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Deutsche Firmen unterstützen Taiwans Energiewende
Taiwans Strombedarf steigt und die Versorgungssicherheit ist kritisch. Gaskraftwerke und Erneuerbare spielen die Hauptrolle, aber auch Atomenergie bleibt in der Diskussion.
10.10.2025
Von Jürgen Maurer | Taipei
Mitte 2025 ging Taiwans letzter Atommeiler vom Netz. Damit ist die Atomkraftnutzung auf der Insel aber nicht vom Radar verschwunden. So hat ein Referendum am 23. August 2025 die grundsätzliche Zustimmung der Bevölkerung zur Nuklearenergie bestätigt. Allerdings erreichte die Abstimmung die erforderliche Stimmenanzahl zum Wiederanfahren des abgeschalteten Atommeilers nicht.
Damit ist Taiwan zwar vorläufig atomenergiefrei. Die Regierung ist einer Nutzung von moderner und sicherer Nuklearenergie jedoch nicht vollkommen abgeneigt. Vielmehr betont sie, einen diversifizierten Energiemix anzustreben. Dieser soll eine stabile Elektrizitätsversorgung ermöglichen, die nationale Sicherheit unterstützen und helfen, das Ziel der Net-Zero-Emissionen bis 2050 zu erreichen.
Bei der Energiefrage spielen deutsche Firmen in mehrfacher Hinsicht eine Rolle. Vor Abschaltung des letzten Atommeilers in Taiwan hatte der TÜV Süd festgestellt, dass dieses letzte Nuklearkraftwerk in Maanshan nach 40 Jahren Betriebsdauer die Sicherheitsanforderungen für einen Weiterbetrieb nicht erfüllt. Bereits 2019 und 2023 waren zwei andere Nuklearkraftwerke nach 40 Jahren Laufzeit vom Netz gegangen.
Für alle drei Atomkraftwerke hat die deutsche Gesellschaft für Nuklear-Service mbH (GNS) den Auftrag vom Betreiber Taiwan Power Corp. erhalten, die Behälter (GNS T-Box) für den Rückbau der Anlagen zu entwickeln. GNS ist zudem daran beteiligt, in Kuosheng und in Chinshan jeweils ein Atommülllager für schwach- bis mittelradioaktive Abfälle zu planen. Die Projekte dauern an.
Deutsche Anbieter mit guter Marktpräsenz
Im Jahr 2024 betrug der Anteil des Atomstroms am Energiemix noch circa 4 Prozent. Auf dessen Wegfall wie auch den erwarteten Anstieg des Strombedarfs muss die Regierung reagieren. Dabei ist es einigen deutschen Firmen gelungen, in Taiwans Energiegeschäft einzusteigen. Sie tragen dazu bei, die Stromnetze zu stabilisieren, die Stromübertragung zu modernisieren und nicht zuletzt Ausrüstung für die Stromerzeugung zu liefern.
Beispielsweise liefert Siemens Energy Turbinen für gasbefeuerte Kraftwerksblöcke, die neu entstehen oder von Kohle- auf Gasbetrieb umgerüstet werden. Enercon und wpd unterstützen den Windkraftausbau in Taiwan. Siemens baut bei der Modernisierung des Stromübertragungsnetzes mit. Taiwan ist auch für das Unternehmen Maschinenfabrik Reinhausen (MR) einer der wichtigsten Märkte in Asien-Pazifik. Die deutsche Firma liefert Trafotechnik zur Stabilisierung von Stromnetzen. Andere deutsche Firmen unterstützen durch Ingenieurberatung, Teilelieferungen und Finanzierung.
Strombedarf wird stark zulegen
Auch weiterhin besteht großer Ausbaubedarf im Energiebereich. Taiwans Rolle als Technologielieferant hängt von einer ausreichenden Energieversorgung und -sicherheit ab. Um den Boom bei Anwendungen von künstlicher Intelligenz zu bedienen, wird die Produktion von Halbleitern und Elektronikerzeugnissen auf der Insel derzeit ausgebaut. Sowohl die dafür benötigten neuen Produktionskapazitäten als auch der Ausbau der lokalen Rechenzentren erhöhen den Strombedarf in Taiwan deutlich.
Allein der größte Auftragshersteller für Halbleiter – die Taiwan Semiconductor Manufacturing Corp. (TSMC) – hatte 2024 einen Anteil von 11 Prozent am gesamten Energieverbrauch der Insel. Durch den geplanten Neubau von neun Produktionsstätten bis 2030 wird der Anteil des Stromverbrauchs von TSMC laut der Kredit-Ratingagentur S&P Global Rating auf deutlich über 20 Prozent zulegen.
Viele taiwanische Hersteller aus dem Halbleiter- und Elektronikbereich bauen ihre Produktion derzeit aus. Sie haben zum Teil umfangreiche Bestellungen von Elektronikerzeugnissen für den Export in ihren Büchern. Deren Produktion läuft auf Hochtouren. Das Wirtschaftsministerium geht laut neuester Elektrizitätsstudie davon aus, dass die Nachfrage zwischen 2025 und 2034 um jährlich durchschnittlich 1,7 Prozent steigen wird, das ist jedoch weniger als vorher erwartet.
2024 | Anteil 2024 | Veränderung2024/23 | |
---|---|---|---|
Kohle | 113.311 | 39,3 | -4,9 |
Erdgas | 122.487 | 42,4 | 9,7 |
Erdöl | 4.177 | 1,4 | 10,6 |
Pumpspeicherkraft | 3.075 | 1,1 | 0,8 |
Atomkraft | 12.180 | 4,2 | -31,6 |
Erneuerbare Energien, davon: | 33.333 | 11,6 | 24,1 |
Wasserkraft | 4.206 | 1,5 | 6,1 |
Windenergie | 10.329 | 3,6 | 65,6 |
Solarenergie | 14.903 | 5,2 | 15,5 |
Abfall | 3.644 | 1,3 | 4,3 |
Regierung will beim Ausbau der Stromerzeugung Gas geben
Damit keine größere Stromlücke entsteht, beschleunigt die Regierung die Genehmigung neuer Gaskraftwerksblöcke. Zwischen 2024 und 2033 plant sie neue Gaskraftwerkskapazitäten von knapp 31 Gigawatt. Zudem soll der Anteil erneuerbarer Energien an der Stromversorgung steigen. Zwischen 2026 und 2035 ist geplant, jedes Jahr Offshore-Windkraftanlagen mit einer Kapazität von 1,5 Gigawatt ans Netz zu bringen und Fotovoltaikanlagen mit einer Kapazität von 2 Gigawatt zu installieren. Verzögerung bei Ausschreibungen und Vergabe haben den Ausbau erneuerbarer Energien jedoch gebremst. Statt des ursprünglich geplanten Anteils an der Stromproduktion von 20 Prozent bis Ende 2025 dürften dann lediglich 15 Prozent erreicht werden.
Die Regierung will bis zum Jahr 2030 einen Anteil der erneuerbaren Energien an der Elektrizitätserzeugung von etwa 30 Prozent erreichen. Bei Kohle soll der Anteil an der Stromproduktion zugleich von 39 Prozent im Jahr 2024 auf 20 Prozent in 2030 sinken. Dies will sie durch die Stilllegung von Kohlemeilern sowie deren Umrüstung zu Gasbefeuerung erreichen. Gleichzeitig soll der Anteil von Erdgas von rund 42 Prozent im Jahr 2024 auf dann 50 Prozent steigen.
Atomkraft doch nicht ausgedient?
Die Atomkraft ist bei dieser Rechnung nicht berücksichtigt. Das Referendum hat jedoch die Diskussion über deren Vor- und Nachteile erneut entfacht. Dass die Atomkraft ein Revival erfahren könnte, zeigt das National Atomic Research Institute (NARI). Es soll Gelder für ein Forschungsprojekt erhalten, um die Machbarkeit von kleinen modularen Reaktoren (SMR - small modular reactor) zu prüfen.
Zudem arbeitet NARI seit 2023 an der Entwicklung eines eigenen experimentellen Fusionsreaktors. Er soll 2027 gebaut werden. Fusionsreaktoren sind eine neue Energiequelle, an deren Umsetzung auch deutsche Start-ups intensiv arbeiten. Taiwan könnte hier ein interessanter Kooperationspartner sein wie auch ein potenzieller Standort.