Wirtschaftsausblick | Vereinigte Arabische Emirate
Wirtschaftswachstum im Krisenumfeld
Trotz geopolitischer Spannungen setzen die VAE 2025 auf Wachstum: Die Investitionen steigen, die Wirtschaft zeigt sich robust – doch Risiken erfordern Umsicht.
02.07.2025
Von Heena Nazir | Dubai
Top-Thema: Investitionen in unsicheren Zeiten
Die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) haben in den vergangenen Jahren ihre Rolle als attraktiven Investitionsstandort ausgebaut. Laut der Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (UNCTAD) beliefen sich die Nettozuflüsse ausländischer Direktinvestitionen (Foreign Direct Investment, FDI) im Jahr 2024 auf rund 45,6 Milliarden US-Dollar (US$) – ein Anstieg von 48 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die jüngsten Spannungen zwischen Iran und Israel könnten jedoch die Investitionsbereitschaft internationaler Unternehmen kurzfristig dämpfen. Besonders betroffen wären Greenfield-Investitionen, also Neugründungen mit eigener Infrastruktur vor Ort.
Langfristig bleiben die Geschäftsperspektiven für deutsche Unternehmen vielversprechend. Besonders attraktiv sind die Bereiche Sicherheitstechnik, Cybersicherheit, erneuerbare Energien, Digitalisierung und nachhaltige Infrastruktur – allesamt zentrale Säulen der emiratischen Diversifizierungsstrategie. Die Investitionsstrategie 2031 der VAE zielt darauf ab, die jährlichen FDI-Zuflüsse bis 2030 auf 65 Milliarden US$ zu steigern. Das wäre ein Plus von rund 42 Prozent gegenüber dem Rekordjahr 2024. Indermit Gill, Chefökonom der Weltbank, hält dieses Ziel für realistisch, da die VAE ihr Investitionsumfeld verbessern und als regionales Handelszentrum an Bedeutung gewinnen. Wichtige Anreize hierzu liefern regulatorische Reformen wie die Liberalisierung des Unternehmensrechts, Steuererleichterungen in Freizonen und die Möglichkeit vollständiger Auslandsbeteiligungen.
Wirtschaftsentwicklung: Stabilität trotz geopolitischer Risiken
Die VAE zählen 2025 weiterhin zu den dynamischsten Volkswirtschaften der Golfregion. Der Internationale Währungsfonds (IWF) rechnet mit einem realen Wachstum von rund 4 Prozent, die Weltbank prognostiziert 4,6 Prozent. Dennoch birgt die angespannte Lage zwischen Iran und Israel kurzfristige Risiken.
Laut IWF dürfte der durchschnittliche Brent-Ölpreis 2025 bei etwa 67 US$ liegen. Damit würde das für einen ausgeglichenen Haushalt erforderliche Niveau von rund 50 US$ pro Barrel deutlich überschritten und die finanzielle Stabilität der VAE mittelfristig gesichert. Die Schuldenquote bleibt niedrig, während hohe Rücklagen, insbesondere bei der Abu Dhabi Investment Authority, fiskalischen Spielraum ermöglichen. Die Regierung kann so bei Bedarf besser auf externe Schocks reagieren und Konjunkturmaßnahmen ergreifen.
Kurzfristig bleibt der Markt jedoch volatil: Sollte sich der Konflikt zwischen Iran und Israel ausweiten, etwa durch Angriffe auf strategische Infrastrukturen wie die Straße von Hormus, erwarten Analysten einen raschen Anstieg des Ölpreises auf 100 bis 150 US$. Das hätte negative Auswirkungen auf Produktionskosten, Investitionsentscheidungen und die Inflation.
Während die Ölpreise unmittelbar auf geopolitische Entwicklungen reagieren, zeigen sich die Auswirkungen auf andere Branchen zeitversetzt. Anfang 2025 meldete Dubai noch ein deutliches Wachstum: 5,3 Millionen internationale Gäste und Immobilientransaktionen im Wert von rund 39 Milliarden US$ im 1. Quartal. Diese Dynamik könnte bei anhaltender Unsicherheit ins Stocken geraten – insbesondere in den Bereichen Logistik, Tourismus und Immobilien, die stark von stabilen Rahmenbedingungen abhängen. Eine Eskalation des Konflikts würde Dubais Rolle als regionales Drehkreuz schwächen.
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Außenhandel: Wachstum mit erhöhtem Risikobewusstsein
Der emiratische Außenhandel entwickelte sich 2024 weiterhin positiv. Die Exporte stiegen um 5,8 Prozent auf 603 Milliarden US$, die Importe sind nur geringfügig um 1,7 Prozent auf 463 Milliarden US$ gesunken. Ein Großteil der eingeführten Waren (rund 60 Prozent) wurde reexportiert. Unternehmen aus sanktionierten Ländern wie Russland nutzen die VAE zunehmend als neutrales Drehkreuz für internationale Handelsströme. Zugleich profitiert der Standort von seiner gut ausgebauten Infrastruktur, Freihandelszonen und zahlreichen bilateralen Abkommen. Auch die Freihandelsverträge (Comprehensive Economic Partnership Agreements, CEPA) mit wichtigen Partnern wie Indien und Südostasien stärken die Handelsachse. Im April 2025 wurde bekannt, dass auch die EU mit den VAE Gespräche über ein Freihandelsabkommen führt.
Deutsche Unternehmen: Zwischen Chancen und Risiken
Die deutschen Exporte in die VAE stiegen 2024 um 12,9 Prozent auf rund 9,7 Milliarden Euro. Haupttreiber waren Maschinen, Fahrzeuge und Medizintechnik. Die Importe aus den Emiraten unterlagen dagegen starken Schwankungen: Ein einmaliger Großauftrag im Schiffbau ließ sie 2023 auf 5,6 Milliarden Euro steigen, bevor sie 2024 wieder auf 1,9 Milliarden Euro zurückgingen. Trotz dieser Sondereffekte bleibt das bilaterale Handelsvolumen stabil.
Deutschland bleibt ein wichtiger strategischer Partner der VAE. Kurzfristig könnten geopolitische Spannungen jedoch die Nachfrage nach deutschen Exportgütern beeinträchtigen, insbesondere im Maschinenbau, in der Fahrzeugtechnik und Medizintechnik. Langfristig könnte ein anhaltend unsicheres Umfeld Investitionen erschweren und das Vertrauen in die regionale Stabilität belasten. Hinzu kommt verstärkte Konkurrenz chinesischer Unternehmen, die gezielt in Infrastruktur- und Technologiesegmente investieren.
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