Zollbericht
Afrika
Freihandelsabkommen (Warenursprung, Präferenzen)
Ausblick: Die afrikanische kontinentale Freihandelszone (AfCFTA)
Ein modernes Abkommen, das neben dem Abbau von Zöllen und nichttarifären Maßnahmen Regelungen zu weiteren Themen wie Investitionen, Eigentumsrechten und E-Commerce anstrebt.
10.12.2020
Von Andrea Mack
Hintergrund
Das Rahmenabkommen über die Schaffung einer afrikanischen kontinentalen Freihandelszone (African Continental Free Trade Agreement - AfCFTA) wurde nach nur drei Jahren Verhandlungen am 21. März 2018 von 44 der 55 Mitgliedstaaten der Afrikanischen Union (AU) unterzeichnet. In Kraft trat das Abkommen am 30. Mai 2019 zwischen den dafür erforderlichen 22 Unterzeichnerstaaten, die ihre Ratifizierungsurkunde hinterlegt hatten. Inzwischen haben alle AU-Mitgliedstaaten mit Ausnahme von Eritrea das AfCFTA-Rahmenabkommen unterzeichnet, fast zwei Drittel haben es ratifiziert (Stand: 5. Dezember 2020). Wegen der Coronapandemie wurde der Starttermin für die Umsetzung der afrikanischen Freihandelszone von Juli 2020 auf Januar 2021 verschoben. Es bleibt abzuwarten, ob die Vertragsstaaten bis dahin offene Fragen soweit geklärt haben, dass der Zollabbau reibungslos beginnen kann.
Die kontinentale Freihandelszone ist eines der Vorzeigeprojekte der Afrikanischen Union unter ihrer Agenda 2063. Ziel des Abkommens ist es, den innerafrikanischen Handel zu steigern, die Industrialisierung weiter voranzutreiben und regionale Wertschöpfungsketten aufzubauen. Langfristig angestrebt werden eine kontinentale Zollunion und ein afrikanischer Binnenmarkt mit freiem Verkehr von Waren, Dienstleistungen und Personen. Wenn alle 55 Länder beitreten, umfasst dieser Markt 1,3 Milliarden Menschen mit einem gemeinsamen Bruttoinlandsprodukt von mehr als 3,4 Billionen US-Dollar.
Abkommen wird stufenweise ausgehandelt
Das Abkommen steht in Einklang mit den WTO-Regeln. Es besteht aus dem AfCFTA-Rahmenabkommen sowie Protokollen, deren Anhängen und Anlagen, die in mehreren Phasen ausverhandelt werden. Protokolle über den Handel mit Waren, den Handel mit Dienstleistungen und über Streitbeilegung liegen bereits vor. In einer zweiten Phase werden die Themen Investitionen, geistiges Eigentum und Wettbewerb verhandelt. Geplant ist auch, ein Protokoll über E-Commerce zu erarbeiten.
Obwohl die AU am 7. Juli 2019 den Start der operativen Phase der AfCFTA verkündete, war das Freihandelsabkommen bislang faktisch nicht anwendbar. Denn die Vertragsstaaten haben ihre Verhandlungen über gegenseitige Zollzugeständnisse und Ursprungsregeln noch nicht endgültig abgeschlossen.
Zollabbau
Die AU erkennt acht regionale Wirtschaftsgemeinschaften als Bausteine zur Errichtung der afrikanischen Freihandelszone an. Diese unterscheiden sich deutlich in ihrem Integrationsniveau. Die Verhandlungen bauen auf den zwischen den Regionalorganisationen bereits ausgehandelten Bestimmungen auf. Dadurch werden beispielsweise die ostafrikanische Gemeinschaft EAC, die westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS und die Entwicklungsgemeinschaft des südlichen Afrika SACU erstmalig über einen Freihandelsvertrag miteinander verbunden.
Die Eckpunkte für die Liberalisierung des Warenhandels stehen fest: Auf 90 Prozent der Tariflinien sind die Zölle innerhalb von fünf Jahren abzuschaffen. Am wenigsten entwickelten Ländern (LDC) werden hierfür zehn Jahre zugestanden. Bis zu 7 Prozent der Tariflinien können als sensible Waren eingestuft werden, für die eine Zollabbaufrist von bis zu zehn Jahren gilt, für LDC gilt eine Frist von 13 Jahren. Die restlichen 3 Prozent der Tariflinien, die nicht mehr als 10 Prozent des Importwertes ausmachen dürfen, sind komplett vom Zollabbau ausgenommen.
Ursprungsregeln
Zollvorteile können nur für Ursprungswaren aus den Mitgliedstaaten der afrikanischen Freihandelszone gewährt werden. Andernfalls könnten Einfuhren aus Drittstaaten wie Deutschland von den ausgehandelten Zollbegünstigungen profitieren.
Bestimmungen zu Ursprungsregeln finden sich in Anhang 2 zum Protokoll über Warenhandel. Als Ursprungswaren gelten Erzeugnisse, die in einem Land vollständig gewonnen oder hergestellt oder dort ausreichend be- oder verarbeitet wurden. Als Kriterien für eine ausreichende Be- oder Verarbeitung der Ware kommen Wertklauseln, Wechsel der Tarifposition und Herstellungsprozesse in Frage. Vormaterialien mit Ursprung in anderen afrikanischen Vertragsstaaten gelten als Ursprungswaren und sind entsprechend bei der Berechnung des Ursprungs hinzuzurechnen. Über die produktspezifischen Ursprungsregeln scheinen sich die Vertragsparteien weitgehend einig zu sein, nur bei wenigen Waren wie Kfz-Teilen, Textilien und Speiseölen bestehen noch Differenzen.
Als Ursprungsnachweis ist ein AfCFTA-Ursprungszeugnis vorzulegen. Für Warensendungen bis zu einem Wert von 5.000 US-Dollar kann eine Ursprungserklärung nach vorgeschriebenem Wortlaut auf der Rechnung oder einem anderen Handelspapier erfolgen, das die Ware hinreichend beschreibt. Für ermächtigte Ausführer (approved exporters) gilt dies ohne Wertbegrenzung.
Handelserleichterungen und Beseitigung nichttarifärer Maßnahmen
Vertragsstaaten sind aufgefordert, Informationen über ihre Zoll- und Einfuhrvorschriften öffentlich bereitzustellen, elektronische Zahlungen und Dokumente zu akzeptieren sowie digitale Single-Window-Portale für die Zollabfertigung einzuführen. Die Pflicht zur Nutzung von Zollagenten und Vorversandkontrollen soll abgeschafft werden. Eine neu eingerichtete African Trade Observatory (ATO) wird zum grenzüberschreitenden Handel in Afrika Daten erheben und analysieren. Die Daten und Statistiken stehen allen Interessenten zur Verfügung. Eine weitere Initiative ist ein Onlinemechanismus für die Meldung, Überwachung und Beseitigung von nichttarifären Handelshemmnissen – wie Quoten, Lizenzen oder technische Vorschriften an Produkte.