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Wirtschaftsausblick | Finnland

Hohe Staatsverschuldung zwingt Regierung zum Sparen

Finnlands Wirtschaft soll in der 2. Jahreshälfte wieder wachsen. Für deutsche Firmen ist besonders der finnische Energiesektor interessant. 

Von Niklas Becker | Helsinki

Top-Thema: Regierung spart Milliarden ein

Finnland muss sparen. Dazu hat unter anderem der Internationale Währungsfonds (IWF) aufgerufen. Dies sei notwendig, um einen finanziellen Spielraum für die altersbedingten Ausgaben der Gesellschaft zu schaffen. Die seit dem Sommer 2023 amtierende Regierung hat sich des Themas angenommen. Nachdem sie die Staatskasse mit ihrem Koalitionsvertrag bereits um 6 Milliarden Euro entlastet hatte, folgte im Frühjahr 2024 ein weiteres Maßnahmenpaket im Umfang von 3 Milliarden Euro. 

Im Jahr 2024 wird sich die finnische Staatsverschuldung laut neuester Schätzung der Europäischen Kommission auf 80,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) belaufen. Im Jahr 2019 waren es noch 64,9 Prozent. Finnlands Regierung hat im Frühjahr 2024 zudem das Streikrecht überarbeitet. Im Vorfeld der Gesetzesänderung kam es zu einer großen Streikwelle. Die Möglichkeiten für politische Streiks sind nun aber stark eingeschränkt. Arbeitskämpfe im Rahmen von Lohnverhandlungen sind von der Gesetzesreform nicht betroffen. Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretungen erwarten für den Herbst 2024 deshalb neue Streiks im Rahmen der anstehenden Tarifverhandlungen.

Ein weiteres großes Thema auf der Agenda der finnischen Regierung ist eine Verschärfung der Einwanderungs- und Aufenthaltsbedingungen. Das Vorhaben stößt in der Wirtschaft auf Kritik, da das Land aufgrund der alternden Gesellschaft auf ausländische Arbeitskräfte angewiesen ist.

Wirtschaftsentwicklung: Die Wende steht bevor

Finnlands Wirtschaftsleistung wird 2024 auf dem Niveau des Vorjahres verharren. Grund hierfür ist die schwache Entwicklung im 1. Halbjahr 2024. Die 2. Jahreshälfte 2024 soll jedoch die Wende bringen und Finnlands Wirtschaft ab dem 3. Quartal 2024 im Jahresvergleich wieder wachsen. Zunehmende Reallöhne lassen die Binnennachfrage steigen. Aber auch die ausländische Nachfrage nach finnischen Produkten soll in der 2. Jahreshälfte 2024 zulegen. Zuletzt verzeichnete das nordische Land im 3. Quartal 2023 einen Zuwachs des Bruttoinlandsprodukts (BIP) im Vergleich zum Vorjahresquartal.  

Die Stimmung in der heimischen Industrie ist getrübt. So lag der vom finnischen Zentralverband der Wirtschaft (EK) erhobene Stimmungsindikator im Mai 2024 merklich im negativen Bereich. Die Kapazitätsauslastung der Betriebe lag bei nur 60 Prozent. Zwei Jahre zuvor waren es noch 30 Prozentpunkte mehr. Allerdings verbessern sich die Aussichten der Firmen. Im Frühjahr 2024 erwartete die Mehrzahl der finnischen Industrieunternehmen einen Zuwachs ihrer Produktion. 

Finnlands Industrie ist auf den Export angewiesen

Ein Grund für die verbesserte Einschätzung der Firmen ist eine positive Entwicklung der Auslandsnachfrage. Sie spielt für die finnische Wirtschaft eine große Rolle. So stammen rund drei Viertel der Aufträge in der technischen Industrie aus dem Ausland. Besonders die Konjunktur der beiden wichtigsten finnischen Handelspartner Schweden und Deutschland ist für die Unternehmen entscheidend.

Investitionen: Baubranche weiterhin in der Krise

Finnlands Baubranche befindet sich derzeit in einer Rezession. Vor allem der Wohnungsbau steckt in einer Krise. Die Zahl der fertiggestellten, aber unverkauften Wohnungen ist im Jahresverlauf 2023 deutlich gestiegen. Positive Impulse werden frühestens für 2025 erwartet. Dann prognostiziert die Europäische Kommission einen Zuwachs der Bauinvestitionen. 

Bei den Ausrüstungsinvestitionen erwartet die Kommission trotz der derzeit schlechten Stimmung in der Industrie auch für 2024 einen merklichen Zuwachs. Grund hierfür sind laut den Experten bessere Finanzierungsmöglichkeiten sowie eine Verbesserung des externen Umfelds und der Absatzaussichten für finnische Firmen. Für deutsche Unternehmen sind das gute Nachrichten. Denn sie sind die wichtigsten ausländischen Lieferanten von Maschinen und Anlagen in Finnland.

EZB-Entscheidung bringt Erleichterung 

Die Stimmung unter den finnischen Verbrauchern blieb auch im Mai 2024 schlecht. Besonders die höheren Zinsen für Immobilienkredite machen ihnen zu schaffen. In Finnland haben Kredite für Immobilien in der Regel einen flexiblen Zinssatz. Die Leitzinssenkung der Europäischen Zentralbank (EZB) im Juni 2024 wird die Lage der Verbraucher daher zumindest etwas verbessern. Große Anschaffungen planen jedoch weiterhin nur wenige Finnen. Auch beim Kauf oder der Renovierung der eigenen Wohnung sowie der Anschaffung eines neuen Autos bleiben sie sehr zurückhaltend.

Negativ auf die Stimmung der Konsumenten sowie deren Ausgaben dürfte sich die geplante Mehrwertsteuererhöhung der finnischen Regierung auswirken. Ab dem 1. September 2024 ist eine Anhebung des Satzes von derzeit 24 auf 25,5 Prozent vorgesehen. Innerhalb der EU hat nur Ungarn eine höhere Mehrwertsteuer. 

Deutsche Perspektive: Erneuerbare Energien bieten viele Möglichkeiten für Kooperationen

Finnlands Regierung will die heimische Stromproduktion verdoppeln. Besonders der finnische Windenergiesektor wird davon profitieren. Bisher hat das Land quasi keine Offshore-Windkraftanlagen. Das soll sich in den nächsten Jahren ändern. Mehrere Auktionen für die Vergabe von Seegebieten sind geplant. Davon könnten auch deutsche Unternehmen profitieren. Bereits beim Ausbau des finnischen Onshore-Sektors sind viele von ihnen aktiv beteiligt. Die Chancen im Onshore-Sektor sind weiterhin nicht erschöpft. 

Auch dank der raschen Entwicklungen bei erneuerbaren Energien wird Finnland 2024 auf das Gesamtjahr betrachtet erstmals genügend Strom für den eigenen Bedarf herstellen. Zeitnah wird das Land mehr Strom produzieren, als es verbraucht und könnte diesen exportieren. Finnland kommt deshalb als Lieferant für grünen Wasserstoff infrage. 

Weitere Informationen zu Finnland erhalten Sie auf der Länderseite.

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