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SchwedenKonjunktur / Coronavirus
Wirtschaftsumfeld
Wirtschaftsausblick | Schweden
Die zweite Pandemiewelle trifft Schweden hart. Der Wirtschaftseinbruch wird zwar moderater ausfallen, als befürchtet. Die Erholung dauert aber auch länger.
25.11.2020
Von Michał Woźniak | Stockholm
Die skandinavischen Wirtschaften stemmen sich erfolgreicher gegen die Coronakrise als die Europäische Union insgesamt - und die schwedische noch etwas besser als ihre beiden Nachbarn. Nach einem schwachen Wachstum im 1. Quartal 2020 und einem mehr als achtprozentigen Einbruch in den folgenden drei Monaten brachte der Sommer eine Abflachung des negativen Trends. Zwischen Juli und September 2020 lag das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) laut dem schwedischen Statistikamt SCB 3,5 Prozent unter dem Wert des gleichen Vorjahreszeitraums. Einen ähnlichen Wert prognostizieren die meisten Wirtschaftsexperten auch für das Gesamtjahr.
In den kommenden beiden Jahren sollten Wachstumsraten zwischen 2,5 und 3,5 Prozent möglich sein, womit das Vorkrisenniveau im Verlauf des Jahres 2022 wieder erreicht werden könnte. Allerdings hängt dies mit dem weiteren Verlauf der Pandemie und der damit zusammenhängenden Weltkonjunktur zusammen: Der Wert der schwedischen Exporte macht nahezu die Hälfte des BIP aus.
Schwedens Arbeitsmarkt wird durch die Pandemie schwer belastet. Ende Oktober 2020 waren laut der staatlichen Arbeitsagentur über 450.000 Personen auf Jobsuche, 40 Prozent davon haben ihren Arbeitsplatz in den letzten sechs Monaten verloren. Prognosen gehen davon aus, dass die Arbeitslosenquote auch 2021 weiter steigen wird und im Jahresdurchschnitt auf bis zu 9,5 Prozent wachsen könnte - knapp einen Prozentpunkt über den Wert des Jahres 2020. Der Rückgang aufs Vorkrisenniveau könnte bis Mitte des Jahrzehnts dauern.
Indikator | 2018 | 2019 | Vergleichsdaten Deutschland 2019 |
---|---|---|---|
BIP (nominal, Mrd. Euro) | 470,7 | 474,2 | 3.436,0 |
BIP pro Kopf (Euro) | 46.260 | 46.130 | 41.345 |
Bevölkerung (Mio.; jeweils zum 1. Januar des Folgejahres) | 10,2 | 10,3 | 83,1 |
Wechselkurs (Jahresdurchschnitt, 1 Euro = ... Schwedische Kronen) | 10,2583 | 10,5891 | - |
Die zukünftige Arbeitsmarktsituation wird stark davon abhängen, wie sich die Unternehmensfinanzen entwickeln. Nach einem starken Anstieg der Konkurse im März und April hat sich die Lage beruhigt. In den ersten zehn Monaten 2020 mussten weniger schwedische Firmen die Segel streichen als im gleichen Vorjahreszeitraum. Viele Unternehmen dürften sich dank der Antikrisenmaßnahmen der Regierung, wie Kurzarbeit oder Fixkostenausgleich, über Wasser halten. Der Kreditversicherer Atradius ging jedoch in seiner Septemberprognose sowohl für 2020 als auch 2021 von einer steigenden Insolvenzrate aus.
Der noch im Frühjahr befürchtete Investitionseinbruch im zweistelligen Prozentbereich wird sich wohl nicht realisieren. Die Bruttoanlageinvestitionen dürften jedoch 2020 gegenüber dem Vorjahr um 3 bis 4 Prozent abnehmen. Nur der Verband technischer Industrien Tecknikföretagen ist etwas pessimistischer und rechnet mit -5 Prozent.
Laut der regelmäßigen Investitionsumfrage des SCB halten sich vor allem der Handel und die Anbieter von Businessdienstleistungen mit Ausgaben zurück. Die verarbeitende Industrie und der Bausektor bremsen allerdings auch sichtlich beim Kapazitätsausbau und der Erneuerung des Maschinenparks. Die Nachfrage nach Maschinen und Geräten dürfte deswegen um über 10 Prozent gegenüber 2019 zurückgehen.
Das Erreichen des Vorkrisenniveaus ist für Maschinenbauer wohl erst in der zweiten Jahreshälfte 2022 zu erwarten. Um die Erholung zu beschleunigen, genehmigt die Regierung Unternehmen zusätzliche Steuerabschreibungen für 2021 getätigte Maschinenkäufe.
Projektbezeichnung | Investitionssumme (Mio. Euro) | Projektstand | Projektträger |
---|---|---|---|
Ausbau U-Bahn-Netz in Stockholm | 2.999 | Ausschreibungs-Agenda auf Englisch, zur Zeit laufen Abrissarbeiten an der Station Gullmarsplan | |
Batteriefabrik, Luleå | 167 | Inbetriebnahme frühestens 2023 | |
Onshore-Windpark Hocksjön | 150 | Ausschreibungen laufen bis Ende 2020; vorbereitende Baumaßnahmen 2021; Installation und Inbetriebnahme 2022 | |
Neubau windkraftbasierte Methanol-Produktionsanlage | 147 | Investitionsbeschluss im Frühjahr 2022 | |
Batteriefabrik, Södertälje | 98 | Baustart Anfang 2021 | |
Automatisiertes Warenterminal, Eskilstuna | k.A. (109.000 qm Lagerfläche) | Geplante Inbetriebnahme im 2. Halbjahr 2024 | |
Demonstrationsanlage für CO2-freie Stahlproduktion, Kommunen Gällivare und Luleå | k.A. | In Vorbereitung; geplanter Baustart 2022; Fertigstellung 2025 | |
Infrastruktur für CCS, Hafen Göteborg | k.A. | Fertigstellung Vorstudie im 1. Quartal 2021 | Göteborg Energi; Nordion Energi; Preem; ST1; Renova, Göteborgs Hamn AB |
Informationen zu EU-Binnenmarktausschreibungen unter www.gtai-EU-Ausschreibungen.de.
Trotz hoher Infektionszahlen blieb das öffentliche Leben in Schweden größtenteils frei von Einschränkungen. Ohne Ladenschließungen und dank der vergleichsweise hohen Kaufkraft verzeichnete der Einzelhandel nach drei Quartalen 2020 um nahezu 2 Prozent höhere Umsätze als im gleichen Vorjahreszeitraum.
Der seit März 2020 geltende Aufruf zur Arbeit im Homeoffice beflügelte vor allem die Nachfrage nach Elektronik, Elektrogeräten sowie Heimausstattung. Aus dem gleichen Grund sowie wegen der Beschränkung sozialer Kontakte ließen dafür die Modebranche und Kosmetikanbieter Federn. Zu den Leidtragenden gehören ferner der Dienstleistungssektor sowie freizeitnahe Bereiche.
Insgesamt dürfte 2020 der Privatkonsum im Jahresvergleich um 4,5 bis 5,5 Prozent sinken. Im kommenden Jahr soll eine deutliche Erholung einsetzen. Diese wird jedoch nicht reichen, um die pandemiebedingten Verluste wettzumachen. Das Vorkrisenniveau dürfe erst im Laufe des Jahres 2022 erreicht werden.
Genauso lange wird aller Voraussicht nach die Erholung der Einfuhren dauern. Die Prognosen gehen für 2020 von einem Rückgang des Volumens zwischen 7 und 8 Prozent gegenüber dem Vorjahr aus. Nach neun Monaten lag dieser noch bei 10 Prozent. In diesem Bereich bewegen sich auch die Importe aus den Hauptlieferregionen Europa und Asien. Einfuhren aus Deutschland lagen laut SCB in den ersten acht Monaten des Jahres etwa 9 Prozent unter dem Wert des gleichen Vorjahreszeitraums. Die Region Nordamerika konnte hingegen um 8 Prozent zulegen.
Stärker nachgefragt werden vor allem Nahrungsmittel, Getränke, Tabak sowie ausgewählte Agrar- und Chemieprodukte. Der Import von Pharmaprodukten stieg in den ersten acht Monaten 2020 um ein Viertel gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres. Angesichts des hohen Investitionsrückgangs haben Maschinenbauer und Industriezulieferer das Nachsehen. Sie verzeichneten Verluste im zweistelligen Prozentbereich.
2018 | 2019 | Veränderung 2019/2018 | |
---|---|---|---|
Importe | 144,5 | 141,8 | -1,9 |
Exporte | 140,6 | 143,4 | 2,0 |
Handelsbilanzsaldo | -3,9 | 1,6 | - |