Ein Großteil des tschechischen Gebäudebestands ist energetisch nicht effektiv saniert. Bei Neubauten sind nachhaltige Technologien dank Fördermitteln gefragt.
Tschechien hat viel Potenzial für energetische Sanierung des Gebäudebestands. Es gibt im Land 1,55 Millionen Einfamilienhäuser und über 211.000 Mehrfamilienhäuser. Die überwiegende Mehrzahl wurde vor 1980 errichtet und ist entsprechend sanierungsbedürftig.
Geplante Senkung des Energiebedarfs tschechischer Gebäude| | 2020 | 2030 | 2050 |
|---|
| Energieverbrauch aller Gebäude, in Petajoule | 373 | 345 | 289 |
| Einfamilienhäuser | 161 | 149 | 123 |
| Mehrfamilienhäuser | 88 | 83 | 73 |
| Öffentliche Gebäude, Büro- und Industriebauten | 124 | 113 | 93 |
Quelle: Langfriststrategie zur Sanierung des Gebäudebestands von 2020, Ministerium für Industrie und Handel 2025
Großzügige Förderung mit EU-Geld
Die gestiegenen Energiepreise haben das Bewusstsein für Energieeffizienz erhöht. Der Staat fördert die Sanierung mit großzügigen Förderprogrammen und nutzt dafür EU-Fördertöpfe.
Bekanntestes Programm ist das Projekt Nová zelená úsporám, über das die energetische Sanierung von Wohngebäuden unterstützt wird. Dazu gehören die Dämmung von Fassaden, Dächern und Fußböden, der Austausch von Fenstern und Türen sowie Solarthermie. Im Jahre 2024 wurden Fördermittel von umgerechnet 1,2 Milliarden Euro ausgezahlt.
Ein wichtiger Akteur bei der energetischen Sanierung könnten die Behörden werden. Allein der zentralen Staatsverwaltung gehören 770 Gebäude, von denen der Großteil dringend modernisiert werden müsste. Geld für die Sanierung gibt es aus dem operationellen Programm Umwelt der laufenden EU-Förderperiode. Bis 2027 stehen rund 500 Millionen Euro zur Verfügung. Eine Übersicht zu den bereits genehmigten Projekten findet sich auf der Webseite des Programms.
Bei Neubauten entsprechen nur wenige Gebäude den höchsten Energieeffizienzklassen. Etwa 11 Prozent der 2024 fertiggestellten Mehrfamilienhäuser in Tschechien erfüllten die Anforderungen für den Passivhausstandard.
Für Neubauten sind Energieausweise Voraussetzung beim Genehmigungsverfahren. Sie sind außerdem notwendig bei größeren baulichen Veränderungen sowie bei Verkauf und Vermietung. Die Ausstellung darf nur durch spezialisierte Energieberater erfolgen. Das Ministerium für Industrie und Handel führt eine aktuelle Liste der autorisierten Stellen.
Fertiggestellte Neubauten nach Energieeffizienzklasse in Tschechien | | 2022 | 2023 | 2024 |
|---|
| Mehrfamilienhäuser | 512 | 557 | 374 |
| Klasse A | 32 | 28 | 41 |
| Klasse B | 384 | 406 | 266 |
| Klasse C | 96 | 123 | 67 |
| Einfamilienhäuser | 18.782 | 17.809 | 14.013 |
| Klasse A | 1.677 | 1.685 | 1.739 |
| Klasse B | 11.765 | 10.561 | 8.192 |
| Klasse C | 5.340 | 5.563 | 4.082 |
Quelle: Tschechisches Statistikamt ČSÚ 2025
Viele Zertifikate für nachhaltige Gebäude
Die Zertifizierung von Gebäuden nach Nachhaltigkeitskriterien ist noch ein Nischenthema. Dabei finden internationale Methoden für Green Buildings wie BREEAM, LEED oder DGNB Anwendung. Es gibt außerdem ein nationales Zertifizierungssystem SBToolCZ, das von der Baufakultät der Technischen Hochschule ČVUT in Prag, dem Prüfinstitut für Bauwesen TZÚS Praha und dem Forschungsinstitut für den Hochbau VUPS betrieben wird. Es soll stärker die lokalen klimatischen, baulichen und rechtlichen Bedingungen berücksichtigen, in tschechischer Sprache durchgeführt werden und günstiger sein als internationale Zertifikate.
Laut Green Building Information Gateway wurden in Tschechien bis Anfang Oktober 2025 bereits 1.067 Zertifikate für nachhaltige Gebäude vergeben (970 BREEAM, 237 LEED).
Projektentwickler betonen, dass tschechische Kunden häufig nicht bereit seien, einen Aufpreis von etwa 10 Prozent für nachhaltigere Gebäude zu zahlen. Das Interesse an ESG-Kriterien (Environmental, Social and Corporate Governance) geht eher von internationalen Immobilienfonds und Mietern aus. Deshalb steht die überwiegende Zahl der nachhaltig zertifizierten Gebäude in Prag, wo viele ausländische Unternehmen ihren Sitz haben.
Roadmap für klimaneutrales Bauen
Eine wichtige Rolle spielt der Czech Green Building Council mit derzeit rund 125 Mitgliedern, darunter Architektur- und Ingenieurbüros, Baufirmen und Baustoffhersteller. Der Rat hat mehrere Arbeitsgruppen zu Spezialthemen wie Brownfieldsanierung, Wassermanagement, Recycling von Baustoffen oder Holzbauten.
Ziel der Zero Carbon Roadmap für den Gebäudesektor in Tschechien ist es, den Gebäudebestand bis 2050 klimaneutral zu gestalten. Die wichtigsten Maßnahmen:
- Dekarbonisierung des gesamten Lebenszyklus von Gebäuden: von Planung, Bau, Nutzung, Renovierung bis Abriss
- Reduktion von Treibhausgasemissionen in der Bauwirtschaft und im Gebäudesektor, die aktuell für bis zu 38 Prozent der CO₂-Emissionen in Tschechien verantwortlich sind
- Förderung von tiefgreifenden Renovierungen statt oberflächlicher Sanierungen (also mindestens Dämmung, Fensteraustausch, Heizungserneuerung)
- Einbindung aller Akteure: Regierung, Bauwirtschaft, Finanzsektor, Forschung, Bildungseinrichtungen.
Die Roadmap wurde Anfang 2024 offiziell vorgestellt und den zuständigen Ministerien übergeben.
Holzbauten noch in der Nische
Kaum Dynamik entfaltet bislang der Markt für Holzbauten. Bei öffentlichen Gebäuden kommt der nachwachsende Baustoff nur selten zum Einsatz. Es fehlen Fachkräfte und technologisches Know-how für die Errichtung von Holzbauten. Außerdem bestehen viele Vorurteile wie geringe Haltbarkeit und Brandgefahr gegenüber dieser Bauweise.
Bei Einfamilienhäusern hatten Holzbauten 2024 einen Anteil von rund 14 Prozent. Insgesamt wurden 1.906 Eigenheime aus Holz errichtet. Bei Mehrfamilienhäusern ist die Holzbauweise noch eine Ausnahme. Im Jahr 2024 entstanden in Tschechien vier solcher Gebäude mit 69 Wohnungen.
Eines der größten Holzbauvorhaben setzt Skanska derzeit in Prag um. Ein vierstöckiges Gebäude des Wohnkomplexes D.O.K. Radlice wird mit 80 Apartments das größte Wohnhaus aus Holz in Tschechien.
Starkes Wachstum bei Energiesparverträgen
Eine interessante Nische für mehr Energieeffizienz im tschechischen Gebäudebau ist das Energy Performance Contracting (EPC). Dabei übernimmt ein Energiedienstleister, die Energy Service Company (ESCO), die schlüsselfertige Modernisierung und refinanziert die Investition aus den eingesparten Energiekosten.
Nach Angaben des zuständigen Fachverbands APES gab es in Tschechien bislang rund 300 Projekte, bei denen 1.500 Objekte energetisch saniert wurden. Hauptkunden sind Gemeinden, Ministerien, Gebietskörperschaften und Privatunternehmen.
Ein Energiesparvertrag lohnt sich nach Berechnungen von APES ab 120.000 Euro Energiekosten pro Jahr. Vor allem für Krankenhäuser, Schulen, Industrie- und große Verwaltungsgebäude in Tschechien sind solche Modelle daher interessant. Unter den Energiedienstleistern sind auch deutsche Unternehmen, darunter EnBW, Siemens und MVV Energie.
Von Gerit Schulze
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Prag