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Wirtschaftsausblick | Argentinien

Präsident Milei muss jetzt dicke Bretter bohren

Argentiniens Wirtschaft wächst wieder. Deutsche Firmen blicken optimistischer in die Zukunft. Aber viele Strukturprobleme bleiben. Milei muss jetzt liefern.

Von Stefanie Schmitt | Santiago de Chile

Wirtschaftsentwicklung: Prognosen stehen auf Wachstum

Argentiniens Wirtschaft fasst wieder Tritt. Im Jahr 2025 wird das Bruttoinlandsprodukt (BIP) 2025 voraussichtlich um 4,5 Prozent zulegen. Für 2026 und 2027 erwartet der Internationale Währungsfonds (IWF) ein Plus von je 4 Prozent.

Im Rohstoffsektor herrscht Aufbruchstimmung, allen voran im Kupferbergbau. Noch wird das Metall in Argentinien nicht abgebaut. Doch die hohen Weltmarktpreise treiben neue Projekte an, unterstützt durch das Förderprogramm RIGI. Die Bruttoanlageinvestitionen sollen 2026 um 15 Prozent steigen, nach fast 22 Prozent im Jahr 2025.

Auch die Landwirtschaft liefert Impulse. Die Getreidebörse Buenos Aires prognostiziert für 2025/26 eine sehr gute Ernte und Exporteinnahmen von fast 33 Milliarden US-Dollar (US$). Positiv entwickelt sich auch der Energiesektor. Der Export von Kraftstoffen und Energie stieg in den ersten zehn Monaten 2025 um 13 Prozent. Gleichzeitig sanken die Kraftstoffimporte um beinahe ein Fünftel – eine große Hilfe für Argentiniens klamme Devisenbilanz.

Argentinien mit Handelsbilanzüberschuss, Leistungsbilanz aber im roten Bereich

Die positive Entwicklung in der Landwirtschaft und dem Öl- und Gassektor spiegelt sich an den Ausfuhren wider. In den ersten zehn Monaten 2025 wuchsen die Exporte um 8,1 Prozent auf knapp 71,5 Milliarden US$, so das Statistikamt Indec. Die Importe legten um 28,9 Prozent auf 64,6 Milliarden US$ zu.

Die Leistungsbilanz ist aber negativ, nicht zuletzt wegen der hohen Ausgaben der Argentinier im Ausland, während der Inlandstourismus lahmt – eine Folge des künstlich hochgehaltenen Wechselkurses. 

Aktuell schwankt der Wechselkurs innerhalb vorgegebener Bandbreiten zum US-Dollar. Ein starker Peso garantiert günstige Importe und ist damit eine wesentliche Stütze zur Eindämmung der Inflation. Droht der Peso über die Bandbreite abzuwerten, kauft die Zentralbank Pesos gegen US-Dollar auf, über die sie de facto nicht verfügt. Zuletzt halfen die USA mit der Bereitstellung eines Währungsswaps aus (verbunden mit der Bedingung eines guten Abschneidens Mileis bei den Zwischenwahlen).

Achillesferse Arbeitsplatzverluste und Firmenpleiten

Trotz des Aufwärtstrends beim BIP läuft es nicht überall rund in Argentiniens Wirtschaft. Laut Arbeitsministerium gingen seit Amtsantritt von Javier Milei im Dezember 2023 bis August 2025 mehr als 313.000 Arbeitsplätze im formellen Sektor (privat wie öffentlich) verloren. Die Zahl der Unternehmen sank um knapp 20.000. Das produzierende Gewerbe leidet stark unter der stockenden Binnennachfrage in Kombination mit zunehmendem Druck durch preiswerte Importe aufgrund des überbewerteten Peso.

Die boomenden Branchen Rohstoff- und Energiesektor sowie die Landwirtschaft sind hochmechanisiert. Sie können die Arbeitsplätze, die in anderen Sektoren verlorengehen, nicht ersetzen. Zudem wird es Jahre dauern, bis Großprojekte spürbare Effekte in der lokalen Wirtschaft entfalten.

Ökonomen begrüßen die Fortschritte bei der Sanierung des Haushalts und der Eindämmung der Inflation, sehen aber Handlungsbedarf bei der Industrie- und Sozialpolitik.

Die Politik Mileis konzentriert sich zu stark auf den Finanzsektor. Die monetäre Seite wird überbewertet, die reale zu wenig beachtet. Außerdem kann man sich bei 30 Prozent Armut nicht einfach zurücklehnen und darauf warten, dass der Markt alles regelt.

Klaus Georg Binder Leiter der Hanns-Seidel-Stiftung Argentinien

Top-Thema: Kommen jetzt die notwendigen Strukturreformen?

Trotz Korruptionsskandalen in seinem Umfeld ist es Milei gelungen, seine Minderheitsposition im Senat und im Abgeordnetenhaus bei den Zwischenwahlen im Oktober 2025 auszubauen. Er ist jedoch weiter auf die Unterstützung aus anderen Lagern und der Provinzgouverneure angewiesen.

Dabei muss Milei nun die tiefer gehenden Reformen angehen. Seine bisher größten Erfolge, ein ausgeglichener Staatshaushalt und das Herunterdrücken der Inflation auf etwas über 40 Prozent für 2025 (nach 220 Prozent im Vorjahr), genügen auf Dauer nicht.

Auf der Agenda stehen neben der versprochenen Korruptionsbekämpfung vor allem eine Reform des Arbeitsrechts, eine Steuerreform (einschließlich Abbau von Bürokratie und Reform der Exportsteuern), die vollständige Aufhebung der Kapitalverkehrskontrollen sowie eine Justizreform.

Beim Arbeitsrecht wünschen sich Unternehmen eine Lockerung des strikten Kündigungsschutzes und eine Bändigung der grassierenden "Rechtsstreitindustrie", die mit spezialisierten Anwälten möglichst viel Geld aus den Unternehmen herauszupressen sucht. "In den letzten Jahren beobachten wir eine deutliche Zunahme von zweifelhaften Vorwürfen von Mobbing oder psychischer Belästigung", sagt Cristina Arheit-Zapp, Eigentümerin des Familienunternehmens Sin Par. "Echte Fälle von Gewalt oder sexueller Belästigung müssen selbstverständlich konsequent geahndet werden. Doch das starke Anwachsen haltloser Anschuldigungen stellt Unternehmen vor erhebliche rechtliche und finanzielle Risiken, zumal viele Arbeitsgerichte – historisch geprägt – sehr arbeitnehmerfreundlich urteilen." Die Folge: Viele Unternehmen zögern, formale Beschäftigungsverhältnisse einzugehen.

Deutsche Perspektive: Firmen begrüßen Erleichterungen im Devisenregime

Deutliche Fortschritte gab es seit Amtsantritt Mileis beim Zahlungsverkehr, einem der vormals größten Hindernisse für ausländische Firmen in Argentinien. "Die Situation ist nicht 'wow', aber viel besser als vor einem Jahr", sagt Alicia Lazarte, Country Managerin des Heidelberger Pumpenherstellers ProMinent in Argentinien. "Wir können wieder importieren, Geld nach Deutschland überweisen und es gibt auch wieder eine gewisse Nachfrage."

Wichtige Lockerungen im Devisenbereich

  • Seit April 2025 dürfen Unternehmen wieder Gewinne an ausländische Anteilseigner in US-Dollar ausschütten.
  • Privatpersonen können unbegrenzt zum offiziellen Wechselkurs Pesos in US-Dollar tauschen (zuvor nur 200 US$ im Monat).
  • Zahlungen für Dienstleistungsimporte (zum Beispiel Maschinenreparatur) durch einen angereisten Techniker sind wieder erlaubt.
  • Lieferantenzahlungen sind bereits bei Verladung der Ware auf das Schiff möglich (zuvor erst 30 Tage nach Lieferung).

Weiterhin nicht möglich sind dagegen Lieferungen gegen Vorkasse. Für eine endgültige Abschaffung der Kapitalverkehrskontrollen muss Argentinien erst ein Polster an Währungsreserven aufbauen. Im Moment sind sie im negativen Bereich.

Tatsächlich legten die Importe aus Deutschland laut Indec in den ersten zehn Monaten 2025 um 23,1 Prozent auf 2,6 Milliarden US$ zu; die Fahrzeugimporte stiegen sogar um mehr als das Doppelte (122,5 Prozent auf 122 Millionen US$).

Viele deutsche Firmen vor Ort sehen im guten Abschneiden Mileis bei den Zwischenwahlen eine Basis für mehr politische und ökonomische Stabilität. "Es gibt uns ein Gefühl von Verbesserung, auch wenn es in vielen Branchen – speziell im Bau und Tourismus – nach wie vor sehr kriselt", so eine Unternehmerin.

Abzuwarten bleibt, welche Folgen das im November 2025 von den USA mit Argentinien und weiteren Ländern in Lateinamerika abgeschlossene Freihandelsabkommen für Drittstaaten, also auch für Deutschland, hat. US-Produkte werden mit deutlich niedrigeren Zöllen belegt; alle Produkte, die die US-Normen erfüllen, sind automatisch auch in Argentinien zugelassen. Umgekehrt gilt dies nicht. Ungeklärt ist bisher, inwieweit Argentinien als Mercosur-Mitglied überhaupt zu einem solchen binationalen Abkommen berechtigt ist.

Nähere Informationen zu Argentinien finden Sie auf unserer Länderseite Argentinien.

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