Wirtschaftsumfeld | Thailand | Wirtschaftsstruktur
Thailand hat eine vielfältige Wirtschaftstruktur
Kfz, Chemie, Nahrungsmittelverarbeitung und Elektronik bestimmen die Industrie. Aber ausländische Direktinvestitionen fließen vermehrt zum regionalen Rivalen Vietnam.
02.08.2025
Von Frank Malerius | Bangkok
Thailand ist ein besonders attraktiver Standort für die Ansiedlung von produzierenden Unternehmen. Die staatliche Investitionsbehörde, der Board of Investment (BOI), hat bei ausländischen Investoren einen exzellenten Ruf. Allerdings ist mit Vietnam ein starker Rivale erwachsen – mit niedrigen Löhnen, einer lernbegierigen und disziplinierten Arbeiterschaft und in geografischer Nähe zu China.
Vietnam hat in den vergangenen zwei Jahrzehnten viele ausländische Direktinvestitionen angezogen, das andernfalls nach Thailand hätte fließen können. Während die thailändische Volkswirtschaft zur Jahrtausendwende noch viermal so groß war wie die vietnamesische, sind beide heute nahezu gleichauf. Die Staaten Südostasiens sind mehr als andere Länder auf ausländische Direktinvestitionen (FDI) angewiesen. Denn bis auf Singapur entwickeln sie selbst kaum höherwertige Produkte.
Bei der jährlichen Pro-Kopf-Wirtschaftsleistung liegt Thailand mit rund 7.500 US-Dollar weiterhin deutlich vor Vietnam sowie anderen regionalen Wettbewerbern wie Indonesien oder den Philippinen. Dieser Vorsprung ist vor allem darauf zurückzuführen, dass sich das Königreich deutlich früher industrialisiert hat. Heute verfügt Thailand über eine breite Mittelschicht, und extreme Armut ist nur noch in geringem Maße vorhanden.
Starke industrielle Infrastruktur mit Kfz-Schwerpunkt
Eine große Stärke Thailands sind seine Industriecluster, insbesondere der Großraum Bangkok und der südöstlich davon gelegene Eastern Economic Corridor (EEC), der sich über die drei Provinzen Chachoengsao, Chonburi und Rayong erstreckt. Dort liegt der Tiefseehafen Laem Chabang, genauso wie das Chemie-Cluster Map Ta Phut. Tausende ausländische Unternehmen haben sich in dieser Region angesiedelt und erzielen teils schon seit Jahrzehnten gute Renditen. Die meisten Unternehmen produzieren dort für den Weltmarkt, die Region Asien-Pazifik oder zumindest für Südostasien. Die logistische Infrastruktur Thailands ist ebenfalls gut.
Ausführliche Informationen zur Wirtschaft finden Sie in den Wirtschaftsdaten kompakt - Thailand.
Eine der erfolgreichsten Branchen im EEC ist die Automobilindustrie. Sie ist die größte in der Region ASEAN (Association of Southeast Asian Nations) und wird von japanischen Herstellern dominiert. Die deutschen Hersteller Mercedes-Benz und BMW montieren in Thailand einige ihrer Modelle und verkaufen dort jeweils zwischen 10.000 und 15.000 Einheiten pro Jahr.
Doch die Branche befindet sich in einer schweren Krise. Im Jahr 2024 brachen die Verkäufe um ein Viertel ein und es ist keine substanzielle Besserung in Sicht. Denn Thailands Banken sind deutlich restriktiver als früher bei der Vergabe von Darlehen. Faule Autokredite sind zu einem solchen Massenphänomen geworden, dass ein großes deutsches Versicherungsunternehmen mittlerweile sogar gepfändete Wagen gegen Unfälle auf dem Weg vom Schuldner zu den Auktionshäusern versichert. Zulieferer und metallverarbeitende Firmen berichten, dass sie andere Branchen erschließen müssen, um zu überleben.
Neben der Kfz-Produktion und der Chemieindustrie gehören die Nahrungsmittelverarbeitung und die Elektronikindustrie zu den bedeutendsten Industriesektoren. Thailand ist einer der größten Exporteure von Nahrungsmitteln der Welt. Hier ist deutsche Verarbeitungs- und Verpackungstechnologie besonders gefragt. Die Elektronikindustrie ist die wichtigste Exportbranche des Landes. Allerdings produziert sie vor allem einfachere Produkte. Und durch die Importabhängigkeit bei Rohstoffen und Vorprodukten ist ihre Wertschöpfung gering.
Gebiet | Anteil am BIP (in %) | BIP pro Kopf (in US$ *) | Bevölkerung (in Mio.) |
---|---|---|---|
Großraum Bangkok | 47,7 | 13.958 | 17,5 |
Osten | 18,0 | 14.196 | 6,5 |
Nordosten | 10,1 | 2.836 | 18,2 |
Süden | 8,0 | 4.195 | 9,8 |
Norden | 7,7 | 3.559 | 11,2 |
Zentralregion | 4,9 | 7.950 | 3,2 |
Westen | 3,5 | 4.977 | 3,7 |
Zu wenig ausgebildete Fachkräfte
Ein großes Problem für ausländische Unternehmen ist der Mangel an gut ausgebildeten Arbeitskräften. Für die Weiterentwicklung des Industriestandorts Thailand stellt er einen Flaschenhals dar. Gute Ingenieure und technisch ausgebildete Fachkräfte sind schwer zu finden. Auch die Englischkenntnisse sind oft schwach. Wer sowohl Fach- als auch Englischkenntnisse vorweisen kann, hat eine große Machtposition auf dem Arbeitsmarkt. Der Geschäftsführer eines deutschen Metallverarbeitungsunternehmens berichtet, dass sein Vertriebsleiter in guten Monaten mehr verdient als er selbst.
Für angelernte Tätigkeiten in der Produktion gibt es einen ausreichenden Pool von Arbeitskräften mit Fabrikerfahrung, berichten deutsche Unternehmen. Oft müssen diese jedoch von der Konkurrenz abgeworben werden. Ein höheres Gehaltsangebot verleitet Beschäftigte schnell zu einem Wechsel, denn die Betriebstreue ist gering ausgeprägt.
In den Fabriken wird in der Produktion meist über dem für die Industriezentren geltenden Mindestlohn von 400 Baht pro Tag (circa 12 US$) gezahlt. Sollten die Mindestlohnanhebungen in Zukunft ähnlich hoch wie in den vergangenen Jahren ausfallen, verliere der Standort allerdings an Attraktivität, warnt der Geschäftsführer eines deutschen Automobilzulieferers.
Mittelfristiger Mangel an Arbeitskräften
Ein mittel- bis langfristiges Problem wird durch Thailand Demografie entstehen. Die Bevölkerungszahl hat ihren Scheitelpunkt überschritten - während sie überall in der ASEAN-Region außer Singapur wächst. Thailands Geburtenrate gehört zu den niedrigsten weltweit. Schon heute übernehmen Millionen von Arbeitsmigranten aus Laos, Kambodscha und vor allem aus Myanmar Tätigkeiten, für die sich keine Thais mehr finden. Sei es in der Landwirtschaft, auf dem Bau oder in der Fischverarbeitung.
Die nationale Wirtschaftsplanungsbehörde NESDC erwartet bis 2040 zwar nur ein leichtes Schrumpfen der Bevölkerungszahl. Danach wird der Rückgang aber deutlich an Fahrt aufnehmen. Demoskopen sprechen von einer Halbierung der Bevölkerung in den kommenden 60 Jahren. Der wachsende Wohlstand wird sich somit auf weniger Thais konzentrieren. Die Bereitschaft in einer Fabrik zu arbeiten, dürfte abnehmen.
Sektoren | Anteil am BIP 2023 | Anteil an den Beschäftigten 2023 |
---|---|---|
Land- und Forstwirtschaft, Fischerei | 8,6 | 30,2 |
Bergbau (inklusive Öl- und Gasförderung) | 2,0 | 0,1 |
Verarbeitendes Gewerbe | 25,0 | 15,7 |
Energieversorgung | 3,2 | 0,2 |
Wasserversorgung, Abwasser- und Abfallentsorgung und Beseitigung von Umweltverschmutzungen | 0,4 | 0,2 |
Baugewerbe | 2,4 | 5,2 |
Dienstleistungen | 58,4 | 51,9 |