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Der Umsatz von Juwelieren in China erreicht wieder das Vorkrisenniveau. Dafür kaufen chinesische Konsumenten – gezwungenermaßen – kaum noch im Ausland ein.
24.06.2020
Von Roland Rohde | Hongkong
Die Nachfrage nach Schmuck und Uhren im Reich der Mitte schwächelt seit geraumer Zeit. Schon 2019 waren chinesische Verbraucher angesichts des immer wieder aufflammenden Handelskonfliktes mit den USA nicht besonders zum Shoppen aufgelegt. Man hielt sich insbesondere mit der Anschaffung von langfristigen Konsumgütern und Luxuswaren zurück. Dieser Trend erhielt durch die Abwertung des chinesischen Renminbi Yuan zusätzlichen Rückenwind. Das machte Importe spürbar teurer.
Offizielle Zahlen untermauern diesen Eindruck. So wuchs der Einzelhandelsumsatz von Gold- und Silberschmuck nach Angaben des nationalen Statistikamtes 2018 im Vergleich zum Vorjahr noch um satte 7,4 Prozent. Doch 2019 registrierte die Behörde nur noch ein Plus von 0,4 Prozent. Dabei handelt es sich wohlgemerkt um einen Durchschnittswert. Tatsächlich verzeichnete der monatliche Umsatz im Vergleich zum Vorjahresmonat seit Juli 2019 fast ununterbrochen negative Zahlen.
Zum Jahresbeginn 2020, als die Coronakrise ihren absoluten Höhepunkt erreichte, sackte das Geschäft in sich zusammen. Viele Läden hatten über Wochen geschlossen. Die Menschen trauten sich nicht mehr auf die Straße beziehungsweise saßen in Quarantäne. Im Januar und Februar 2020 ging der Umsatz von Juwelieren um rund 41 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zurück. Beide Monate werden in der chinesischen Statistik aufgrund des Neujahrsfestes traditionell zusammen erfasst.
Seitdem hat sich die Lage stetig verbessert. China wurde als erstes Land der Welt von Covid-19 heimgesucht. Entsprechend konnte es auch früher wieder zu einer eingeschränkten Normalität zurückkehren. Im Frühjahr 2020 hatten die meisten Geschäfte geöffnet. Die chinesische Bevölkerung ging wieder zur Arbeit und zum Shoppen. Der Umsatz des Einzelhandels mit Gold- und Silberschmuck verbesserte sich von Monat zu Monat. Im Mai 2020 lag das Minus auf Jahresbasis nur noch bei rund 4 Prozent.
Für internationale Schmuck- und Uhrenhersteller stellt das Reich der Mitte zur Jahresmitte 2020 daher einen der wenigen Lichtblicke dar. In einem CNN-Bericht vom 11. Juni 2020 berichtete etwa das Unternehmen Tiffany, dass der Firmenumsatz in der Volksrepublik im April 2020 um 40 Prozent und im Mai 2020 um 90 Prozent gegenüber dem Vormonat gestiegen sei. Auch Richmond, der schweizerische Anbieter von Uhren, konnte vermelden, dass alle seine 462 Geschäfte in China wieder geöffnet seien und lebhafte Umsätze generierten.
Was steckt hinter dieser Entwicklung? Schließlich ist die Volksrepublik noch lange nicht über den Berg, wie ein neuer Infektionsherd in Beijing Anfang Juni 2020 zeigte. Die Erwerbslosigkeit ist deutlich gestiegen und viele Exportfirmen berichten über starke Rückgänge bei Auftragseingängen. Volkswirte vermuten eine Art Trotzreaktion. Man will sich nach Monaten des Verzichtes endlich wieder etwas leisten.
Doch ein ganz anderer Effekt dürfte eine ungleich bedeutendere Rolle spielen. Chinesen kaufen traditionell einen Großteil ihrer Luxuswaren – Analysten gehen von zwei Dritteln aus – im Ausland ein. Letztendlich steigt somit also nur die Nachfrage nach Schmuck und Uhren im Reich der Mitte selbst. Ihre entsprechenden globalen Ausgaben sind derweil noch schwach. Das zeigt auch ein Blick auf Hongkong. Die dortigen Juweliere erzielen etwa zwei Drittel ihres Umsatzes mit Kunden vom chinesischen Festland. Da diese nicht mehr in die Sonderverwaltungsregion kommen können, ist ihr Geschäft drastisch zurückgegangen.
Weitere Wermutstropfen kommen hinzu. So entwickelt sich das Einzelhandelsgeschäft in der Volksrepublik in anderen Sparten deutlich positiver. Zudem dürfte der Gesamtumsatz von Schmuck 2020 wohl unter dem Vorjahresniveau bleiben. Dazu waren die Verluste in den ersten Monaten einfach zu hoch. So belief sich der Umsatzrückgang zwischen Januar und Mai 2020 laut nationalem Statistikamt immer noch auf knapp 27 Prozent gegenüber der entsprechenden Vorjahresperiode. Außerdem muss nach wie vor mit kleineren Rückschlägen gerechnet werden. Beijing war im Juni 2020 beispielsweise gezwungen, wieder auf umfangreiche Quarantänemaßnahmen zu setzen. So etwas ist bekanntlich Gift für die Konsumlaune.
Die Volksrepublik ist nicht nur ein bedeutender Nachfrager von Schmuck und Uhren, sondern auch ein wichtiger Hersteller und Exporteur. Das Reich der Mitte verkauft vor allem preiswertere Produkte. Laut International Trade Centre (ITC) beliefen sich die Schmuckausfuhren der Volksrepublik 2019 auf 15,5 Milliarden US-Dollar (US$). Die Exporte von Uhren summierten sich auf rund 5 Milliarden US$.
Zugleich importiert China hochwertige Luxusprodukte. Die Schmuckeinfuhren haben sich zwischen 2015 und 2019 auf 2,9 Milliarden US$ verdoppelt. Die Importe von Uhren wuchsen im gleichen Zeitraum um 19 Prozent auf über 4,1 Milliarden US$. Hinzu kommen zahlreiche im Ausland getätigte Einkäufe, die zumeist unverzollt über die Grenze gehen. Damit dürften die Brancheneinfuhren in etwa das Dreifache der offiziellen Werte betragen.
Chinesische Konsumenten bevorzugen Luxuswaren aus Frankreich und Italien. Daneben erfreuen sich Schweizer Uhren einer enorm hohen Beliebtheit. Deutsche Anbieter können da nicht mithalten, weil ihre Marken nicht annähernd das Image der südeuropäischen Konkurrenz ausstrahlen. Lieferungen aus Deutschland fallen daher vergleichsweise bescheiden aus. Immerhin sind sie in der Schmucksparte zwischen 2015 und 2019 um das Dreieinhalbfache gestiegen.