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Deal oder kein Deal: US-Zollpolitik verunsichert Taiwan
Exportorientierte Unternehmen in Taiwan müssen sich wohl mit einem 20-Prozent-Strafzoll arrangieren. Deutsche Firmen erwarten kompliziertere Lieferketten.
05.08.2025
Von Jürgen Maurer | Taipei
20 Prozent - Diese Zahl steht auf dem Erlass, den US-Präsident Trump am 31. Juli 2025 unterzeichnete. Ab 7. August soll er umgesetzt werden. Taiwan konnte keinen "besseren" Strafzoll mit den USA aushandeln – zumindest temporär: die Verhandlungen laufen hinter den Kulissen weiter. Fixiert ist nichts und Details wurden bislang nicht veröffentlicht.
Die Schlüsselbranchen Taiwans bleiben vorerst von Strafzöllen ausgenommen, weil hier noch Untersuchungen gemäß Sektion 232 des Trade Expansion Act der USA stattfinden. Klar ist, dass die USA Computerchips, Elektronik und Informationstechnik brauchen, um ihre digitalen Hightech-Fortschritte hardwaremäßig umsetzen zu können. Sie sind auch darauf angewiesen, um in sensiblen Bereichen auf Zulieferer aus China verzichten zu können.
Wettbewerb um US-Kunden wird härter
Treffen werden die Strafzölle vor allem traditionelle Industrien in Taiwan, wie den Maschinenbau, Kunststofferzeugung und Kfz-Teile, wenn sie in die USA liefern. Gegenüber den ostasiatischen Wettbewerbern Japan und Südkorea, die für die meisten Exportwaren in die USA mit einem Strafzoll von 15 Prozent wegkamen, stehen sie nun schlechter da.
Zudem profitieren die beiden Länder neben "besseren" Zollsätzen auch von günstigeren Wechselkursbedingungen, was sie für US-Kunden attraktiver macht. Der Taiwan-Dollar hat gegenüber dem US-Dollar allein im 1. Halbjahr 2025 um circa 11 Prozent aufgewertet, während insbesondere der japanische Yen gegenüber dem US-Dollar seit Anfang 2024 bis Mitte 2025 über 10 Prozent an Wert verloren hat.
"Taiwans Exportresilienz wird getestet" umschreibt der taiwanische Wirtschaftsverband Chinese National Association of Industry and Commerce. Jedoch haben viele Firmen ohnehin Produktionsstätten im Ausland, etwa in Südostasien. In den dortigen Ländern liegen die Strafzölle ungefähr gleichauf oder sogar höher als in Taiwan.
Viele taiwanische Unternehmen haben zudem in Mexiko investiert, um von dem nordamerikanischen Freihandelsabkommen USMCA zu profitieren. Sie hoffen, dass sich dies weiter auszahlt. Mit Mexiko als wichtigem Zulieferland haben die USA die Verhandlungen über Strafzölle - angekündigter Strafzoll von 30 Prozent - verlängert. Auch China, wo viele taiwanische Produktionsfirmen über lange Zeit hohe Summen investiert haben, um in die USA zu exportieren, verliert weiter an Attraktivität, wenn auch bislang noch nicht bekannt ist, wie hoch hier die Strafzölle ausfallen werden.
"Die deutschen Unternehmen werden nun genau analysieren, wo Lieferketten anzupassen sind, um den Schaden zu minimieren."
Deutsche Firmen beobachten Lieferkettenveränderungen
Die gegenwärtige US-Zollpolitik trifft deutsche Unternehmen vor allem bei Erzeugnissen, bei denen Taiwan nicht der Endmarkt ist. Beispielsweise beliefern deutsche Firmen Kunden in Taiwan mit Vorprodukten, die dann in Maschinen und Geräte eingebaut werden und die USA als Zielmarkt haben. Wenn die Exportbestellungen aus den USA jedoch sinken, dann wirkt sich dies auf die Zulieferungen aus.
"Unsere Flash-Umfrage nach dem ‘Liberation Day’ im April hat gezeigt, dass mehr als die Hälfte der deutschen Unternehmen in Taiwan erwartet, dass die US-Zölle eine Herausforderung darstellen werden", kommentiert Eva Langerbeck, Geschäftsführerin des Deutschen Wirtschaftsbüros in Taipei. "Die deutschen Unternehmen werden nun genau analysieren, wo Lieferketten anzupassen sind, um den Schaden zu minimieren."
Taiwan exportiert hauptsächlich Elektronik
Es ist damit zu rechnen, dass Taiwans Ausfuhren in die USA sinken, denn der hohe Anstieg der Exporte im 1. Halbjahr 2025 ist auch darauf zurückzuführen, dass viele Unternehmen in den USA ihre Bestellungen vorgezogen haben, um höhere Zölle zu vermeiden. Dass Elektronikerzeugnisse und Halbleiter als Hauptexportwaren Taiwans von US-Strafzöllen vorerst ausgenommen sind, lässt keinen dramatischen Ausfuhrrückgang erwarten.
Der Ausgang der Untersuchungen ist noch nicht abzusehen. Aber auch wenn Zölle erhoben würden, hätte das nur einen begrenzten Effekt auf die Exportbestellungen aus den USA. Die Rechnung zahlen die US-Kunden. Seit Künstlichen Intelligenz (KI) weltweit boomt, ist die US-Nachfrage nach KI-Servern, hochleistungsfähigen Chips (high performance computing) und anderen KI-unterstützendem Elektronik-Geräten geradezu explodiert.
Handelsüberschuss mit USA bleibt hoch
Dies hat hauptsächlich dazu beigetragen, dass Taiwans Exporte in die USA im 1. Halbjahr 2025 gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 51,4 Prozent zulegten. Insgesamt sind die taiwanischen Ausfuhren zum nordamerikanischen Handelspartner 2024 und 2025 überdurchschnittlich angestiegen. Taiwanische Importe sanken hingegen.
| Exportwert 1. Halbjahr 2025 | Veränderung |
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Gesamt | 283,3 | 25,9 |
China (inkl. Hongkong) | 79,2 | 12,7 |
USA | 78,9 | 51,4 |
Singapur | 18,6 | 13,8 |
Malaysia | 17,6 | 94,6 |
Japan | 14,2 | 12,2 |
Südkorea | 11,7 | 25,9 |
Mexiko | 9,6 | 212,0 |
... |
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Deutschland | 3,4 | -2,1 |
Ergebnis ist, dass der Handelsüberschuss mit den USA angeschwollen ist. Allein in den ersten sechs Monaten 2025 betrug er über 55 Milliarden US-Dollar (US$). Im Gesamtjahr 2024 lag der Überschuss bei 65 Milliarden US$ und brachte Taiwan in den Fokus der US-Zollpolitik. Die Insel zählt zu den zehn größten "unfairen" Handelspartnern der USA.
Investitionen sollen Handelsüberschuss reduzieren
Taiwan zeigt sich offen, mehr US-Waren einzukaufen, um seinen Außenhandelsüberschuss zu verringern. Wie in den Deals mit anderen Ländern gehören dazu Flugzeuge, Energierohstoffe und Landwirtschaftsprodukte. Experten erwarten, dass auch Taiwan US-amerikanischen Waren weitgehende Zollfreiheit einräumen wird. Ein großer Teil wird auch Militärausrüstung sein, die Taiwan ohnehin für die Erhöhung seiner Verteidigungsbereitschaft anschaffen will. Das hängt allerdings stark von der Lieferfähigkeit der USA ab.
Da Taiwan seine Energieerzeugung immer stärker von Kohle weg auf Erdgas umstellt, steht der Einkauf von großen Mengen LNG (Liquefied Natural Gas) aus US-Quellen auf der Agenda. Taiwans Firmen haben zudem bereits hohe Investitionen in den USA angekündigt, um bestehende Produktion auszubauen oder neue Kapazitäten aufzubauen, wie insbesondere für Chip- und Elektronikerzeugnisse.