Branche kompakt | China | Chemische Industrie
Branchenstruktur
Chemiefirmen aus dem In- und Ausland vertiefen in China ihre Wertschöpfungsketten. Ausländische Firmen versuchen, ihre Wettbewerbsfähigkeit im größten Chemiemarkt zu erhalten.
11.11.2025
Von Corinne Abele | Shanghai
China verbraucht und produziert weltweit am meisten Chemieprodukte. Seit 2023 ist das Land Nettoexporteur von Chemieerzeugnissen; zu seinen inländischen Clustern in der Chemieindustrie und umfangreichen Wertschöpfungsketten gibt es derzeit kaum Alternativen. In immer mehr Bereichen erreicht das Land eine nahezu vollständige Selbstversorgung; dennoch geht der Kapazitätsausbau gerade bei Grundchemikalien und Ausgangskunststoffen weiter.
Inländischer Wettbewerb immer stärker
Die Folge ist ein ruinöser Preiskampf in einigen Bereichen. Um diesem zu entrinnen, ziehen sich ausländische Chemiekonzerne schon seit Jahren zurück in höherwertigere Bereiche wie Spezialchemikalien, hochwertige Additive, Komposit- und Leichtmaterialien, Spezialbeschichtungen oder umweltfreundlichere Erzeugnisse. Doch chinesische Konkurrenten folgen. Dabei zählen ausländische Unternehmen häufig nicht-staatliche Chemiefirmen zu ihren größten Konkurrenten. Doch auch die beiden staatlichen Öl- und Gasgiganten Sinopec und PetroChina, die unter der abnehmenden Nachfrage nach raffinierten Ölprodukten leiden, investieren zunehmend in das Segment hochwertiger Chemikalien. Dies könnte mittelfristig für zusätzlichen Wettbewerb für inländische nicht-staatliche wie ausländische Chemiefirmen sorgen.
Neun chinesische Firmen 2024 unter den Top 50 weltweit
Im Top-50-Ranking der Chemiebranche weltweit zählte China laut Chemical & Engineering News (C&EN´s Global Top 50) im Jahr 2024 mit neun Firmen zwar nur ein Unternehmen weniger als die USA. Allerdings legten die Umsätze der meisten chinesischen Chemiegiganten moderater zu als in den Jahren davor. Ausnahme war der Polyesterfilament-Hersteller Tongkun, dessen Umsatz 2024 um 20 Prozent stieg. An dritter Stelle liegt laut C&EN´s Global Top 50 für 2024 Japan mit sechs Chemiefirmen.
Verglichen mit einem Anteil Chinas von fast 50 Prozent am globalen Chemiemarkt, stellt das Land mit 18 Prozent der Firmen des Rankings weniger als erwartet. Experten zufolge weist dies darauf hin, dass die Branche in China im Vergleich zu westlichen Industrieländern immer noch stark fragmentiert ist.
| Unternehmen | Bereich | Umsatz 3) | Veränderung |
|---|---|---|---|
| PetroChina | Petrochemie | 202,6 | -6,7 |
| Sinopec | Petrochemie | 197,0 | -10,6 |
| Rongsheng Petrochemical | Petrochemie | 20,8 | -7,8 |
| Syngenta Group 1) | Agrarchemikalien | 14,5 | 0,0 |
| Wanhua Chemical Group | vielfältig | 12,7 | -6,4 |
| Hebei Chengxin 2) | Feinchemikalien | 6,2 | 2,2 |
| Tongkun Holding Group | Chemiefaser | 6,2 | -8,4 |
| Xinfengming Group | Chemiefaser | 4,7 | 7,1 |
| Sinopharm | Pharmaindustrie | 3,6 | 3,5 |
| 3TREES Group | Farbe | 0,8 | 1,0 |
Entgegen dem allgemein negativen Trend stiegen die ausländischen Direktinvestitionen in China in der chemischen und pharmazeutischen Branche um 58 Prozent, so Angaben des chinesischen Wirtschaftsministeriums für den Zeitraum Januar bis April 2025. Zum einen setzen internationale Chemiefirmen verstärkt auf Lokalisierung. Zum anderen können sie durch den Aufbau von Forschungs- und Entwicklungskapazitäten vor Ort in Kooperation mit anspruchsvollen und häufig risikofreudigeren Kunden Neuentwicklungen und Innovationen umsetzen, die anderswo nicht möglich sind.
Ob Innovationen aus China heraus jedoch wie bisher in das globale Angebot internationaler Chemieriesen eingebunden werden können, ist angesichts der zunehmenden geopolitischen Fragmentierung des Welthandels offen. Die Phase massiver Investitionen in China sei vorbei, konstatierte der CEO von Lanxess Matthias Zachert bereits im April 2025 in der chinesischen Presse.
Investieren, um Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten
Dennoch bleibt es für international führende Chemieunternehmen ein Muss, in China erfolgreich zu sein. So strebt Evonik gemäß Darstellungen in der chinesischen Presse an, seinen Umsatzanteil in Asien bis 2030 von etwa 20 auf rund 30 Prozent zu erhöhen. Demnach dürften bislang unter 10 Prozent des globalen Umsatzes von Evonik auf China entfallen und damit deutlich weniger als bei anderen internationalen deutschen Chemieriesen wie BASF mit nach eigenen Angaben rund 15 Prozent des weltweiten Umsatzes oder Covestro mit 23 Prozent.
Marktanteile nicht um jeden Preis zu halten, sondern profitabel zu bleiben, ist die große Herausforderung in China – für ausländische wie inländische Firmen. Vor dem Hintergrund von Trumps Zollpolitik und der zunehmenden Abschottung des US-Markts gewinnen Auslandsmärkte wie die ASEAN-Region, Lateinamerika, aber auch die EU an Bedeutung. Laut der chinesischen Zollstatistik exportierte China im 1. Halbjahr 2025 chemische Erzeugnisse im Wert von rund 97 Milliarden US-Dollar (US$) und importierte diese für knapp 84 Milliarden US$. Während die Ausfuhr um 1,6 Prozent zulegte, sank die Einfuhr um 2,9 Prozent. Exporte in die EU gingen um 2,1 Prozent zurück, Importe aus der EU sogar um 6,6 Prozent.
Zahl der Projekte der chinesischen Chemiebranche im Ausland nimmt zu
Nicht zuletzt um der Fragmentierung des Welthandels zuvorzukommen, investieren immer mehr chinesische Chemiefirmen im Ausland. Häufig nicht-staatliche Branchenprimi wollen damit dem ruinösen Preiswettkampf im Inland entgehen. So investiert beispielsweise Sichuan Golden-Elephant Sincerity Chemical 600 Millionen US$ laut dem Onlineportal von The Jakarta Post in die Produktion von Melamin, Salpetersäure sowie Ammoniumnitrat in Ost-Java in Indonesien. Chuan Jin Nuo Chemical wiederum baut laut der Medienplattform YiCai Global eine Anlage zur Herstellung von unter anderem Schwefel- sowie Phosphorsäure in Ägypten.
Dank ihrer Erfahrung mit der Massenproduktion von Grundchemikalien erhalten chinesische Ingenieurs- und Baufirmen zunehmend Aufträge für Chemiefabriken in Drittstaaten. Reuters berichtete im Juni 2025, dass ägyptische Firmen Design und Bau einer Anlage für 250.000 Tonnen Phosphorsäure pro Jahr in Ägyptens New Valley an ein chinesisches Konsortium – bestehend aus der China State Engineering Corporation und der East China Engineering Science and Technology Company – vergaben. Solche Projekte entstehen oft in Ländern entlang der Seidenstraßen-Initiative (BRI).
Strategisch motivierte Auslandsinvestitionen – häufig durch staatlich kontrollierte Unternehmen – zielen auf die Nutzung ausländischer Ressourcen und die Kontrolle globaler Wertschöpfungsketten. Laut dem Informationsdienst Benchmark Mineral Intelligence soll China bis 2030 über die Hälfte der Kobaltproduktion im Kongo und Indonesien sowie über 85 Prozent in Papua-Neuguinea kontrollieren – rund 46 Prozent des weltweiten Angebots.
| Projekt/Akteur (Standort) | Investitionssumme 1) | Projektstand | Produktionskapazität pro Jahr |
|---|---|---|---|
| Intelligente Herstellung neuer Materialien/YONGNENG (Hangzhou, Provinz Zhejiang) | 1.471 | Projektgenehmigung am 11. November 2025; geplante Fertigstellung: 2028 | unter anderem: 30.000 t Glufosinatammonium, 7.000 t Aminopyralid, 5.000 t Prothioconazole 3.000 t Ethiprol, 2.000 t Saflufenacil, 3.000 t Trifloxystrobin, 1.800 t Flupropadin |
| Batteriematerialien/Gongchuang Lixiang (Dazhou, Provinz Sichuan) | 1.478 | Umweltverträglichkeitsprüfung am 6. August 2025; geplante Fertigstellung 2030 | 140.000 t Lithiumcarbonat, 450.000 t Schwefelsäure |
| Neue Materialien und Klebstoffe/Shanghai Jin-fu New Material (Jinshan, regierungsunmittelbare Stadt Shanghai) | 143 | Unterzeichnung der Investitionsvereinbarung am 1. August 2025 | fluorfreie Klebstoffe, Elektronikbindemittel und Kühlflüssigkeiten für Wärmeaustausch |
| Produktion von Polyphenylensulfid (PPS) und Erdgas als Nebenprodukt aus Kohle mit hohem Schwefelgehalt/Jingrui New Material (Baotou, Autonome Region Innere Mongolei) | 1.408 | Projektregistrierungsverfahren Anfang August 2025; geplante Fertigstellung: 2029 | k.A. |
| Kohle-zu-Ethylenglykol/Zhongkun New Materials (Bayingolin, Autonome Region Xinjiang) | 1.515 | Beginn der Umweltverträglichkeitsprüfung am 5. August 2025; geplante Fertigstellung 2030 | 1 Mio. t Ethylenglykol |
| umweltverträglichere Düngemittel und grüne Materialien/Wintrue New Material (Guigang, Autonome Region Guangxi) | 2.239 | Umweltverträglichkeitsprüfung am 7. August 2025; geplante Fertigstellung 2029 | 1,2 Mio. t hocheffizienter Verbunddünger, 2 Mio. t synthetisches Ammoniak, 3 Mio. t Harnstoff, 500.000 t flüssiges und granuliertes Ammoniumnitrat, 420.000 t Salpetersäure, 600.000 t Abgasreinigungsmittel, 300.000 t Eisenphosphat, 150.000 t Lithium-Eisenphosphat, 210.000 t Wasserstoffperoxid, 250.000 t flüssige Luftzerlegungsprodukte, 250.000 t flüssiges CO2, 60.000 t Schwefelsäure |
| elektronische Materialien für Spezialglas/ Chongqing Kaiyi Special Gas (Tongnan, regierungsunmittelbare Stadt Chongqing) | 53 2) | Umweltverträglichkeitsprüfung am 6. Juni 2025 | 100 t elektronisches Phosphan, 5 t elektronisches Germanium und 100 t elektronisches Siliciumtetrafluorid; 630.000 Nm³ Phosphan-Mischgas und 8.000 Nm³ Germanium-Mischgas |