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Special | Asien | Konnektivität

Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit stärkt China in Asien

China sichert sich weiteren Einfluss in der Organisation, während Russland an Gewicht verliert. Eine Eisenbahnlinie und eine Pipeline sollen die Region stärker vernetzen.  

Von Marcus Hernig | Bonn

Das Gipfeltreffen der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ) vom 15. bis 16. September 2022 im usbekischen Samarkand hatte Symbolkraft: Chinas Präsident Xi Jinping wurde von einem lächelnden usbekischen Staatspräsidenten Shavkat Mirziyoyev mit Folklore und staatsmännischen Ehren empfangen. Für Russlands Präsident Vladimir Putin zeigte sich nur die Nummer zwei Usbekistans, Ministerpräsident Abdulla Aripov, zuständig. Folklore gab es keine.

Bisher gehören mit Russland, China, Kasachstan, Usbekistan, Kirgisistan, Tadschikistan, Indien und Pakistan acht Staaten zur SOZ. Das Forum, gegründet 2001, diente seinen Mitgliedern als Plattform gegen islamischen Fundamentalismus und terroristische Aktivitäten. Trotz gewisser militärischer und wirtschaftlicher Zusammenarbeit ist die Shanghaier Organisation jedoch kein Bündnis wie die NATO oder die Europäische Union. Der Beitritt der rivalisierenden Atommächte Pakistan und Indien 2017 schränkt den Spielraum für Zusammenarbeit zusätzlich ein. Stattdessen wird die SOZ zunehmend zum Instrument der Pekinger Führung, um ihren geoökonomischen Einfluss in der Region weiter auszubauen.

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SOZ positioniert sich als Plattform für Konnektivität 

Spätestens seit dem Gipfeltreffen von Samarkand gehört transnationale Konnektivität mit und via Zentralasien zu den Hauptentwicklungszielen der Organisation. Deutlich wird dies durch die grenzübergreifenden Infrastrukturprojekte in der Region, die sich in Chinas neue Seidenstraße, auch Belt and Road Initiative (BRI) genannt, einfügen.

Der neue Wirtschaftskorridor China-Mongolei-Russland soll vor allem russischen Gaslieferungen nach China dienen und die Verluste durch die Streichung von Nord Stream 2 ausgleichen. Ab 2024 ist geplant, mit dem Bau der neuen Gaspipeline Power of Siberia 2 zu beginnen. Die neue Energieverbindung soll die bereits seit 2019 bestehende Pipeline Power of Siberia ergänzen. Sie ist das wichtigste Infrastrukturprojekt des China-Mongolei-Russland-Wirtschaftskorridors. 

Zentralasien benötigt Offenheit nach West und Ost

Die zentralasiatischen Staaten, allen voran Kasachstan, sehen im Ausbau des Mittleren Korridors ihre wirtschaftliche Zukunft. Auf der Route von China durch Zentralasien, den Iran, die Türkei oder andere Schwarzmeer-Anrainerstaaten nach Europa dürfte sich das Frachtaufkommen im Jahr 2022 versechsfacht haben. Entsprechend bauen die Länder ihre Transportinfrastruktur - einschließlich der Häfen am Kaspischen Meer - aus.

Eine Schlüsselrolle kommt dabei dem kasachischen Hafen Aktau am Kaspischen Meer zu, in den internationale Geldgeber investieren wollen. Mit dem Hafenbetreiber PSA International aus Singapur wurde 2022 vereinbart, dort ein Container-Umschlagterminal zu bauen. Auch die EU hat Interesse signalisiert. Die Europäer könnten sich zukünftig mit ihrer Infrastrukturinitiative Global Gateway stärker in den Transporthäfen am Kaspischen und am Schwarzen Meer engagieren.

China baut seine Provinz Xinjiang mit der alten Oasenstadt Kashgar als Transport-Hub in Richtung Zentralasien aus. Das Kernprojekt ist die geplante China-Kirgisistan-Usbekistan-Eisenbahn, eine 523 Kilometer lange Strecke, die allein in Kirgisistan mehr als 90 Tunnel durch eine der höchsten Gebirgsregionen der Welt erfordert. Im Jahr 2023 soll eine Machbarkeitsstudie für das seit den 1990er Jahren geplante Eisenbahnprojekt erstellt werden. In Kashgar beginnt auch der China-Pakistan Wirtschaftskorridor (CPEC), einer der wichtigsten Transportkorridore der BRI. 

Iran will der SOZ 2023 beitreten

Auch der für 2023 geplante Beitritt Irans zur SOZ kann China weiteren Einfluss sichern. Chinesische Staatsunternehmen sind trotz internationaler Sanktionen dort seit Jahren am Ausbau der Schienen- und Straßenverbindungen beteiligt. Neue bilaterale Abkommen zur Ausweitung von Handel und grenzübergreifender Infrastruktur mit Iran könnten dessen Nachbarstaat Turkmenistan (kein Mitglied der SOZ) verbesserte Konnektivität nach Westen eröffnen. Eine Erweiterung der SOZ um Iran könnte auch eine weitere Integration Afghanistans in die Region ermöglichen. Dann wäre Afghanistan nämlich fast komplett von SOZ-Mitgliedern umschlossen.  

Türkei zieht SOZ-Beitritt in Betracht

Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan bekräftigte während des SOZ-Gipfels 2022 seine Beitrittsabsichten. Neben China und Zentralasien könnte die Türkei künftig zu einem der Hauptgewinner verbesserter zentralasiatischer Konnektivität werden: Die Güterzüge von der ostchinesischen Stadt Lianyungang bis nach Istanbul benötigen laut GTAI-Recherchen via Kasachstan und Aserbaidschan etwa 16 Tage. Die Türkei entwickelt sich zunehmend zu einem vorderasiatischen Knotenpunkt mit drei Hauptrouten:

  1. Nach Osten via neu erbautem Containerterminal Erzurum per Schiene und Schiff über den Mittleren Korridor nach Shanghai oder Lianyungang in China,
  2. Nach Westen via Istanbul per Schiff, Schiene und Straße in Richtung Europa,
  3. Nach Süden via Mersin per Schiff in den Mittelmeerraum-

Die SOZ soll Ankara helfen, die lange angestrebten Asienverbindungen zu stärken. Eine Anbindung an die pakistanischen Häfen via Iran und Usbekistan über eine geplante transafghanische Eisenbahnverbindung ist seit August 2022 eine interessante Zukunftsvision für die türkische Wirtschaft. Das Hauptproblem ist neben politischen und bautechnischen Herausforderungen vor allem noch die Finanzierung.

Russland wird integriert und trotzdem geschwächt

Die zentralasiatischen Staaten sind mit ihrer Verkehrsinfrastruktur auf Moskau ausgerichtet. Mit dem geplanten Ausbau des Mittleren Korridors und der Absichtserklärung zur China-Kirgisistan-Usbekistan-Schienenverbindung könnte Russland zunehmend an Gewicht in der Region und in der Organisation selbst verlieren. Ein Beitritt Irans und der Türkei kann Russlands Stellung in der SOZ zusätzlich schwächen. Umgekehrt braucht das zunehmend politisch isolierte Land die SOZ mehr denn je. Dabei nimmt Russland auch Chinas Dominanz innerhalb der Organisation in Kauf.

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