Wirtschaftsumfeld | Rumänien | Arbeitskräfte
Fachkräfte
Unternehmen setzten verstärkt auf Weiterbildung. Personal ist gefragt im Bereich IT und Dienstleistungen. Besonders hoch ist die Nachfrage nach Akademikern.
11.07.2025
Von Dominik Vorhölter | Bukarest
Die Jobangebote auf dem rumänischen Arbeitsmarkt werden weniger werden. "Unternehmen werden sich bis zum Frühjahr 2026 mit neuen Stellenausschreibungen zurückhalten", erklärt Arbeitsmarktexpertin Oana Botolan Datki von Cteam Human Capital Romania. Der Grund sei die angekündigten Steuerreformen der neuen rumänischen Regierung sowie gekürzte Budgets für Personalausgaben. Unternehmen werden ihr bestehendes Personal aus- und weiterbilden, anstatt mehr Jobs zu schaffen, prognostiziert Oana Bolotan Datki. Dabei werden Mitarbeiterschulungen für KI-Anwendungen im Fokus stehen.
Der rumänische Arbeitsmarkt entwickelt sich langsam zu einem Arbeitgebermarkt: Die Anzahl der Bewerbenden auf offene Stellen steigt, während die Anzahl der offenen Stellen sinkt. Die Nationale Agentur für Arbeit meldete im Mai 2025 landesweit 33.134 offene Stellen, 5 Prozent weniger als im Vorjahresmonat. Dem gegenüber stehen laut der rumänischen Arbeitsagentur 255.000 Menschen, die Arbeit suchen. Bei den offenen Stellen handelt sich um Jobs im Einzelhandel, Business-Process-Outsourcing, Transport und Logistik und in der Lebensmittelindustrie. Unternehmen dieser Branchen suchen überwiegend Personal mit niedrigen und mittlerem Bildungsabschluss.
Rumänien benötigt mehr Investitionen in Bildung
Allerdings bleibt der rumänische Arbeitsmarkt ein Bewerbermarkt bei Stellen, die einen akademischen Abschluss voraussetzen: Bei Akademikerberufen herrscht ein Nachfrageüberhang. Unternehmen klagen entsprechend über den Mangel an Fachkräften mit Uni-Abschluss. Dies liegt vor allem Bildungsdefizit in der rumänischen Bevölkerung. Rumänien schafft es nicht, junge Erwachsene mit digitalen Kompetenzen auszustatten und auf die Arbeit mit künstlicher Intelligenz vorzubereiten. Im Digital Economy and Society Index der Europäischen Union, der die IT-Kompetenzen der EU-Gesellschaften misst und das Humankapital in der digitalen Wirtschaft der EU-Länder vergleicht, landet Rumänien auf den hinteren Plätzen. Dem großen Nachholbedarf in Rumänien begegnet die EU mit Fördermitteln für Bildungsprojekte.
des BIP gab der rumänische Staat 2023 für Bildung aus. In Deutschland betrug der Anteil im selben Jahr 4,5 Prozent. Quelle: Eurostat 2025
Mehr als die Hälfte der Arbeitgeber in Rumänien sucht mittel- bis hochqualifiziertes Personal, etwa mit einer Berufsausbildung oder mit Universitätsabschluss. Aber genau daran fehlt es: Der Anteil der niedrigqualifizierten Arbeitnehmer ist vergleichsweise hoch. Dies liegt an Mängeln im Bildungssystem, das unterfinanziert ist. Denn Rumänien ist EU-weit das Land mit der höchsten Schulabbrecherquote in der Sekundarstufe. Sie betrug 16,8 Prozent im Jahr 2024 und liegt damit weit über dem EU-Durchschnitt von 9,3 Prozent.
Deutsche Unternehmen setzen auf duale Ausbildung
Um dem steigenden Fachkräftemangel entgegenzuwirken, sind Unternehmen zunehmend selbst aktiv. Auf der Grundlage des 2012 eingeführten Berufsbildungssystems bieten sie eine duale Ausbildung an, an der auch deutsche Firmen als Ausbildungspartner beteiligt sind. Schüler können sich in der Berufsschule in den Bereichen Mechanik/Mechatronik, Elektrik, Tourismus, Einzelhandel, Möbelproduktion, Pharmazie und Kosmetik ausbilden lassen.
Als besonders talentiert gelten Rumänen im Bereich IT. Zudem sprechen viele Arbeitnehmer neben Englisch weitere Fremdsprache, darunter Deutsch, Französisch oder Italienisch. Es gibt Studiengänge, die komplett in deutscher Sprache angeboten werden, unter anderem in den Städten Bukarest, Cluj-Napoca (Klausenburg), Sibiu (Hermannstadt) und Timișoara (Temeswar).
Rumänien im weltweiten VergleichFolgende Karte ermöglicht den Vergleich zwischen zahlreichen Ländern weltweit. Bitte beachten Sie, dass die Werte in der Karte aus international standardisierten Quellen stammen und somit ggf. von Angaben aus nationalen Quellen im Text abweichen können. |
Rumänien wird zum Ziel für Arbeitsmigranten aus Drittstaaten
In der Logistik, dem Gast- und Baugewerbe versuchen Arbeitgeber zunehmend niedrig qualifiziertes Personal außerhalb der EU zu rekrutieren. Rumänien wird dabei zu einem Zielland für Arbeitnehmer aus Nepal, Sri Lanka, der Türkei und aus dem Nachbarland Republik Moldau. Die rumänische Einwanderungsbehörde erteilte eigenen Angaben zufolge im Jahr 2024 rund 105.000 Aufenthaltsgenehmigungen an Erwerbstätige, die für den Job von außerhalb der EU nach Rumänien gezogen waren. Die Erwerbsmigration nach Rumänien nimmt damit zu.
Schengen-Beitritt erhöht Mobilität der geringqualifizierten Arbeitskräfte
Einige der Einwanderer zeihen weiter Richtung Westen. Medienberichten zufolge handelt es sich jährlich um etwa 10.000 Migranten, die als Saisonarbeiter von Rumänien aus weiterziehen. Denn mit einer rumänischen befristeten Arbeitsaufenthaltserlaubnis müssen diese Personen nach 90 Tagen zurückkehren, um ihren Aufenthaltsstatus und ihre Krankenversicherung nicht zu verlieren. Der Schengen-Beitritt Rumäniens wird eingewanderte Fachkräfte voraussichtlich darin bestärken, Rumänien Richtung Westeuropa zu verlassen, denn sie können jetzt einfacher die EU-Binnengrenzen passieren.
Sozialleistungen und höhere Löhne sind im EU-Ausland attraktiver als in Rumänien
Solange sie in anderen EU-Ländern bessere Lebensbedingungen vorfinden, werden rumänische und ausländische Fachkräfte das Land verlassen. Dazu trägt auch bei, dass das rumänische Bildungssystem und das Gesundheitssystem in der Bevölkerung einen schlechten Ruf haben. Kriegt der Staat dies nicht in den Griff, wird er weiterhin seine klugen Köpfe verlieren. Bei rumänischen Hochschulabsolventen konkurrieren rumänische Arbeitgeber bereits mit Arbeitgebern in Westeuropa, insbesondere im IT-Sektor verliert Rumänien seine Talente.
Strukturelle Schwächen erschweren Personalsuche
Rumänien weist ein erhebliches Stadt-Land-Gefälle im Hinblick auf den Arbeitsmarkt, das Armutsrisiko und die Einkommensverteilung auf. Die soziale Ausgrenzung einzelner Bevölkerungsgruppen begrenzt auf den lokalen Arbeitsmärkten das Angebot an Bewerbern. Zudem erschweren mangelhaft ausgebaute Autobahn- und Schienennetze die Mobilität der Arbeitnehmer. Pendeln auf Strecken von mehr als 40 Kilometern ist für die meisten Menschen schwer möglich. Manche Arbeitgeber stellen einen Busservice zur Verfügung.
Bevölkerung (in Mio.) | 19,2 |
Erwerbspersonen (Bevölkerung älter als 15 und jünger als 65 Jahre, in Mio.) | 8,2 |
Erwerbstätige (in Mio.) 1) | 7,7 |
Arbeitslosenquote, offizielle (in %, nach ILO-Definition) 2) | 6,4 |
Analphabetenquote (in %) 3) | 1,1 |
Universitätsabschlüsse (in Tsd.) | 126,5 |