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Praxischeck

Staatliche Investitionsanreize vergibt die Regierung nur noch vereinzelt. Dringender wünschen sich deutsche Unternehmen Strukturreformen bei Berufsausbildung und Arbeitsmarkt.

Von Miriam Neubert | Prag

Trotz steigender Arbeitskosten ist die Gewinnquote der Nicht-Finanz-Kapitalgesellschaften in Tschechien 2021 leicht gestiegen. Sie liegt bezogen auf die Bruttowertschöpfung deutlich über dem Durchschnitt der EU. Tschechische Niederlassungen führen hohe Dividenden an die ausländischen Muttergesellschaften ab, reinvestieren aber auch erhebliche Summen. Im ersten Coronajahr 2020 flossen laut der Tschechischen Zentralbank ČNB umgerechnet 9,2 Milliarden Euro an Dividenden außer Land und 6,2 Milliarden Euro wurden von ausländischen Investoren reinvestiert.

Weniger staatliche Förderung seit Gesetzesnovelle

Anders als früher werden ausländische und inländische Investitionsprojekte kaum noch staatlich gefördert. Der Bruch kam mit der Novelle des Gesetzes über Investitionsanreize, die im September 2019 in Kraft trat. Seither muss jedes Projekt, das solche Beihilfen beantragt, von der Regierung genehmigt werden, was zuvor nur bei strategischen Vorhaben der Fall war. Das zieht die Prozesse nach Aussagen von Beratungsfirmen in die Länge, macht sie intransparenter und weniger planbar. "In Realität heißt das, dass Projekte in anderen Ländern landen, wo Regierungen in der Lage sind, rechtzeitig verbindliche Zusagen zu machen und attraktiver sind", fürchtet Jan Linhart, Mitglied des Lenkungsausschusses der Vereinigung für ausländische Investitionen AFI, die Investoren berät.

Die Regierung bewilligte 2021 nur für 14 Projekte Investitionsbeihilfen. Das waren so wenige wie zuletzt 2010 nach der Weltfinanzkrise. Auch die neue liberal-konservative Regierung, die seit Ende 2021 im Amt ist, schien mit Blick auf die niedrige Arbeitslosigkeit, die Nöte des Staatshaushalts und die alles überschattende Energiekrise zunächst andere Prioritäten zu haben. In den ersten zehn Monaten 2022 erhielt gerade einmal ein Projekt den Zuschlag. Doch letztlich werden die Resultate für das Gesamtjahr erst Mitte 2023 feststehen. Zudem wurde im Herbst 2022 eine erneute Novelle des Investitionsanreizgesetzes vorbereitet. Ein Vorschlag ist, die Regierung nur noch bei strategischen Projekten einzuschalten und die Gewährung ansonsten wieder in die Hände des Ministeriums für Industrie und Handel zu legen.

Defizite bei beruflicher Bildung und Arbeitskräftemangel

Geht es nach der Umfrage, die die Deutsch-Tschechische Industrie- und Handelskammer (AHK Tschechien) Ende 2021 unter deutschen Investoren im Land durchführte, wünschen sich fast drei Viertel der Unternehmen von der Regierung unter Ministerpräsident Petr Fiala eine Stärkung der beruflichen Bildung. Sie plädieren dabei für die Einführung eines praxisorientierten dualen Systems, bei dem die Auszubildenden einen Großteil ihrer Ausbildung mit den neuesten Technologien direkt im Unternehmen absolvieren. "Bisher haben aber nie alle Player an einem Strang gezogen, hat jede Initiative zur Dualen Ausbildung es versäumt, alle politischen Entscheidungsebenen rechtzeitig einzubinden", bedauert Bernard Bauer, geschäftsführender Vorstand der AHK Tschechien, die sich seit 20 Jahren für die Wiedereinführung der dualen Ausbildung einsetzt.

Jedes zweite Unternehmen sieht prioritären Handlungsbedarf bei der Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung, dem Ausbau der Verkehrsinfrastruktur und der weiteren Öffnung des Arbeitsmarktes für ausländische Fachkräfte. Hingegen scheint ein Ausbau der staatlichen Investitionsförderung den Unternehmen eher zweitrangig. "Was wir brauchen, sind modernste und flexible Rahmenbedingungen in den klassischen Bereichen Bildungswesen, Verwaltung, Infrastruktur und Arbeitsmarkt, die auch den aktuellen technologischen Stand abbilden", so Milan Šlachta, Präsident der AHK und Chef der Bosch-Gruppe in Tschechien und der Slowakei.

Lokale Abwehr bei einigen neuen Projekten

Da der tschechische Arbeitsmarkt kaum noch Reserven bietet, sind die meisten Sektoren auf Arbeitskräfte aus Drittländern angewiesen. Von der notwendigen Integrationsleistung und den Problemen, die sich gerade in Krisen bei der Entlassung solcher Leiharbeiter zeigten, fühlen sich manche Gemeinden inzwischen überfordert. Auch spielen Umweltaspekte, etwa der Grundwasserspiegel und die Verkehrsbelastung, eine größere Rolle. Neuen Projekten in Logistik und verarbeitender Industrie wird nicht mehr überall ein roter Teppich ausgerollt. Im Vorfeld der möglichen Investitionsentscheidung über ein Batteriewerk von Volkswagen in der Region Pilsen regte sich beispielsweise Widerstand in Gemeinden nahe des potenziellen Geländes. Bürgermeister und Anwohner wollen besser informiert und mit ins Boot geholt werden.

Mit Blick auf solche Großprojekte in strategisch angestrebten Bereichen wie Batteriezellen oder Halbleiter macht sich auch ein Mangel an passenden Industriezonen bemerkbar. Hinzu kommen lange Baugenehmigungsfristen, die die Planbarkeit von Projekten beeinträchtigen.

Tschechien hat starke Wettbewerber 

Der Global Competitiveness-Report des World Economic Forum (WEF) betrachtete 2020 wichtige Transformationsaspekte in 37 Ländern auf dem Weg aus der Coronakrise hin zu einer zukunftsfähigen Wirtschaft. Unter den mittel- und osteuropäischen Ländern lag die Tschechische Republik in den meisten untersuchten Kriterien von der Bewertung her hinter dem Vorreiter Estland, aber vor den anderen Visegrád-Staaten. Nur mit Blick auf die Modernisierung der Infrastruktur waren Ungarn und Polen besser bewertet. Polen überholte Tschechien auch bei den Anreizen für langfristige Investitionen und der Überarbeitung des Wettbewerbs- und Kartellrechts für die Industrie 4.0.

WEF-Länderbewertung nach Kriterien 2020, Tschechische Republik

Kriterien

Tschechische Republik

Deutschland

1 Qualität öffentlicher Institutionen

56,3

66,5

2 Modernisierung der Infrastruktur in Bezug auf die Energiewende und den Zugang zu Strom sowie Kommunikations- und Informationstechnologien

81,6

79,6

3 Fortschrittliches Besteuerungssystem

46,8

54,2

4 Fokus des Bildungssystems auf Wissen und Fähigkeiten, die zukünftig benötigt werden

48,5

61,4

5 Arbeitsgesetzgebung und soziale Sicherungssysteme 

63,1

74,0

6 Altersvorsorge, Kinderbetreuung und Gesundheitsinfrastruktur

40,0

51,4

7 Anreize für langfristige Investitionen, verbesserte Stabilität und mehr Inklusion

58,2

79,3

8 Wettbewerbs- und Kartellrecht in Bezug auf Industrie 4.0; gewährleisteter Marktzugang national und international

60,4

65,6

9 Schaffung moderner Märkte insbesondere in Bereichen, die eine Zusammenarbeit der öffentlichen und privaten Hand benötigen

41,9

48,1

10 Anreize für und Ausweitung von Investitionen in Forschung und Entwicklung sowie Innovationen zur Schaffung neuer "Märkte der Zukunft"

40,2

49,2

11 Anreize für Firmen, Themen wie Diversität, Gleichberechtigung und Inklusion anzugehen

57,3

62,6

Werte auf einer Skala von 0 bis 100, mit 100 als bestem WertQuelle: World Economic Forum, Global Competitiveness Report 2020

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