auf die großen Firmengruppen des Landes wie Samsung, LG und SK fixiert, sogenannte Chaebol. Die meisten Koreaner streben eine Anstellung bei den großen Firmen an, weil sie eine bessere Bezahlung und berufliches Ansehen bieten. Dagegen ist eine Tätigkeit in kleinen Firmen sowie Start-ups weniger prestigeträchtig. Seit einigen Jahren sind einzelne Start-up-Segmente jedoch besser angesehen als früher. Dazu hat auch der Erfolg etwa der Gaming-Firmen, des K-Pop und der südkoreanischen Filmindustrie beigetragen. Am Markt müssen Start-ups oft im Wettbewerb mit den Chaebol bestehen. Diese kaufen nicht selten erfolgreiche Jungunternehmen auf.
Aus Sicht von Tobias Kirchhoff ist die Start-up-Kultur in Südkorea mittlerweile viel etablierter. "Zugleich sind koreanische Unternehmen und Geschäftspartner in erster Linie koreanische Start-ups gewöhnt. Aus Deutschland erwarten sie eher Konzerne oder große Firmen."
Die Zahl der Start-ups in Südkorea stieg bis Ende 2020 und sank in den beiden Folgejahren. Einen neuen Rekordwert erreichten Start-ups 2023, während der Wert 2024 etwas zurückging. Deutlich schneller wuchs die Zahl der Acceleratoren. Nach Angaben des Korea Institute of Startup & Entrepreneurship Development stieg sie von 249 im Jahr 2019 auf 467 im Jahr 2024.
Zwei Drittel der Start-ups sitzen im Großraum Seoul
Gründerhochburg neben der Hauptstadt Seoul ist die umliegende Provinz Gyeonggi. Der Global Startup Ecosystem Report 2024 vom US-Consultant Startup Genome sieht Seoul weltweit auf Platz 9 und damit deutlich vor Berlin (Rang 15). Es ist das bisher beste Ranking. Im Vorjahr hatte die Stadt noch auf Rang 12 gelegen. Innerhalb Asiens rangierte die Metropole 2024 sogar auf Platz 3 nach Singapur und Beijing. Genome begründet das Vorrücken mit großen Börsengängen oder Verkäufen von Start-ups trotz insgesamt rückläufiger Exits. Die Studie hebt die neuen Entwicklungen in den besonders starken Bereichen Künstliche Intelligenz und Big Data, Life Sciences sowie Robotik und Advanced Manufacturing positiv hervor.
Innerhalb der Provinz Gyeonggi gibt es in der Stadt Seongnam zahlreiche Start-ups. In der Provinz ist ein großer Teil der Halbleiterindustrie angesiedelt, etwa die Zentrale von Samsung Electronics. Wichtiges Zentrum für Start-ups in der Provinz ist außerdem das Pangyo Tech Valley mit Fokus auf IKT, Big Data, Internet der Dinge und Cloud Computing. Auch die Städte Busan, Incheon, Daejeon, Daegu und Pohang beherbergen eine signifikante Zahl an Jungunternehmen. Von landesweiter Bedeutung ist das Tech Incubator Program for Startups (TIPS). Das staatliche Programm arbeitet in Konsortien mit Universitäten und Forschungsinstituten.
Unterstützung durch Events und Acceleratoren
Ein wichtiges Start-up-Event ist die Messe NextRise, die Treffen mit Venture-Capital-Firmen und Pitches veranstaltet. Sie wird vor allem von der Korea International Trade Association und der Korea Development Bank getragen. Im Jahr 2025 ist Deutschland offizielles Partnerland. Weitere Start-up-Events sind unter anderem das Start-up-Forum Comeup Stars, das Start-up-Festival Try Everything, der Demoday von Sparklabs und der D.Day von D.Camp.
Neben staatlichen Playern unterstützen in Südkorea zahlreiche private Acceleratoren Start-ups. Dazu zählen etwa SparkLabs, Bluepoint Partners, Future Play, D.Camp und Primer. Ein von der Regierung getragenes Accelerator-Programm für ausländische Start-ups ist die K-Startup Grand Challenge. Darüber hinaus betreiben viele Konglomerate eigene Acceleratoren.
Name | Fokus | Anmerkungen |
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SparkLabs | B2C, E-Commerce, Online-Gaming, Digitale Medien, Gesundheitssektor, Fintech | privat |
Bluepoint Partners | Biotechnologie, Hardware, Software und Medien | privat; Anfangsinvestitionen bis Serie-A-Phasen |
Future Play | IT, Robotik, Fintech, Multimedia, Gesundheit, Künstliche Intelligenz | privat |
D. Camp | Fintech, Bildungstechnologie, Gesundheitswesen etc. | unterstützt von privaten Banken in Südkorea; seit 2022 auch in Busan |
Primer | Online-Dienstleistungen, Software und viele weitere Bereiche | seit 2010 |
Global Digital Innovation Network (GDIN) (ehemals Born2Global) | Informations- und Kommunikationstechnik | staatlich |
Name | Fokus | Anmerkungen |
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Naver D2 Startup Factory (Naver D2SF) | Künstliche Intelligenz, Robotik, autonomes Fahren, Gesundheitswesen, erweiterte und virtuelle Realität, Internet der Dinge | Naver ist ein noch junger, aber inzwischen großer IT-Konzern |
Lotte Ventures | Handel, Logistik, Tourismus, Nahrungsmittel, Finanzen etc. | Gehört zur Lotte-Gruppe |
Dreamplus | Fintech, Gesundheitswesen | Gehört zur Versicherung Hanwha Life |
Techup+ | Beauty Tech | Gehört zur Kosmetikfirma Amore Pacific |
Samsung C-Lab | KI, Robotik, Internet der Dinge, Digital Health, Mobilität | Gehört zu Samsung Electronics |
ZER01NE | Mobilität, Nachhaltigkeit, Robotik, Logistik | Gehört zu Hyundai Motor Group |
Unicorns im E-Commerce, bei Fintech und Gaming
Im Mai 2025 wies CB Insights für Südkorea 14 Unicorns aus. Das Ministry of SMEs and Startups gibt für 2023 als aktuellstes Jahr mit 23 Unicorns eine abweichende Anzahl an. Ein Schwerpunkt ist der E-Commerce mit Market Kurly, Wemakeprice, Musinsa, Bucketplace, RIDI, Yanolja, Dangeun Market und Ticket Monster. Ehemalige Unicorns sind Woowa Brothers (Essenslieferdienst, übernommen von Delivery Hero) und Coupang (E-Commerce, Börsengang in New York 2021).
Name | Bewertung | Branche | Wichtige Investoren |
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Viva Republica (Toss) | 7,0 | Fintech, App-basierte Bankdienstleistungen | Bessemer Venture Partners, Qualcomm Ventures, Kleiner Perkins Caufield & Byers |
Yello Mobile | 4,0 | Investor in andere Start-ups | Formation 8 |
Market Kurly | 3,3 | Lieferdienst für Lebensmittel | Sequoia Capital China, DST Global |
Tridge | 2,7 | Datenbank für Agrar- und Lebensmittelsektor | Forest Partners, Softbank Ventures Asia |
Wemakeprice | 2,3 | E-Commerce | IMM Investment, NXC |
ABLY | 2,1 | E-Commerce, Rabattgutscheine und Einkaufscoupons | LB Investment, KOLON INVESTMENT, Capstone Partners |
Musinsa | 2,0 | E-Commerce für Bekleidung, Schmuck, Uhren, Elektronik etc. | Sequoia Capital |
ZigBang | 1,9 | App zur Immobiliensuche | Black Pearl Ventures, Stonebridge Ventures, Yuanta Investment Korea |
Daneben gibt es viele Unicorns im Bereich Finanzdienstleistungen (Fintech). Traditionell ist die Gaming-Branche stark vertreten. Ehemalige Unicorns sind etwa Krafton (Computerspiele, Börsengang in Südkorea im August 2021) und Socar (Car-Sharing-App, Börsengang in Südkorea im August 2022). Firmen wie Kakao, Naver, Line, Nexon und NCSoft wurden ebenfalls als Start-ups gegründet. Häufig sind heimische Start-ups auf Südkorea fokussiert. Nur wenige sind international tätig.