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Tschechiens Eisenbahnen ordern neue Technik
Tschechische Bahnbetreiber investieren große Summen in neue Waggons, Lokomotiven und in die Ausstattung der Züge. Außerdem erweitern sie ihre Wartungskapazitäten.
28.08.2025
Von Gerit Schulze | Prag
Auf tschechischen Schienen herrscht ein reger Wettbewerb. Nach Deutschland und Polen hatte das Land 2023 mit 87 die größte Anzahl an Eisenbahnverkehrsunternehmen in Europa. Das zeigt die Statistik der europäischen Plattform der Eisenbahnregulierungsbehörden IRG-Rail.
Dominierender Dienstleister bleibt die Staatsbahn České dráhy (ČD). Sie hatte 2023 im Personenverkehr einen Marktanteil von 89 Prozent (Zahl der beförderten Passagiere). Mehr Konkurrenz gibt es im Frachtverkehr. Hier kam die Staatsbahn nur auf einen Marktanteil von 71 Prozent beim transportierten Frachtvolumen. Wichtige Gegenspieler sind Metrans Rail (Tochtergesellschaft der Hamburger Hafen und Logistik AG), die polnische PKP Cargo International, Orlen Unipetrol Doprava (vor allem bei Öltransporten) sowie die Frachtsparten der österreichischen ÖBB und der Deutschen Bahn.
Im Passagierverkehr machen RegioJet, Arriva und Leo Express den České dráhy Marktanteile streitig. Sie wollen auf Kosten der Staatsbahn weiter wachsen und bewerben sich regelmäßig bei Ausschreibungen für den Regionalverkehr.
Metropolregion Prag schreibt 54 Triebzüge aus
Aktuell wird der größte Vertrag für den Eisenbahnnahverkehr in der Geschichte Tschechiens vergeben. Dabei geht es um Züge von Prag nach Beroun, Kolín, Mladá Boleslav und Kladno, mit Anbindung des Prager Flughafens, im Zeitraum 2029 bis 2059. Beworben haben sich Arriva, České dráhy und Regiojet. Laut Harmonogramm werden die Angebote bis Anfang 2026 geprüft und dann der Zuschlag erteilt. Für den Auftrag müssen über 60 Zuggarnituren beschafft werden. Die Waggons sollen mit Niederflurtechnik ausgestattet sein sowie Abteile für Fahrräder und Kinderwagen sowie barrierefreie Toiletten haben.
Für die nicht elektrifizierten Strecken in Mittelböhmen verlängerte die Regionalverwaltung 2024 einen Vertrag mit České dráhy bis 2034. Vorgesehen sind Investitionen in Fahrzeuge und andere Ausrüstung im Wert von 190 Millionen Euro.
Andere Regionen des Landes planen weitere große Ausschreibungen für den Personenverkehr, sodass enormer Bedarf an rollendem Material besteht.
Rollendes Material | Anzahl (2024) |
---|---|
Lokomotiven | 2.087 |
Elektroloks | 1.029 |
Dieselloks | 1.028 |
Dampfloks | 30 |
Triebwagen | 1.627 |
Passagierwaggons | 2.629 |
Personenwaggons | 1.788 |
Beiwagen von Triebzügen | 707 |
Schlafwagen / Speisewagen | 90 / 44 |
Güterwaggons | 27.867 |
gedeckte Güterwagen | 1.759 |
offene Güterwagen | 14.420 |
Flachwagen / Plattformwagen | 5.457 |
Sonstige Güterwaggons | 6.231 |
Zertifikatserlöse für neue Züge
Eine wichtige Finanzierungsquelle für die Anschaffung neuer Züge ist der Modernisierungsfonds der EU. Tschechien will aus dem Verkauf von Emissionszertifikaten über 600 Millionen Euro für Schienenfahrzeuge bereitstellen. Um das Geld können sich öffentliche Betreiber des Eisenbahnverkehrs bewerben (Gebietskörperschaften).
Die Staatsbahn České dráhy beschaffte 2024 nach eigenen Angaben 144 Waggons und Lokomotiven im Wert von 750 Millionen Euro. Auf diesem Niveau sollen die Investitionen 2025 fortgesetzt werden. Bei den Neuanschaffungen liegt der Fokus auf barrierefreien, klimatisierten Zügen mit Steckdosen und Drahtlos-Netzwerken (WLAN). Bei der Antriebstechnik setzt České dráhy derzeit vor allem auf Vectron-Lokomotiven von Siemens und auf RegioFox-Dieseltriebwagen des polnischen Herstellers PESA Bydgoszcz. Außerdem wurde 2024 ein erster batteriebetriebener Zug getestet.
In den Zügen lässt České dráhy verstärkt moderne Kommunikationstechnik installieren. Seit Sommer 2025 läuft ein Test zur Nutzung des Satelliteninternets Starlink in InterPanter-Zügen. Damit sollen die vielen Funklöcher entlang der Bahnstrecken überbrückt werden.
Zwei große Aufträge in diese Richtung konnte zuletzt Kontron Transportation verbuchen. Das Unternehmen mit Hauptsitz in Wien baut für die Schienennetzverwaltung Správa železnic GSM-R-Mobilfunknetze entlang wichtiger Bahnstrecken auf.
Instandhaltung wird ein wichtiges Geschäftsfeld
Außerdem investiert České dráhy in die Instandhaltung des Fuhrparks. Bis 2031 kündigte das Unternehmen Ausgaben von fast 500 Millionen Euro an. Etwa die Hälfte davon fließt in vier Reparaturzentren und in die Sanierung bestehender Einrichtungen. Standorte sind Prag, Cheb (Westböhmen), Havlíčkův Brod (Ostböhmen) und Šumperk bei Olomouc. Das Unternehmen übernimmt zunehmend auch Wartungsaufträge für Wettbewerber im Schienenverkehr.
Für die Wartungsdepots müssen neue Maschinen beschafft werden, darunter Hebebühnen, Hochspannungsprüfstationen oder Defektoskopie-Sonden zum Feststellen von Materialfehlern. Digitale Technik ist gefragt, um drohende Schäden an Zügen in Echtzeit zu erkennen, heißt es in einer Pressemitteilung von České dráhy.
Starke einheimische Zulieferindustrie
Viele Aufträge gehen an die traditionell starke tschechische Zulieferindustrie. Im Verband der Unternehmen der Eisenbahnindustrie ACRI sind 54 Mitglieder zusammengeschlossen, darunter Hersteller von Schienenfahrzeugen wie Škoda Transportation und CZ Loko. Sie erzielten 2024 Umsätze von 5,3 Milliarden Euro. Der Verband organisiert aber auch die Zulieferer von Metallteilen, Türen, Fenstern, Sitzen und Elektronikkomponenten.
Die Branche ist sehr innovativ und steckt viel Geld in neue Produkte. Nach ACRI-Angaben wollen die 54 Mitglieder 2025 rund 200 Millionen Euro in Entwicklungs- und Forschungszentren investieren, in die Modernisierung ihrer Produktpalette, in autonom fahrende Technologien, in die Dekarbonisierung der Produktion, in Energieeffizienz und Cybersicherheit.
Unternehmen | Produkte | Umsatz 2023 in Mio. Euro 1) |
---|---|---|
Škoda Transportation | Züge, Straßenbahnen, U-Bahnen | 800 |
AŽD Praha 2) | Sicherheitssysteme für Eisenbahnverkehr, ETCS, autonome Züge, Weichen | 458 |
Bonatrans Group | Radsätze, Räder, Wellen | 354 |
CZ Loko 3) | Lokomotiven, spezielle Bahnwagen | 187 |
Škoda Vagonka | Schienenfahrzeuge, Züge, Waggons | 181 |
ČD – Telematika | Bahntelematik, Sicherheits- und Kommunikationssysteme, ETCS | 117 |
DPOV | Reparaturen und Modernisierung von Schienenfahrzeugen | 78 |
Škoda Pars | Reparaturen und Modernisierung von Schienenfahrzeugen | 75 |
ŽPSV | Bahnschwellen, Bahnsteige, Bahnübergänge | 72 |
DT - Výhybkárna a strojírna | Eisenbahn- und Straßenbahnweichen | 66 |
Tschechische Hersteller mit vielen Innovationen
Der Prager Signaltechnikspezialist AŽD zum Beispiel entwickelte einen autonom fahrenden Zug. Der Triebwagen fuhr im April 2025 erstmals mit Passagieren zwischen Hradec Králové und Mittelböhmen.
Ein anderes tschechisches Unternehmen, CZ Loko, präsentierte im Juni 2025 eine Lokomotive mit Alko-Wegfahrsperre. Sie verhindert das Anfahren, wenn der Lokführer den Alkoholtest nicht besteht.
České dráhy gab 2024 bei Škoda Transportation 15 hybride Batteriezüge für über 140 Millionen Euro in Auftrag. Sie sollen ab 2026 in Mährisch-Schlesien auf Mischstrecken zum Einsatz kommen, die nur teilelektrifiziert sind.
Škoda Transportation konnte zuletzt auch bei privaten Bahnbetreibern punkten. RegioJet kündigte 2024 an, 24 Zuggarnituren für 140 Millionen Euro bei dem tschechischen Hersteller zu ordern, berichtete die Tageszeitung Hospodářské noviny. Zuvor kaufte das Unternehmen bei PESA in Polen seine Waggons.
Polnische Technologie kommt allerdings bei der Nutzung alternativer Kraftstoffe im Zugbetrieb zum Einsatz. Dabei kooperiert České dráhy mit der polnischen Orlen Unipetrol Group und PESA. Der Triebwagen RegioFox soll Dieselkraftstoff mit einem erhöhten Gehalt an nachhaltigem hydrierten Pflanzenöl (HVO) nutzen.
Tipps zur Geschäftsanbahnung
Die wichtigste Fachmesse für Eisenbahntechnik in Tschechien sind die Rail Business Days in Ostrava. Die Branchenschau findet jeweils im Juni statt.
Zentrale Plattform für die elektronische Vergabe öffentlicher Aufträge ist ROZZA. Sie bietet freien Zugang auf Ausschreibungen der staatlichen Bahnbetreiber an.
Unternehmen | Investitionspläne | Geplante Kosten in Mio. Euro *) |
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České dráhy | Modernisierung der ComfortJet-Züge und Wechsel auf Züge mit 9 Waggons; Inbetriebnahme Siemens Vectron-Lokomotiven für Geschwindigkeiten bis 230 km/h; neue Motorzüge RegioFox für Regionalstrecken; Ausschreibung von Zügen EMU 400 für Prag und Mittelböhmen; Verstärkung des WLAN-Netzes in Zügen und Tests des Satelliteninternets Starlink | k.A. |
RegioJet | 50 neue Niederflurzuggarnituren (von Škoda Transportation und PESA) für S-Bahnen in Prag, für Regionalstrecken und für Langstrecken mit Geschwindigkeiten bis 200 km/h | 324 |
Arriva | Neue Züge für Auftrag im Westen von Prag (elektrische Züge mit Geschwindigkeit bis zu 200 km/h für Regionalstrecken) | 300 |
Leo Express | Verstärkung des WLAN-Netzes in Zügen; Digitalisierung der Sitzplatzbuchung; dualer Umbau der Züge auf Traktionssystem mit Gleich- und Wechselstrom; Ausrüstung der Züge mit Erfrischungsautomaten | 16,2 (nur dualer Umbau) |