Südkorea gewinnt als Standort für Start-ups an Bedeutung
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Südkorea gewinnt als Standort für Start-ups an Bedeutung
Das Land ist eher für große Unternehmenskonglomerate bekannt als für Start-ups. Doch für seine jungen Firmen bekommt Südkorea immer mehr internationale Anerkennung.
Südkorea hat sich zum dynamischen Start-up-Hub entwickelt. Mit starker staatlicher Förderung und technikaffiner Bevölkerung bietet es gute Bedingungen für innovative Lösungen.
Obwohl Großkonglomerate weiterhin das Rückgrat der Wirtschaft bleiben, werden Start-ups für das Land immer bedeutender. Regionale Zentren bilden die Hauptstadt Seoul und die umliegende Provinz Gyeonggi. Die Regierung spielt im Start-up-Ökosystem eine zentrale Rolle, steuert Entwicklungen und kofinanziert Investitionen. Förderprogramme wie Tech Incubator Program for Startups (TIPS) und K-Startup Grand Challenge unterstützen lokale und ausländische Start-ups. Herausforderungen sind der Wettbewerb mit großen Konzernen und die sprachliche Barriere.
Start-ups haben in Südkorea noch keine lange Historie. Dennoch haben sich in den vergangenen zehn bis 25 Jahren neue Firmen mit interessanten Technologien entwickelt.
Südkorea ist offen für neue Technologien und investiert rege. Der Global Innovation Index 2024 der World Intellectual Property Organization führt das Land auf Rang 2 innerhalb Asiens und auf Platz 6 weltweit. Im Jahr 2022 gab Südkorea 5,2 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts für Forschung und Entwicklung aus. In absoluten Werten liegt das Land dabei bei entsprechenden Ausgaben auf Position 5 weltweit. Daneben verfügt es über gut ausgebildete und hoch motivierte Arbeitskräfte. Zugute kommen Start-ups auch eine schnelle und stabile Internetverbindung sowie Kunden, die offen sind für neue Trends und innovative Lösungen.
"Dennoch gibt es keine schnellen Anfangserfolge", berichtet Tobias Kirchhoff, Founder und CEO des deutschen Start-ups Variowell, das intelligente Matratzenauflagen mit Temperaturregulierung anbietet. Die Bearbeitung des südkoreanischen Marktes benötige Zeit und Geduld. Das habe das Start-up im Rahmen einer Markterkundungsreise des German Accelerator nach Seoul im Dezember 2024 festgestellt.
Im Rahmen seiner Industriepolitik fördert Südkorea vor allem Technologien in den Bereichen Halbleiter, Batterien und Biotechnologie. Aber auch autonomes Fahren und Elektromobilität spielen eine Rolle. Hinzu kommen digitale Themen wie künstliche Intelligenz, Internet der Dinge, Cloud, Big Data und Blockchain, Quantencomputer, Software sowie erweiterte und virtuelle Realitäten. Des Weiteren werden Sicherheit, Displays, Medizintechnik, Kernenergie, Robotik, Luft- und Raumfahrt sowie Technologien zur Erreichung der Klimaneutralität gefördert.
Start-ups im Wettbewerb mit großen Konzernen
Traditionell ist Südkorea auf die großen Firmengruppen des Landes wie Samsung, LG und SK fixiert, sogenannte Chaebol. Die meisten Koreaner streben eine Anstellung bei den großen Firmen an, weil sie eine bessere Bezahlung und berufliches Ansehen bieten. Dagegen ist eine Tätigkeit in kleinen Firmen sowie Start-ups weniger prestigeträchtig. Seit einigen Jahren sind einzelne Start-up-Segmente jedoch besser angesehen als früher. Dazu hat auch der Erfolg etwa der Gaming-Firmen, des K-Pop und der südkoreanischen Filmindustrie beigetragen. Am Markt müssen Start-ups oft im Wettbewerb mit den Chaebol bestehen. Diese kaufen nicht selten erfolgreiche Jungunternehmen auf.
Aus Sicht von Tobias Kirchhoff ist die Start-up-Kultur in Südkorea mittlerweile viel etablierter. "Zugleich sind koreanische Unternehmen und Geschäftspartner in erster Linie koreanische Start-ups gewöhnt. Aus Deutschland erwarten sie eher Konzerne oder große Firmen."
Die Zahl der Start-ups in Südkorea stieg bis Ende 2020 und sank in den beiden Folgejahren. Einen neuen Rekordwert erreichten Start-ups 2023, während der Wert 2024 etwas zurückging. Deutlich schneller wuchs die Zahl der Acceleratoren. Nach Angaben des Korea Institute of Startup & Entrepreneurship Development stieg sie von 249 im Jahr 2019 auf 467 im Jahr 2024.
Zwei Drittel der Start-ups sitzen im Großraum Seoul
Gründerhochburg neben der Hauptstadt Seoul ist die umliegende Provinz Gyeonggi. Der Global Startup Ecosystem Report 2024 vom US-Consultant Startup Genome sieht Seoul weltweit auf Platz 9 und damit deutlich vor Berlin (Rang 15). Es ist das bisher beste Ranking. Im Vorjahr hatte die Stadt noch auf Rang 12 gelegen. Innerhalb Asiens rangierte die Metropole 2024 sogar auf Platz 3 nach Singapur und Beijing. Genome begründet das Vorrücken mit großen Börsengängen oder Verkäufen von Start-ups trotz insgesamt rückläufiger Exits. Die Studie hebt die neuen Entwicklungen in den besonders starken Bereichen Künstliche Intelligenz und Big Data, Life Sciences sowie Robotik und Advanced Manufacturing positiv hervor.
Innerhalb der Provinz Gyeonggi gibt es in der Stadt Seongnam zahlreiche Start-ups. In der Provinz ist ein großer Teil der Halbleiterindustrie angesiedelt, etwa die Zentrale von Samsung Electronics. Wichtiges Zentrum für Start-ups in der Provinz ist außerdem das Pangyo Tech Valley mit Fokus auf IKT, Big Data, Internet der Dinge und Cloud Computing. Auch die Städte Busan, Incheon, Daejeon, Daegu und Pohang beherbergen eine signifikante Zahl an Jungunternehmen. Von landesweiter Bedeutung ist das Tech Incubator Program for Startups (TIPS). Das staatliche Programm arbeitet in Konsortien mit Universitäten und Forschungsinstituten.
Unterstützung durch Events und Acceleratoren
Ein wichtiges Start-up-Event ist die Messe NextRise, die Treffen mit Venture-Capital-Firmen und Pitches veranstaltet. Sie wird vor allem von der Korea International Trade Association und der Korea Development Bank getragen. Im Jahr 2025 ist Deutschland offizielles Partnerland. Weitere Start-up-Events sind unter anderem das Start-up-Forum Comeup Stars, das Start-up-Festival Try Everything, der Demoday von Sparklabs und der D.Day von D.Camp.
Neben staatlichen Playern unterstützen in Südkorea zahlreiche private Acceleratoren Start-ups. Dazu zählen etwa SparkLabs, Bluepoint Partners, Future Play, D.Camp und Primer. Ein von der Regierung getragenes Accelerator-Programm für ausländische Start-ups ist die K-Startup Grand Challenge. Darüber hinaus betreiben viele Konglomerate eigene Acceleratoren.
Quelle: Korea International Trade Association 2025, Angaben der Acceleratoren 2025
Unicorns im E-Commerce, bei Fintech und Gaming
Im Mai 2025 wies CB Insights für Südkorea 14 Unicorns aus. Das Ministry of SMEs and Startups gibt für 2023 als aktuellstes Jahr mit 23 Unicorns eine abweichende Anzahl an. Ein Schwerpunkt ist der E-Commerce mit Market Kurly, Wemakeprice, Musinsa, Bucketplace, RIDI, Yanolja, Dangeun Market und Ticket Monster. Ehemalige Unicorns sind Woowa Brothers (Essenslieferdienst, übernommen von Delivery Hero) und Coupang (E-Commerce, Börsengang in New York 2021).
Top Start-ups in SüdkoreaBewertung in Milliarden US-Dollar
E-Commerce für Bekleidung, Schmuck, Uhren, Elektronik etc.
Sequoia Capital
ZigBang
1,9
App zur Immobiliensuche
Black Pearl Ventures, Stonebridge Ventures, Yuanta Investment Korea
Quelle: CB Insights 2025
Daneben gibt es viele Unicorns im Bereich Finanzdienstleistungen (Fintech). Traditionell ist die Gaming-Branche stark vertreten. Ehemalige Unicorns sind etwa Krafton (Computerspiele, Börsengang in Südkorea im August 2021) und Socar (Car-Sharing-App, Börsengang in Südkorea im August 2022). Firmen wie Kakao, Naver, Line, Nexon und NCSoft wurden ebenfalls als Start-ups gegründet. Häufig sind heimische Start-ups auf Südkorea fokussiert. Nur wenige sind international tätig.
Die Finanzierung von Start-ups hat in Südkorea seit 2022 abgenommen. Der Staat ist ein wichtiger Geldgeber, identifiziert werden interessante Start-ups oft von privaten Akteuren.
Start-ups in Südkorea erhielten 2024 rund 4,2 Milliarden US-Dollar (US$) an Venture-Capital-Finanzierung. In den Rekordjahren 2021 und 2022 lag der Wert fast doppelt so hoch. Während der Anteil des Staates als Geldgeber in den vergangenen Jahren gesunken war, stieg er 2024 auf den bisher höchsten Wert von fast 38 Prozent. Infolge des hohen staatlichen Anteils lag der Fokus auf südkoreanischen Start-ups.
Venture-Capital-Finanzierung in Südkorea*In Milliarden US-Dollar; Anteil öffentlicher Gelder in Prozent
Indikator
2020
2021
2022
2023
2024
Gesamt
5,8
8,0
8,5
5,2
4,2
Anteil öffentlicher Fonds
33,5
29,8
25,1
27,2
37,8
* Umrechnung zum Wechselkurs der Deutschen Bundesbank.Quelle: Ministry of SMEs and Startups 2025
Künftig dürfte der Staat wieder höhere Summen zur Verfügung stellen: Der seit Juni 2025 neu amtierende Präsident Lee Jae-myung warb im Wahlkampf mit der Ausweitung des F&E-Budgets und des Risikokapitals für Start-ups.Sein Vorgänger hatte das Budget in den vergangenen Jahren gekürzt, was sich insbesondere auf die Förderung von Technologie-Start-ups negativ auswirkte.
Ein wichtiges Förderprogramm ist das 2013 eingeführte Tech Incubator Program for Startup Korea (TIPS). Nach israelischem Vorbild kofinanziert dabei der Staat Investitionen privater Partner. Der Fokus liegt auf Forschung, Entwicklung und Kommerzialisierung. Die Regierung baut das Programm kontinuierlich aus und ergänzt es um Schwerpunkte wie Deep-Tech und die globale Expansion von einheimischen Start-ups.
Auch ausländische Firmen erhalten Förderungen
Seit 2016 lädt Südkorea über das Accelerator-Programm K-Startup Grand Challenge ausländische Start-ups für dreieinhalb Monate ein, im Pangyo Techno Valley kostenlos Büros und Mentoring-Angebote zu nutzen. Junge Unternehmen, die sich erfolgreich bewerben, erhalten während dieser Zeit rund 10.000 US$ zur Deckung der Lebenshaltungskosten. Ein Teil der Start-ups bekommt nochmal eine Förderung für weitere dreieinhalb Monate. Zielgruppe sind Start-ups, die von Südkorea aus nach Asien expandieren wollen. Wenn sie sich für eine Niederlassung in Südkorea entscheiden, können sie finanzielle Unterstützung von der südkoreanischen Regierung erhalten.
Das Korea Institute of Startup and Entrepreneurial Development (KISED) startete 2022 ein Förderprogramm für ausländische Technologie-Start-ups, die in Südkorea eine Firma gründen wollen. Zielgruppe sind Start-ups mit weniger als sieben Jahren Erfahrung. Das KISED bietet Mentoring für sechs Monate, ein Büro und Networking mit südkoreanischen Firmen.
Viele Kapitalgeber vor Ort
Zahlreiche Firmen und Institutionen unterstützen Start-ups finanziell. Inländische Risikokapitalgeber investieren bisher vor allem in frühen Stadien und seltener in den späteren. Daher sind bei südkoreanischen Start-ups mit einer Unicorn-Bewertung viele ausländische Kapitalgeber engagiert.
Ausgewählte Risikokapitalgeber in Südkorea
Art
Beispiele
Traditionelle Finanzinstitute und deren Tochterfirmen
Korea Investment Partners (Korea Investment Holdings), KB Investment, Shinhan Asset Management, Korea Development Bank (KDB Capital), Hana Financial Investment, Hanwha Investment & Securities
Südkoreanische Wagniskapitalgeber investieren auch im Ausland.Interessant sind zudem Wagnisfinanzierer und Technologie-Scouting-Firmen großer Konglomerate mit Fokus auf dem Ausland wie Samsung Next Ventures und Hyundai Cradle. Beide haben Büros in Berlin. Hyundai Mobis arbeitet beim autonomen Fahren mit ausländischen Start-ups zusammen. Andere Gruppen investieren in junge Unternehmen, so etwa SK Telecom, KT, LG UPlus oder CJ. Der Fokus liegt aber oft in Südkorea.
Neuinvestitionen ausgewählter südkoreanischer Wagniskapitalgeber im Ausland im Zeitraum 1. bis 3. Quartal 2024In Millionen US-Dollar*
Venture-Capital-Geber
Investitionen im Ausland
Korea Investment Partners
45,4
Mirae Asset Ventures
32,6
WOORI Venture Partners
28,9
Intervest
23,7
Smilegate Investment
21,1
Hashed Ventures
18,7
KB Investment
18,1
SV Investment
13,4
DSC Investment
12,6
Atinum Investment
12,4
* Umrechnung zum Wechselkurs der Deutschen Bundesbank.Quelle: Disclosure Information of Venture Capital Analysis 2025
Die Korea Business Angel Association betreibt seit 2012 im Auftrag des Ministry of SMEs and Startups ein Angel-Investment-Support-Center. Es dient etwa dem Aufbau von Netzwerken und der Bereitstellung von Matching-Fonds für Angel-Investitionen. Im Juni 2025 gab es nach Angaben des Verbands in Südkorea 267 Angel-Investitionsnetzwerke.
Auch deutsche Start-ups nutzen südkoreanische Unterstützung
Korea Investment Partners hält Anteile am Berliner Gaming-Start-up Armanda Interactive und an der Berliner Plattform für den Handel von Luxusarmbanduhren Watchmaster ICP. Mirae Asset Venture Investment hat über MPN Marketplace Networks in die Karlsruher Plattform für den Handel mit Luxusuhren Chrono24 investiert. Die Samsung Venture Investment Corporation beteiligte sich 2011 am Dresdner Spezialisten für OLED-Chemikalien Novaled. Seit 2013 ist Novaled eine 100-prozentige Tochter der Samsung-Gruppe. Beim K-Startup Grand Challenge kamen von 2017 bis 2024 mindestens sieben deutsche Firmen zum Zuge.
Ausgewählte deutsche Start-ups mit Zuschlag von der K-Startup Grand Challenge
Firma
Fokus
Jahr
Altagram
Computerspielanpassung
2017
Briefy
Fotografie, virtuelle Realität
2017
Is it Fresh *
Smarte Sensoren zur Digitalisierung von Verpackungen etwa bei Nahrungsmitteln und Pharmazeutika
2017
Cynteract
Intelligenter Rehabilitationshandschuh
2022
MotionsCloud
Künstliche Intelligenz
2022
Koralo
Vegane Alternative zu Fisch
2022
Anymate Me
Videosyntheseplattform für Videos mit KI-Avataren und -Stimmen
2023
* heute Asynos.Quelle: K-Startup Grand Challenge 2024; Cynteract 2024; Pen Ventures 2024
Deutsche Förderinstitutionen helfen
Das Programm German Accelerator unterstützt seit 2020 deutsche Start-ups auf dem südkoreanischen Markt. Die erste German Startup Night fand 2022 in Präsenz in Seoul statt.Das Programm hat nach eigenen Angaben zurzeit circa 40 Mentoren im Land.
Deutlich länger unterstützt die AHK Korea deutsche Firmen beim Markteinstieg in Südkorea. Sie hilft bei Partnersuche, Einstellung von Personal, Zugang zu Bonitätsbewertungen, vermietet Räume an deutsche Firmen und erstellt individuelle Marktstudien. Die Deutsche Botschaft in Seoul vertritt Interessen deutscher Unternehmen gegenüber südkoreanischen Regierungsstellen und setzt sich für besseren Marktzugang ein. Germany Trade & Invest informiert deutsche Firmen über Auslandsmärkte, betreut das Markterschließungsprogramm des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie und unterstützt die internationale Vernetzung der Digital Hubs in Deutschland.
BMW kooperiert über sein Technology Office und die Startup Garage mit Start-ups in Südkorea und will diese zu Lieferanten und langfristigen Partnern entwickeln. Ähnlich angelegt ist die Startup Autobahn von Mercedes, die der Partner N15 für den Stuttgarter Konzern in Südkorea umsetzt.
SAP lässt Jungunternehmen Produkte auf seinen Plattformen entwickeln und vernetzt sie mit potenziellen Kunden. Auch andere Firmen wie Boehringer Ingelheim, Volkswagen, Continental und Beiersdorf (Nivea Accelerator) arbeiten mit lokalen Start-ups.
Zeitweise Freistellung von Regulierungen möglich
Zum Testen neuer Technologien und Geschäftsmodelle gibt es seit 2019 "Regulatory Sandboxes". So können Firmen etwa in Grenzbereichen zwischen Industriezweigen, im Finanzwesen, bei IKT und Mobilität vorübergehende Ausnahmen von bestehenden Regulierungen beantragen. Voraussetzung ist, dass diese sie in ihren Aktivitäten behindern. Ausnahmen können für zwei Jahre erteilt und danach verlängert werden. Die Antragsstellung kann seit 2020 auch bei der Korea Chamber of Commerce and Industry erfolgen.
Auch ausländische Start-ups können von staatlicher Förderung profitieren. Marta Allina verrät im Interview, was deutsche Jungunternehmen im Markt beachten sollten.
Marta Allina ist Program Director für die Start2 Group in Südkorea und dort seit 2021 tätig. Im Rahmen des German Accelerator unterstützt die Start2 Group deutsche Start-ups bei der Marktexpansion und führt regelmäßig Markterkundungsreisen nach Südkorea durch.
Marta Allina verfügt über umfassende Erfahrung in der Start-up-Szene und ist Gründerin von Seoul Startups, einer lokalen Community. Im Gespräch erläutert sie die Besonderheiten des südkoreanischen Start-up-Ökosystems und zeigt Chancen für deutsche Jungunternehmen auf.
Welche Besonderheiten hat das südkoreanische Start-up-Ökosystem?
In den meisten Ländern stehen Start-ups im Mittelpunkt des Ökosystems und werden von anderen Akteuren wie Unternehmen, Investoren und Kapitalgebern, Inkubatoren, Acceleratoren und Regierungsinstitutionen umgeben. In Südkorea ist es umgekehrt: Hier steht klar die Regierung im Mittelpunkt. Sie gibt Start-ups eine Art fertiges Handbuch mit klaren Anweisungen und Vorgaben und bestimmt so, in welche Richtung die Entwicklung gehen soll. Andererseits stellt sie umfangreiche Finanzierung zur Verfügung, von der Start-ups profitieren.
Eine weitere Besonderheit: Südkoreanische Venture-Capital-Geber (VCs) sind äußerst risikoavers. Daher stellt die Regierung einen nicht unerheblichen Teil des VC-Investments. Andernfalls würden VC-Geber des Landes ausschließlich in Start-ups in späten Finanzierungszyklen investieren, die kurz vor dem Börsengang stehen.
Gibt es auch Herausforderungen oder Hindernisse, die durch die starke staatliche Lenkung entstehen?
Die umfangreiche staatliche Förderung von Start-ups ist ein zweischneidiges Schwert und kann sich vereinzelt nachteilig auswirken. Wenn der Staat die maßgebliche Richtung der Entwicklung vorschreibt, lässt dies Start-ups wiederum weniger Raum für Flexibilität und Innovationen. Dabei erweisen sich Staatsbedienstete nicht immer als die besten wirtschaftlichen Entscheider. Wenn die Regierung in bestimmten Bereichen zu stark mitmischt, entstehen Regulierungen, die Fortschritt und Entwicklungen hemmen. Das trifft vor allem auf den Fintech-Sektor zu. Zugleich bietet die umfangreiche staatliche Finanzierung Start-ups eine gewisse Planbarkeit.
"Ein weiteres Problem sind Zombie-Start-ups ohne richtiges Wachstum und ohne marktreife Produkte."
Wenn diese Start-ups zugleich besonders versiert in der Beantragung von Förderprogrammen sind, verharren sie in einer Art Stillstand, in dem sie nicht scheitern, aber auch nicht expandieren. Für das Ökosystem und Investoren wird dies zum Problem, da Ressourcen gebunden werden, die anderweitig effizienter eingesetzt werden könnten.
Was sind aktuelle Trends?
Das Jahr 2025 steht im Zeichen der globalen Expansion: Die Regierung will südkoreanischen Start-ups noch stärker zur Internationalisierung verhelfen. Zugleich werden Formate zur Einbindung von ausländischen Start-ups ins heimische Ökosystem gefördert. Mit fast 430 Förderprogrammen 2025 im Wert von umgerechnet rund 2,4 Milliarden US-Dollar lassen sich bestimmte Branchentrends ablesen. Bei Künstlicher Intelligenz und BigData ging das Land recht spät ins Rennen, setzt jedoch alles daran, möglichst schnell aufzuholen. Ein weiteres Feld ist Biotechnologie und Gesundheitswesen – angesichts der alternden Bevölkerung ein dringendes Anliegen. Nicht zuletzt werden Climate Tech sowie das breite Feld Entertainment, Content und Gaming maßgeblich mit Fördermitteln bedacht.
Der German Accelerator ist ein Förderprogramm des deutschen Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie, das deutsche Start-ups bei der internationalen Expansion unterstützt. Das Programm bietet individuelle Beratung, Coaching, Networking und Zugang zu internationalen Märkten, insbesondere in den USA, Lateinamerika, Europa, Asien und Afrika. Durchgeführt wird das Programm von der Start2 Group.
Was macht Südkorea für Start-ups so einzigartig?
Mit dem vergleichsweise kleinen Markt und der starken staatlichen Unterstützung bietet Südkorea eine ideale Umgebung für Innovation und Wachstum. Mittlerweile sind auch einige Großunternehmen (Chaebol) an Kooperationen und Investitionen in Start-ups interessiert. Die bestens ausgebildete und technikaffine Bevölkerung greift neue Technologien schnell auf. In Kombination mit dem ausgeprägten Innovationsdrang der Wirtschaft und Bevölkerung sowie der hervorragenden digitalen Infrastruktur macht dies das Land zu einem erstklassigen Testfeld für Produkte und innovative Lösungen in Asien.
Wie sieht es mit der Zusammenarbeit mit lokalen Firmen aus?
Das Verhältnis zwischen Südkoreas Großunternehmen und lokalen Start-ups ist zwiegespalten: Einerseits verfügen viele Großkonglomerate über eigene Acceleratoren, über die nicht selten einzelne Start-ups als Ausgründungen (Spin-offs) aus unternehmensinternen Projekten entstehen. Andererseits sind südkoreanische Start-ups zögerlich bei der Zusammenarbeit mit Chaebol: Denn Start-ups nehmen das wirtschaftliche Ungleichgewicht zugunsten der Großunternehmen, die dadurch potenziell entstehende Gefahr von Ausbeutung sowie die konservative Geschäftskultur innerhalb der Chaebol als innovationshemmend wahr.
"Für ausländische Unternehmen lohnt sich der Blick über Großunternehmen hinaus."
Im Mittelfeld zwischen Chaebol und südkoreanischen KMU gibt es eine Reihe von Firmen, die über die notwendigen Finanzmittel verfügen und einen gewissen Hunger nach Wachstum verspüren. Eine Kooperation mit diesen setzt jedoch eine intensive Vorbereitung und Marktrecherche voraus.
Was sollten deutsche Start-ups noch berücksichtigen?
Neben der sprachlichen Barriere sollten ausländische Start-ups die Relevanz der andersartigen Kommunikationskultur nicht unterschätzen. Einiges bleibt unausgesprochen oder wird zwischen den Zeilen kommuniziert, da sind einheimische Start-ups klar im Vorteil. Von größter Bedeutung ist zudem die Präsenz vor Ort, wenn auch nur für ein paar Tage, um wenigstens Visitenkarten auszutauschen. Noch besser ist es, wenn man sich von einem vertrauensvollen Kontakt vorstellen lässt. Zu häufig sind ausländische Start-ups eine Ansprache über LinkedIn gewohnt. Im koreanischen Kontext ist die Business-App "Remember" geläufiger: Darüber lassen sich Kontaktdaten von Visitenkarten bequem einpflegen und aktuell halten.
Handlungsempfehlungen für deutsche Start-ups – Wege zum Erfolg in Südkorea!
Unterstützungsangebote nutzen
Mehrere Institutionen bieten umfangreiche Hilfestellung beim Start im südkoreanischen Markt. Dazu gehören Berichte und Analysen von Germany Trade & Invest (GTAI), Maßnahmen und Services im Rahmen von "Korea-Germany Connect" der Auslandshandelskammer (AHK) Korea sowie das German-Accelerator-Programm der Start2 Group.
Präsenz vor Ort zeigen
Die Teilnahme an Networking-Events der südkoreanischen Start-up-Szene ist äußerst wertvoll. Viele Events lassen sich bereits aus Deutschland über Online-Gruppen recherchieren. Um erste Kontakte mit Geschäftspartnern und Investoren zu knüpfen, ist zumindest ein kurzes persönliches Treffen empfehlenswert.
Mit Gleichgesinnten vernetzen
Der Austausch mit anderen internationalen Start-ups kann wertvolle Einblicke in Chancen und Herausforderungen vor Ort bieten. Er ermöglicht gegenseitige Unterstützung und kann zur Entwicklung neuer Kooperationen führen.
Auf südkoreanische Dienstleister zurückgreifen
Zur Integration in das lokale Netzwerk kann die Zusammenarbeit mit südkoreanischen Beratern sinnvoll sein. Neben sprachlicher Unterstützung bringen sie häufig spezifisches Branchen-Know-how und wertvolle Insiderkenntnisse über das südkoreanische Start-up-Ökosystem mit.
Finden Sie alle relevanten Informationen zur Wirtschaft in Südkorea: Wirtschaftsumfeld, Branchen, Recht, Zoll, Ausschreibungen und Entwicklungsprojekte.
Internationalität ist ein entscheidender Erfolgsfaktor für Start-ups - nicht nur aufgrund der Digitalisierung, sondern auch um Wachstumspotenziale vollständig auszuschöpfen. Internationale Start-up Ökosysteme sind allerdings völlig unterschiedlich entwickelt.
Die Region Asien-Pazifik hat in den vergangenen Jahrzehnten enorm an wirtschaftlicher Bedeutung gewonnen. Für Deutschland sind die asiatischen Länder wichtige Absatzmärkte und Partner.