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Branchen | Tschechische Republik | Energiesicherheit

Staat übernimmt Kontrolle der Gasspeicher

Am tschechischen Gasmarkt zeichnen sich markante Veränderungen ab. Ein Staatsunternehmen übernimmt die Erdgasspeicher. Auch das Verteilernetz steht vor dem Verkauf.

Von Gerit Schulze | Prag

Der tschechische Staat stärkt seine Kontrolle über die Gasversorgung. Ende August 2023 stimmte die Regierung dem Verkauf von RWE Gas Storage CZ an das Staatsunternehmen ČEPS zu. Damit gehen sechs unterirdische Erdgasspeicher in den Besitz des Staates über. Sie haben eine Kapazität von 2,7 Milliarden Kubikmetern und decken damit drei Viertel der gesamten Speichermöglichkeiten im Land ab. ČEPS ist der Betreiber des tschechischen Stromübertragungsnetzes.

"Logischer Schritt zur Versorgungssicherheit"

Tschechiens Industrieminister Jozef Síkela sieht in dem Kauf der RWE-Speicher einen "logischen Schritt", um die Versorgungssicherheit der Tschechischen Republik zu stärken. RWE begründete den Verkauf in Tschechien damit, dass "die Gasspeicherung kein Kerngeschäft" sei. In Deutschland will der Essener Energiekonzern seine Speicheraktivitäten aber fortsetzen, weil die dortigen Salzkavernen später auch für die Einlagerung von Wasserstoff genutzt werden könnten, heißt es in einer Pressemitteilung.

In Tschechien lässt RWE seine Speicher seit 2021 überprüfen, ob sie für eine Einlagerung von Wasserstoff in Frage kommen. Ein endgültiges Ergebnis der Untersuchungen steht noch aus. 

Speicher sind derzeit zu 95 Prozent gefüllt 

Insgesamt gehören zum tschechischen Gasversorgungssystem acht große Speicher mit einer Kapazität von 3,5 Milliarden Kubikmetern. Sie könnten den für 2023 erwarteten Jahresverbrauch zu etwa 47 Prozent abdecken. Die Reservoirs waren am 25. August 2023 zu 95 Prozent gefüllt.

Neben RWE Gas Storage CZ betreiben Moravia Gas Storage (MGS) und MND Energy Storage Erdgasspeicher in Tschechien. Außerdem hat die slowakische SPP Storage einen Speicher im mährischen Hodonín, der aber nur der Gasversorgung im Nachbarland dient.

MGS gehört der Investmentgesellschaft KKCG des tschechischen Unternehmers Karel Komárek und der russischen Gazprom. Das Unternehmen betreibt den modernsten Speicher des Landes in Dambořice. Diesen Speicher hatte Gazprom für 15 Jahre gepachtet. Der Pachtvertrag wurde aber im März 2023 als Reaktion auf die EU-Sanktionen gegen Russland für ein Jahr ausgesetzt. Die Speicherkapazitäten in Dambořice nutzen nun andere Gashändler. Schon 2022 hatte Tschechiens Regierung an dem Standort erstmals eine Novelle des Energiegesetzes angewandt. Das Prinzip "Use it or lose it" soll sicherstellen, dass Firmen, die ihre Speicherkapazitäten nicht nutzen, den Anspruch darauf verlieren und die freien Kapazitäten versteigert werden.

Zur KKCG-Holding gehört außerdem der dritte tschechische Gasspeicheranbieter MND Energy Storage. Das Unternehmen betreibt auch unterirdische Erdgasspeicher in Hessen.

Investition soll sich innerhalb von zehn Jahren amortisieren

Der tschechische Staat zahlt für die sechs Kavernen von RWE Gas Storage CZ 360 Millionen Euro. Premierminister Petr Fiala rechnet damit, dass sich die Investition nach zehn Jahren amortisiert. Die RWE-Tochter erzielte 2022 bei einem Umsatz von 1,68 Milliarden Tschechischen Kronen (68 Millionen Euro) einen operativen Gewinn von 420 Millionen Kronen (17 Millionen Euro). Im Jahr zuvor war der Betriebsgewinn noch mehr als doppelt so hoch.

Tschechiens Regierung zeigt mit dem Kauf, dass sie noch länger auf Erdgas als wichtigen Energieträger setzt. Der langjährige Jahresbedarf liegt bei rund 8,3 Milliarden Kubikmetern. Nach Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine ist der tschechische Verbrauch angesichts massiver Sparmaßnahmen auf den niedrigsten Wert seit 2014 gesunken. Im 1. Halbjahr 2023 verringerte sich die Nachfrage nochmals um 12 Prozent gegenüber der Vorjahresperiode.

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Dennoch spielt Erdgas weiterhin eine tragende Rolle in der Energiebilanz. Die Hälfte verbraucht die verarbeitende Industrie, ein Viertel die Privathaushalte zur Wärmegewinnung. Industrieminister Síkela verteidigt daher den Einstieg des Staates bei der Erdgasspeicherung. Gas werde noch für längere Zeit ein wichtiger Energieträger bleiben, auch für die Dekarbonisierung der Wirtschaft und für die Nutzung von Wasserstoff, schrieb der Minister in der Tageszeitung Právo. Durch den Kauf der Anlagen bekomme der Staat unmittelbaren Einfluss auf diese wichtige Energieinfrastruktur.

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Vor Beginn des Ukrainekrieges kaufte Tschechien sein Erdgas fast ausschließlich in Russland. Seitdem ist es dem Land gelungen, die Lieferungen umzustellen. Im 1. Halbjahr 2023 hat Tschechien seine Erdgasbezüge zu 100 Prozent aus Deutschland bekommen. Das war vor allem Flüssigerdgas (LNG) aus Belgien und den Niederlanden sowie Erdgas aus Norwegen.

Gasnetzbetreiber steht vor dem Verkauf

Auch ein zweiter wichtiger Spieler am tschechischen Gasmarkt mit deutschem Hintergrund, Net4Gas, will seine Geschäfte verkaufen. Das Unternehmen gehört zur Hälfte dem Allianzkonzern und betreibt ein 4.000 Kilometer langes Gasnetz in Tschechien. Da der Erdgasverbrauch deutlich gesunken ist, sind die Perspektiven des Netzbetreibers unsicher. Durch den Wegfall Russlands als Lieferant hat das mittelosteuropäische Land seine Funktion als Transitland eingebüßt. Waren 2021 noch fast 46 Milliarden Kubikmeter Erdgas durch das tschechische Pipelinenetz geflossen, so waren es 2022 nur noch 27 Milliarden Kubikmeter, zeigen Zahlen der Behörde ERÚ.

Allerdings konnte Net4Gas wegen der hohen Preise 2022 einen Rekordumsatz von fast 530 Millionen Euro erzielen. Der Gewinn erreichte ein Zehnjahreshoch. Im Zehnjahresplan bis 2033 kündigte Net4Gas mehrere Projekte zum Ausbau des Leitungsnetzes und zur Anbindung von Kraftwerken an.

Wie die Prager Wirtschaftszeitung Hospodářské noviny berichtete, habe der staatliche Stromnetzbetreiber ČEPS ebenso Interesse an dem Gasverteiler wie der halbstaatliche Energiekonzern ČEZ. Auch die private Energie- und Industrieholding EPH, die in der Slowakei bereits das Gasübertragungsnetz Eustream betreibt, könnte ein potenzieller Käufer sein.

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