Wirtschaftsausblick | Serbien
Externe und interne Krisen bremsen Serbiens Wirtschaftswachstum
Serbiens Wirtschaft wächst 2025 langsamer. Investitionen und Konsum kurbeln das Wachstum an. Doch die politische Krise und die Flaute in Europas Kfz-Industrie dämpfen es.
11.07.2025
Von Hans-Jürgen Wittmann | Belgrad
Top-Thema: Innenpolitische Krise verunsichert Wirtschaft
Die Demonstrationen gegen Regierung und Verwaltung in Serbien halten an und zielen jetzt direkt auf einen Regierungswechsel. Ging es im Vorjahr vor allem um die Aufklärung der Unglücksursache des eingestürzten Vordaches am Bahnhof in Novi Sad sowie gegen Korruption und autoritäres Regierungshandeln, fordert die von Studierenden getragene Protestbewegung inzwischen vorgezogene Parlamentswahlen. Präsident Aleksandar Vučić spielt auf Zeit und will Neuwahlen frühestens Ende 2026 zustimmen.
Die Mitte April 2025 neu gebildete Regierung unter Ministerpräsident Đuro Macut, einem parteilosen Medizinprofessor, versuchte bis dato erfolglos, etwas Druck aus dem Kessel zu lassen. Stattdessen verschärft sich die schwere innenpolitische Krise: Bei Kundgebungen am Nationalfeiertag Vidovdan Ende Juni kam es erstmals zu gewaltsamen Zusammenstößen und Festnahmen.
Die EU-Mitgliedschaft bleibt offizielles Ziel der Regierung. Doch der Beitrittsprozess geht nur schleppend voran. Neben dem weiterhin ungelösten Kosovokonflikt ist die Schaukelpolitik von Präsident Vučić das Haupthindernis. Von der EU erhält Serbien über den Wachstumsplan rund 1,6 Milliarden Euro, wenn Reformen umgesetzt werden. Im Juni 2025 floss die erste Tranche von rund 50 Millionen Euro. Doch trägt Serbien die EU-Sanktionen gegen Russland nicht mit und vertieft durch einen neuen Liefervertrag seine große Abhängigkeit von russischem Gas. Die Eröffnung von Cluster 3 der Beitrittsverhandlungen im 2. Halbjahr soll für neuen Schwung sorgen.
Von den US-Einfuhrzöllen ist Serbien direkt kaum betroffen. Die indirekten Folgen durch weniger Nachfrage aus der EU dürften schwerer wiegen. Doch gibt es auch positive Signale aus Washington. Die USA schieben die Verhängung von Sanktionen gegen den Ölkonzern NIS bis zum 29. Juli 2025 auf.
Wirtschaftsentwicklung: Wachstum verlangsamt sich
Trotz der schwierigen Rahmenbedingungen bleibt Serbiens Wirtschaft 2025 auf Wachstumskurs. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) steigt 2025 real um 3 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, berechnet das Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw) in seiner Frühjahrsprognose. Doch aufgrund der internen und externen Unsicherheit senkten die wiiw-Experten ihre Wachstumserwartung im Vergleich zur Herbstprognose 2024 um 0,7 Prozentpunkte ab.
Serbien ist eng in die Lieferketten der europäischen Kfz-Industrie integriert. Lokale Zulieferbetriebe leiden unter der anhaltenden Absatzflaute deutscher Autobauer. Je länger die Krise in dieser Schlüsselbranche dauert, umso mehr dämpft sie das Wachstum.
Auch deutsche Unternehmen blicken vorsichtiger in die Zukunft. Nur 34 Prozent der Teilnehmer der Konjunkturumfrage der Deutsch-Serbischen Wirtschaftskammer (AHK Serbien) bewerten ihre Geschäftslage im Jahr 2025 als gut - ein Rückgang um 5 Prozentpunkte im Vergleich zum Vorjahr.
Staatliche Investitionen kurbeln Wachstum an
Ausgaben der öffentlichen Hand bilden 2025 den wichtigsten Wachstumsmotor Serbiens. Im Fokus stehen Investitionsvorhaben für die Weltausstellung Expo 2027. Daneben plant die Regierung mit dem Programm Sprung in die Zukunft Projekte für rund 18 Milliarden Euro. Zur Finanzierung der Vorhaben nimmt Serbien neue Kredite auf und gibt neue Staatsanleihen heraus.
Ausländische Investoren sind zurückhaltender: Zwischen Januar und April 2025 brachen die ausländischen Direktinvestitionen (FDI) im Vergleich zum Vorjahr um 77 Prozent auf 385 Millionen Euro ein. Die innenpolitische Krise ist hierfür wahrscheinlich der Hauptgrund.
Serbien wird 2026 der Single European Payment Area (SEPA) beitreten. Mit der SEPA-Mitgliedschaft wird der grenzübergreifende Zahlungsverkehr mit der EU einfacher und günstiger. Sinkende Transaktionskosten machen FDI attraktiver.
Kräftige Lohnerhöhungen um real 8,7 Prozent auf rund 930 Euro netto im April 2025 sowie die zum 1. Oktober 2025 geplante Anhebung des Mindestlohns auf 500 Euro befeuern den privaten Konsum. Die Inflation wird 2025 rund 4,2 Prozent betragen, rechnet das wiiw. Die Konsumausgaben werden um real 2,5 Prozent zunehmen.
Außenhandel wächst trotz Krisen stabil
Serbiens Außenhandel bleibt 2025 auf Wachstumskurs. Zwischen Januar und Mai 2025 stieg der Handelsumsatz um 10,9 Prozent auf 31,2 Milliarden Euro. Für das Gesamtjahr rechnet das wiiw beim Warenhandel mit einem moderaten Plus von 2 Prozent.
Deutschland ist Serbiens wichtigster Handelspartner. Im Jahr 2024 stieg das deutsch-serbische Handelsvolumen im Vergleich zum Vorjahr um 6,6 Prozent auf rund 9,4 Milliarden Euro und übertraf damit erstmals den deutsch-russischen Handel.
Neben dem Handel mit den EU-Staaten setzt Serbien auch auf andere Partner und unterzeichnete ein Freihandelsabkommen mit den VAE.
Deutsche Perspektive: Beliebter Fertigungsstandort vor der Haustüre
Serbien bleibt als Beschaffungsmarkt attraktiv - trotz Flaute bei neuen Investitionsvorhaben. Deutsche Firmen betrachten den Wirtschaftsstandort weiterhin als potenzielle Location für Nearshoring und investierten in den Vorjahren in zahlreiche neue Vorhaben. In diesem Jahr iWA_Entwicklung_Diagrammst bisher ein gewisses Abflauen der Investitionstätigkeit zu spüren. Die rund 900 Firmen mit deutschem Kapital beschäftigen etwa 80.000 Mitarbeiter. Neun von zehn Teilnehmern einer Konjunkturumfrage der AHK Serbien vom Sommer 2025 würden das größte Westbalkanland erneut als Investitionsstandort wählen. Künftig plant jede dritte der befragten Firmen eine Erhöhung ihrer Investitionen.
SCHOTT Pharma eröffnete im April 2025 ein neues Werk zur Produktion von Ampullen für die Pharmaindustrie in Jagodina. Der Kfz-Zulieferer PWO eröffnete Anfang Juli 2025 ein neues Werk zur Fertigung von Metallkomponenten in Čačak. Boge Rubber & Plastics kündigte den Bau eines neuen Produktionswerks in Niš an.
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