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Golfstaaten treiben Megabahnprojekt voran
Die Golfstaaten bauen ein länderübergreifendes Eisenbahnnetz. Das Milliardenprojekt birgt Chancen für deutsche Anbieter von Bahn- und Logistiktechnik.
09.07.2025
Von Heena Nazir | Dubai
Ein gemeinsames Eisenbahnnetz für die sechs Mitgliedstaaten des Golfkooperationsrats (GCC) – Saudi-Arabien, Vereinigte Arabische Emirate (VAE), Oman, Kuwait, Katar und Bahrain – nimmt zunehmend konkrete Formen an. Die geplante, rund 2.117 Kilometer lange Schienenverbindung soll den Personen- und Güterverkehr in der Region beschleunigen, diversifizieren und nachhaltiger gestalten. Obwohl die Idee bereits seit 2009 existiert, hat die Umsetzung erst ab 2022 spürbare Fortschritte gemacht. Die offizielle Zielmarke für die Fertigstellung liegt derzeit bei Ende 2030.
Großprojekt GCC-Bahn: Milliardenmarkt für Bahntechnik
Das Investitionsvolumen für das GCC-weite Netz wird auf rund 250 Milliarden US-Dollar (US$) geschätzt. Diese Summe umfasst Planung, Bau, Beschaffung von Zügen sowie vorbereitende Infrastrukturmaßnahmen wie Brücken und Grenzstationen. Zum Vergleich: Allein die erste Phase des saudischen Haramain-Schnellzugsystems kostete etwa 16 Milliarden US$. Das nationale Bahnnetz der VAE (Etihad Rail) wurde mit rund 11 Milliarden US-Dollar veranschlagt. Für deutsche Unternehmen ergeben sich entlang der gesamten Wertschöpfungskette vielversprechende Marktchancen, von der Planung über Bahntechnik bis hin zum Betrieb und zu Logistiklösungen.
Projektfortschritt: Wer baut was bis wann?
Die VAE zählen zu den Vorreitern in der Umsetzung. Das nationale Bahnprojekt Etihad Rail verbindet bereits weite Teile des Landes mit der saudi-arabischen Grenze. In einem Joint Venture mit Hafeet Rail aus Oman entsteht seit 2024 die erste grenzüberschreitende Verbindung. Sie führt von Abu Dhabi zum Logistikzentrum Suhar im Norden Omans. Siemens liefert das Signalsystem, lokale Bauunternehmen verantworten die Umsetzung. Für Oman, das bislang über keine Eisenbahninfrastruktur verfügte, bedeutet das den Einstieg in das Bahnzeitalter.
Auch Saudi-Arabien arbeitet an mehreren Anschlussstrecken, insbesondere entlang der Prioritätsachsen Dammam – Salwa (Richtung Katar), Dammam – Al-Batha (Richtung VAE) und Dammam – Nuwaiseeb (Richtung Kuwait). Für letztere wurde das französische Ingenieurbüro Systra 2023 mit einer Machbarkeitsstudie beauftragt.
Kuwait begann im April 2025 mit der Detailplanung einer Verbindung zur saudi-arabischen Grenze. Katar hat seine Bahnpläne nach dem Ende der diplomatischen Blockade durch seine Nachbarn im Jahr 2021 wieder aufgenommen. Der Streckenverlauf bis Abu Samra an der saudi-arabischen Grenze steht inzwischen fest. Bahrain wiederum bereitet mit der König-Hamad-Brücke, einer kombinierten Straßen- und Bahnverbindung, den Anschluss an Saudi-Arabien vor. Das Vorhaben soll als öffentlich-private Partnerschaft umgesetzt werden und gilt als Schlüssel für die Netzanbindung.
Land | Geplante Streckenlänge (km) | Umsetzungsstand | Besonderheit |
---|---|---|---|
VAE | 684 | Fertiggestellt (Etihad Rail) | Vollausbau, grenzfertig zu Saudi-Arabien |
Oman | 306 | Im Bau (Hafeet Rail) | Erste Eisenbahnverbindung des Landes |
Saudi-Arabien | 663 | Teilausbau, neue Verbindungen in Planung | Zentrale Rolle im GCC-Netz |
Kuwait | 145 | iI Planung (Planungsvergabe 2025) | Fokus auf Strecke zur saudischen Grenze |
Katar | 283 | Planungen wieder aufgenommen | Anschluss an Saudi-Arabien vorbereitet |
Bahrain | 36 | Trassenfreimachung läuft | König-Hamad-Brücke als Schlüsselprojekt |
Projektfortschritt hängt von Öleinnahmen ab
Trotz neuer Dynamik bleibt das Vorhaben herausfordernd. Die politische Abstimmung zwischen den sechs Staaten erfordert erheblichen Koordinationsaufwand. Die Blockade Katars durch Saudi-Arabien und die VAE von 2017 bis 2021 hatte die regionale Zusammenarbeit unterbrochen. Katar stellte seine Bahnpläne vorübergehend ein. Erst das Al-Ula-Abkommen von 2021 brachte neue Bewegung. In Kuwait erschwerten innenpolitische Auseinandersetzungen Investitionsentscheidungen. Inzwischen beraten die Verkehrsminister regelmäßig auf GCC-Ebene. Auch Konzepte für einen einheitlichen Bahnbetrieb nehmen Form an.
Die Finanzierung ist ein zentrales Thema. Das Gesamtprojekt hängt stark von den Öleinnahmen der Mitgliedstaaten ab. Frühere Ölpreisrückgänge führten zu Verzögerungen. Die Preissteigerungen seit 2021 haben dagegen neue Investitionen ermöglicht. Für einzelne Abschnitte, etwa die Brücke nach Bahrain, ist eine private Finanzierung vorgesehen. Hierfür braucht es tragfähige Geschäftsmodelle und Planungssicherheit.
Auch technisch stellt das Vorhaben hohe Anforderungen. Die Streckenführung durch Wüsten, Gebirge und über Meeresarme erfordert spezialisierte Lösungen. Die Hadschar-Berge an der Grenze zwischen den VAE und Oman verlangen Tunnel- und Brückenbauten. Das heiße, sandige Umfeld wirkt sich auf Materialwahl und Wartung aus. Bislang existieren keine abgestimmten Standards bei Betrieb, Zollabwicklung und Signalsystemen. Die Teilabschnitte werden unabhängig voneinander gebaut. Eine einheitliche Betreiberplattform ist derzeit in Planung.
Kernnetz soll bis 2030 stehen
Ob das gesamte Netz bis 2030 betriebsbereit ist, bleibt offen. Zwar wurden seit 2022 zahlreiche Studien abgeschlossen und Bauaufträge vergeben. Doch Verzögerungen in einzelnen Ländern oder fehlende grenzüberschreitende Abstimmungen könnten den Zeitplan gefährden. Besonders in Bahrain und Katar hängt der Fortschritt stark von externen Faktoren ab. Beide Länder sind vergleichsweise stark von Ölpreisen abhängig.
Als realistisch gilt jedoch, dass zumindest das Kernnetz zwischen Kuwait, Saudi-Arabien, den VAE und Oman bis Ende des Jahrzehnts in Betrieb geht. Für deutsche Anbieter ergeben sich damit bereits mittelfristig tragfähige Marktchancen. Es empfiehlt sich, die Entwicklung genau zu beobachten, um den geeigneten Zeitpunkt für den Markteintritt zu wählen.
Anbieter im Infrastrukturbau und Logistiksektor können profitieren
Deutsche Unternehmen finden vielfältige Geschäftschancen. Stark nachgefragt sind Lösungen für Signaltechnik, Gleis- und Brückenbau, emissionsarme Antriebe, Instandhaltung und digitale Steuerungssysteme. Ebenso hoch ist der Bedarf logistiknaher Dienstleistungen von Terminalsoftware über Streckenplanung bis zur Projektsteuerung. Ergänzend bestehen Chancen in der beratenden Begleitung von Ausschreibungen, bei Betriebskonzepten und in der Aus- und Weiterbildung.
Bereich | Nachgefragte Lösungen |
---|---|
Signal- und Steuerungstechnik | ETCS-Systeme, Stellwerke, Streckensicherung |
Infrastrukturbau | Schienensysteme, Brücken, Tunnel, Bahnhöfe |
Energie und Antrieb | Dieselhybride, emissionsarme Loks, Energieeffizienzlösungen |
Betrieb und Wartung | Instandhaltung, digitale Überwachung, Ersatzteilversorgung |
Logistiksoftware | Terminalmanagement, multimodale Schnittstellen, Zollintegration |
Beratung und Schulung | Ausschreibungshilfen, Betriebskonzepte, Fachkräfteentwicklung |
Gerade mittelständische Anbieter profitieren von einer frühzeitigen Präsenz vor Ort. Der Zugang zu Aufträgen erfolgt oft über öffentliche Ausschreibungen. Wichtige Informationsquellen sind die nationale Plattform Etimad in Saudi-Arabien sowie die Bahnmesse Middle East Rail in Abu Dhabi. Auch die AHK Golfregion unterstützt bei der Netzwerkarbeit und der Geschäftsanbahnung.
Land / Region | Plattform / Behörde | Beschreibung / Zuständigkeit |
---|---|---|
GCC-weit | GCC Tenders Gate | Regionale Ausschreibungsplattform für alle sechs GCC-Länder |
VAE | Etihad Rail (via SAP Ariba) | Offizielle Plattform für Etihad Rail-Ausschreibungen |
Katar | Qatar Rail e-Tendering | Ausschreibungen zu Bau, Planung und Betrieb im Bahnsektor |
Oman | Oman Rail (Hafeet Rail JV mit Etihad Rail) | Zuständig für omanischen Teil der GCC Rail; teils nationale Plattform |
Saudi-Arabien | Saudi Railway Company (SAR) | Ausschreibungen u. a. für Landbridge-Projekt und Bahninfrastruktur |
Kuwait | Central Agency for Public Tenders (CAPT) | Hauptausschreibungsplattform für öffentliche Projekte, inkl. Bahn |
Bahrain | Government Procurement Board (GPW) | Veröffentlichungen für Bahnprojekte, inkl. Saudi-Bahrain-Verbindung |
Kommerzielle Quellen | GlobalTenders, Tender Impulse, TendersOnTime | Private Datenbanken mit GCC-Rail-RFPs; nicht offiziell, aber nützlich |