Dieser Inhalt ist relevant für:
UkraineAußenwirtschafts-, Industriepolitik / Konjunktur / Investitionsklima / Kaufkraft, Konsumverhalten / Außenhandel, Struktur
Wirtschaftsumfeld
Wirtschaftsausblick | Ukraine
Im Jahr 2021 geht es für die ukrainische Wirtschaft langsam wieder bergauf. Wichtig bleibt die Zusammenarbeit mit dem IWF. Sonst drohen Probleme bei der Finanzierung des Haushalts.
25.11.2020
Von Fabian Nemitz | Kiew
Nach dem Einbruch um real voraussichtlich rund 6 Prozent 2020 wird die ukrainische Wirtschaft 2021 voraussichtlich auf den Wachstumspfad zurückkehren. In ihrem Inflationsbericht von Oktober 2020 rechnet die ukrainische Nationalbank 2021 mit einem Anstieg des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um real 4,2 Prozent. Andere Analysten wie die Weltbank (+1,5 Prozent), der Internationale Währungsfonds (IWF; +3 Prozent) und die Economist Intelligence Unit (EIU; +3,6 Prozent) sind vorsichtiger.
Die Ukraine dürfte 2021 von der Erholung der Weltwirtschaft und dem erwarteten Abflauen der Coronavirus-Pandemie profitieren. Wichtigster Wachstumstreiber bleibt der Privatkonsum. Allerdings bestehen große Risiken. Im Herbst 2020 verzeichnet die Ukraine einen hohen Anstieg der Corona-Neuinfektionen. In den jüngsten Wochen hat die Regierung die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie verstärkt. Sollte sich die Situation weiter zuspitzen, drohen härtere Maßnahmen.
Eine wichtige Voraussetzung für die erwartete Erholung der Wirtschaft ist die weitere Zusammenarbeit mit dem IWF, von der die Unterstützung weiterer Geber wie der EU und Weltbank abhängt. Im Sommer 2020 hatte sich die Ukraine mit dem IWF auf ein Beistandsprogramm mit einem Volumen von 5 Milliarden US-Dollar (US$) geeinigt. Die Auszahlung von Kredittranchen hat sich zuletzt aber verzögert.
Die Geber kritisieren Angriffe der Politik auf die Antikorruptionsbehörden. Für Verunsicherung sorgt dabei zudem eine Ende Oktober 2020 getroffene Entscheidung des Verfassungsgerichts, die die in den vergangenen Jahren geschaffene Infrastruktur zur Korruptionsbekämpfung aushebelt. Der Dialog der Regierung mit dem IWF scheint jüngst aber voranzukommen.
Ohne die Unterstützung der Geber drohen der Ukraine große Schwierigkeiten bei der Finanzierung des Haushalts und der Refinanzierung der Staatsschulden. Zugute kommen dem Land aber die in den vergangenen Jahren erreichten Fortschritte bei der makroökonomischen Stabilisierung.
Indikator | 2019 | 2020 | Vergleichsdaten Deutschland 2019 |
---|---|---|---|
BIP (nominal, Mrd. US$) | 154,71 | 142,31, 2 | 3.854,4 |
BIP pro Kopf (US$) | 3.7071 | 3.4251, 2 | 46.385 |
Bevölkerung (Mio.) | 41,73 | 41,52, 3 | 83,1 |
Wechselkurs (Jahresdurchschnitt, | 25,8 | 28,44 |
Nach einem prognostizierten Rückgang um 16,4 Prozent im Jahr 2020 rechnet die Nationalbank 2021 mit einem Anstieg der Bruttoanlageinvestitionen um real 14 Prozent. Positive Impulse kommen von höheren Investitionen in den Straßenbau. Im Rahmen eines Anfang 2020 gestarteten Förderprogramms subventioniert der Staat die Kreditkosten bei Investitionen kleiner und mittlerer Unternehmen. Der Leitzins ist seit Frühjahr 2019 von 18 auf aktuell 6 Prozent gesunken. Aufgrund des unsicheren Umfelds dürften viele Firmen aber weiter vorsichtig bei ihren Investitionsplänen agieren.
Nach wie vor fließen ausländische Direktinvestitionen nur zäh in die Ukraine. Fortschritte bei den Kernreformen Justizwesen und Korruptionsbekämpfung lassen weiter auf sich warten. Negativ auf das Investitionsklima wirken sich auch die Probleme im Bereich der Erneuerbaren aus, wo hohe Zahlungsrückstände aufgelaufen sind. Allerdings arbeitet das Parlament an einem neuen Gesetz mit Investitionsanreizen.
Internationale Geber spielen eine wichtige Rolle bei der Finanzierung von Projekten in den Bereichen Infrastruktur, Industrie und Landwirtschaft. Vorschläge zu Investionsprojekten in einer Reihe von Branchen bietet ein Investment-Guide von UkraineInvest.
Projektbezeichnung | Investitionssumme (Mio. US$) | Projektstand | Projektträger |
---|---|---|---|
Investitionen in den Straßenbau (u.a. Ausbau und Sanierung von 6.800 km Straßen, Beginn der Arbeiten an Umgehungsstraße um Kiew, Bau von Dnjeprbrücke Krementschuk) | 4.000 *) | Plan für 2021 | |
Bau von Windpark (800 MW) im Gebiet Donezk | 1.000 | in Vorbereitung; Projektankündigung Ende Oktober 2020 | WindFarm und PowerChina |
Investitionen in Stahlwerk ArcelorMittal Kryvyi Rih, unter anderem Bau von neuer Pelletanlage, Umbau von Sinteranlage, Bau von neuem Luftzerleger | 700 | Realisierungszeitraum: 2021 bis 2024 | |
Erschließung der Eisenerzmine Shymanivske (1. Stufe: 4 Mio. t; 2. Stufe: 8 Mio. t) | 452 (1. Stufe), 364 (2. Stufe) | in Vorbereitung | Blackiron |
Elektrifizierung Bahnstrecken Dolynska-Mykolajiw und Mykolajiw-Kolossiwka | 420 Mio. Euro (Finanzierung mit Krediten der EBRD und EIB) | geplanter Beginn der Arbeiten: 2021; Fertigstellung: 2023 | Ukrzaliznytsya |
Investitionen in Maßnahmen zur Senkung der Umweltbelastung an Stahlwerken von Metinvest | 413 | Umsetzung bis 2025 | |
Flughafen Dnipro (neue Landebahn und neuer Terminal) | 300 *) | Beginn der vorbereitenden Bauarbeiten im September 2020; geplante Inbetriebnahme: 2023 | Öffentlich-private Partnerschaft zwischen Staat und Unternehmen DCH |
Bau eines Komplexes zur Aufbereitung von Titanerzen | 270 | Planungsphase | |
EcoTechnoPark in Nowa Kachowka (Gebiet Cherson); Bau von Datenzentren basierend auf günstiger Energie aus Wasserkraft und Atomstrom (AKW Saporishshja) | 200 (1. Phase); erhoffte Gesamtinvestitionen: 1.000 | Projektankündigung im Sommer 2020; Suche nach Investoren; Techiia will 15 Mio. US$ selbst investieren | |
Bau eines Werks zur Produktion von Wintersportausrüstung im Industriepark "Winter Sport" in Winnyzja | 80 | geplanter Baubeginn: 2021 |
Mehr Informationen bietet das elektronische Beschaffungssystem. Informationen zu aktuellen geberfinanzierten Projekten finden Sie auf der GTAI-Länderseite unter "Ausschreibungen" und "Entwicklungsprojekte".
Der Konsum hält sich in der Coronakrise deutlich robuster als erwartet. Die Nationalbank rechnet 2020 mit einem realen Rückgang des privaten Verbrauchs von nur 1,1 Prozent und für 2021 mit einem Plus von 7 Prozent. Impulse erwarten die Analysten dabei von der geplanten Anhebung des Mindestlohns. Allerdings hat sich die Verbraucherstimmung zuletzt eingetrübt, wie der Index von Info Sapiens im Oktober 2020 zeigt. Die Zuspitzung der Pandemiesituation könnte den Konsum weiter belasten.
Die Einzelhandelsumsätze sind in den ersten zehn Monaten 2020 real um 7,6 Prozent gestiegen. Der durchschnittliche Bruttomonatslohn bewegte sich im September 2020 mit umgerechnet knapp 430 US$ real 9,7 Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats. Auch die Geldtransfers der Arbeitsmigranten halten sich stabil. Nach Angaben der Nationalbank erreichten sie in den ersten drei Quartalen 2020 ein Volumen von 8,5 Milliarden US$ und lagen im September 2020 rund 6 Prozent über dem Wert des Vorjahresmonats. Covid-19 sorgte 2020 für hohe Zuwächse im Online-Handel und bei Lieferdiensten. Gleichzeitig wurde im 1. Halbjahr 2020 aber auch eine Rekordzahl neuer Supermärkte eröffnet.
Nach einem erwarteten Minus von real 10,4 Prozent im Jahr 2020 könnten die Importe von Waren und Dienstleistungen 2021 um real 14,6 Prozent steigen und 73 Milliarden US$ erreichen, schätzt die Nationalbank. Gestützt wird diese Entwicklung durch weiter zunehmende Importe von Konsumgütern und der Erholung der Nachfrage nach Kapitalgütern.
Die ukrainischen Exporte halten sich 2020 deutlich besser als in vorangegangenen Krisen. Ein Grund hierfür liegt an dem hohen Anteil von Agrargütern an der Ausfuhr. Profitiert hat die Ukraine dabei von der Rekordernte 2019 und einem kräftigen Anstieg der Agrarexporte nach China. Weitere Stütze waren die hohen Preise für Eisenerz. Rund 70 Prozent der ukrainischen Warenausfuhr entfallen auf Nahrungsmittel, Erze und Metalle. Eine wachsende Bedeutung hat der Export von IT-Dienstleistungen.
Für 2021 rechnet die Nationalbank mit einem Anstieg der Ausfuhr von Waren und Dienstleistungen um real 2,7 Prozent auf 62,3 Milliarden US$. Während die Agrarexporte wegen der schlechteren Ernte des Jahres 2020 zurückgehen werden, dürfte die Metallindustrie von der Erholung der Weltwirtschaft profitieren.
2019 | Jan.-Sept. 2020 | Veränderung *) | |
---|---|---|---|
Warenimporte | 60,8 | 38,0 | -14,3 |
Warenexporte | 50,1 | 35,0 | -5,6 |
Handelsbilanzsaldo | -10,7 | -2,9 | - |