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Wirtschaftsausblick I Aserbaidschan
Aserbaidschans Wirtschaft wird voraussichtlich erst 2022 ihr Vorkrisenniveau wieder erreichen. Viele hausgemachte Probleme erschweren den Neustart.
26.03.2021
Von Uwe Strohbach | Baku
Die aserbaidschanische Regierung prognostiziert für 2021 ein reales Wirtschaftswachstum von 3,4 Prozent. Der erwartete Zuwachs kann den Einbruch im Corona-Krisenjahr 2020 noch nicht ausgleichen.
Die Weltbank und der Internationale Währungsfonds (IWF) sind weniger optimistisch. Sie prognostizieren ein BIP-Plus von höchstens 2 Prozent. Viele Marktbeobachter sehen Chancen für einen Anstieg des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 4 Prozent und mehr erst für das Folgejahr 2022.
Für 2021 werden in zahlreichen Wirtschaftszweigen wieder Zuwächse erwartet. In der verarbeitenden Industrie, der Landwirtschaft, im Tourismus und im IKT-Sektor geht es voraussichtlich bergauf. Das Baugewerbe und der private Verbrauch sind weitere Wachstumsmotoren. Jedoch wird die erwartete Konjunkturwende durch eine schwierige Ausgangslage erschwert, die sich in den verhaltenen Prognosen internationaler Beobachter widerspiegelt.
Zum einen leidet Aserbaidschan stark unter den wirtschaftlichen Auswirkungen der Coronakrise und dem geringen Preisniveau für die Exportgüter Öl und Gas. Zum anderen sind es hausgemachte Risiken, die die Konjunkturaussichten trüben.
So wirkt sich die immer noch nachwirkende Bankenkrise negativ auf die Kreditvergabe an private Investoren aus. Der Anteil fauler Kredite am Kreditportfolio beträgt über sechs Prozent und das trotz mehr als 52.000 restrukturierter Darlehen (2020).
Marktkenner verweisen zudem explizit auf die bislang ausgebliebene Transformation und Umstrukturierung staatlicher Unternehmen, große Defizite im Wettbewerb, die weitverbreitete Schattenwirtschaft und die ausbleibende Diversifizierung der Wirtschaft.
Indikator | 2018 | 2019 | 2020 | Vergleichsdaten Deutschland 2020 |
---|---|---|---|---|
BIP (nominal, Mrd. US$) | 47,1 | 48,2 | 42,6 | 3.332 |
BIP pro Kopf (US$) | 4.798 | 4.864 | 4.272 | 40.072 |
Bevölkerung (31.12.; Mio.) | 10,0 | 10,1 | 10,1 | 83,1 |
Wechselkurs (Jahresdurchschnitt, 1 US$ = ... Aserbaidschan-Manat/AZN) | 1,7 | 1,7 | 1,7 | - |
Es gibt aber auch positive Trends, die zur Wiederbelebung der Wirtschaft beitragen. Dazu gehören schon umgesetzte oder noch geplanten Reformen für ein besseres Geschäftsklima und eine effizientere öffentliche Verwaltung sowie Fortschritte bei der Unternehmens- und Investitionsförderung.
Trotz der für 2021 erwarteten Belebung der Investitionstätigkeit ist eine wirkliche Trendwende noch nicht in Sicht. Mit durchschnittlich 10,3 Milliarden US-Dollar (US$) pro Jahr betrugen die Bruttoanlageinvestitionen im Zeitraum 2017 bis 2020 nur noch drei Fünftel des Niveaus der vier Vorjahre. Die jährlichen Anlagen in Maschinen und Ausrüstungen haben sich im analysierten Zeitraum auf 1,2 Milliarden US$ halbiert.
Für die schwache Investitionstätigkeit gibt es viele Gründe. Dazu zählen die anhaltende Bankenkrise, ein Mangel an gut vorbereiteten Projekten, der Verzicht auf internationale Kredite für prioritäre Vorhaben und die anhaltende Coronakrise.
Der für 2021 prognostizierte kleine Zuwachs der Bruttoanlageinvestitionen fußt hauptsächlich auf staatlichen Mehrausgaben für den Ausbau der Infrastruktur. Allein 1,3 Milliarden US$ sind im Staatshaushalt vorgesehen für den Wiederaufbau der durch Aserbaidschan eroberten Gebiete in der umstrittenen Region Berg-Karabach. Wichtiger Anlagesektor bleibt die Öl- und Gasindustrie, aber auch in der Ernährungswirtschaft gibt es vielversprechende Projekte.
Projektbezeichnung | Investition (Mio. US$) | Projektstand | Projektträger |
---|---|---|---|
Gasverarbeitungs- und Petrochemiekomplex (jährliche Produktion von 9,1 Mrd. cbm Gebrauchsgas, 600.000 t HD- und LD-Polyethylen und anderen Produkten) | etwa 4.200 | FEED liegt vor, Baustart weiterhin offen | |
Windkraftpark (240 MW) | mind. 200 | Planung, Inbetriebnahme: 2023 | |
Fotovoltaikpark (200 MW) | bis zu 100 | Planung, Inbetriebnahme: 2022 | Masdar/Masdar Azerbaycan LLC, Ministerium für Energie Aserbaidschans |
Modernisierung der doppelgleisigen Bahntrasse Sumgait-Yalama (167 km) | 350 | Bauphase | |
Moderniserung der Regionalstraße Salyan - Bilasuvar (71 km) | 96 | Projekt in Vorbereitung | State Agency of Azerbaijan Automobile Roads (AAYDA) |
Modernisierung/Ausbau der Bahntrasse Baku/Alat-Astara/Grenze zum Iran (543 km) | k.A. | Projektfrühstadium | |
Ausbau der U-Bahn Baku | k.A. | Projektvorbereitungen für mehrere neue Stationen |
Staatliches Ausschreibungsportal: www.tender.gov.az
Informationen zu aktuellen geberfinanzierten Projekten bietet die GTAI-Länderseite, Rubrik „Ausschreibungen“ und „Entwicklungsprojekte“.
Die Lage auf dem Verbrauchermarkt ist angespannt. Der Einzelhandel ging offiziell um real 1,3 Prozent zurück, das Volumen gewährter Dienstleistungen schrumpfte sogar um 27,9 Prozent. Inoffiziell sind die Rückgänge 2020 gegenüber dem Vorjahr noch höher.
Die monatlichen Pro-Kopf-Ausgaben im Einzelhandel sanken 2020 auf bescheidene 178 US$ (2019: 194 US$). Hierbei ist zu beachten, dass die Kaufkraft im Zuge der Währungsabwertung gegenüber dem US-Dollar in den Jahren 2015 bis 2018 um gut 100 Prozent eingebrochen ist.
Für 2021 rechnet die Regierung im Einzelhandel mit einem kleinen realen Umsatzplus. Im öl- und gasreichen Aserbaidschan, vor allem in Baku, können sich einige Verbraucher weiterhin teure Importprodukte leisten. Die breite Masse der Bevölkerung hingegen muss mit Einnahmen auskommen, die nahe am Existenzminimum liegen.
Die reale Arbeitslosenrate im Land beträgt 18 bis 20 Prozent. Offiziell wird sie nur mit 7,1 Prozent (2020) ausgewiesen.
Für 2021 ist ein leichtes Anziehen des Ölpreises und damit auch des Exportwertes insgesamt zu erwarten. Für die Importe rechnen Marktkenner mit einem Plus von 15 bis 18 Prozent. Ausschlaggebend sind vor allem Aufholeffekte nach dem großen Einbruch im Vorjahr, weniger die Investitionen und der Privatverbrauch.
Die Coronakrise und der Preisverfall auf dem weltweiten Ölmarkt führten 2020 zu einem massiven Einbruch des Außenhandels. Rohöl, Erdgas und Ölprodukte dominieren traditionell die Ausfuhren (Ausfuhranteil 2020: 86,5 Prozent). Andere wichtige Exportgüter sind Gold und Tomaten (Ausfuhrwert 2020: jeweils rund 200 Millionen US$), Baumwollfasern, Kaki, Polypropylen, Methanol und Aluminium. Die Nichtöl-Exporte sollen sich bis 2025 verdoppeln (2020: 1,9 Milliarden US$).
Haupteinfuhrgüter sind Maschinen, Ausrüstungen, Geräte und elektrotechnische Erzeugnisse inklusive Zubehör und Ersatzteile (2020: 2,5 Milliarden US$), Nahrungsgüter (1,6 Milliarden US$), Eisenmetalle (946 Millionen US-Dollar), Pharmaka (377 Millionen US$) und Kunststofferzeugnisse (346 Millionen US$).
| 2018 | 2019 | 2020 | Veränderung 2020/2019 |
---|---|---|---|---|
Warenimporte (cif) | 11.465 | 13.667 | 10.731 | -21,5 |
Warenexporte (fob) | 19.459 | 19.636 | 13.471 | -30,0 |
Handelsbilanzsaldo | 7.994 | 5.969 | 3.230 | - |