Mehr zu:
ItalienKonjunktur / Kaufkraft, Konsumverhalten / Außenhandel, Struktur
Wirtschaftsumfeld
Sie sind ein ausländisches Unternehmen, das in Deutschland investieren möchte?
Wirtschaftsausblick | Italien
Zum Jahresende 2022 geht Italiens Konjunktur die Luft aus. Für 2023 ist bestenfalls mit einem geringen Plus zu rechnen.
01.12.2022
Von Oliver Döhne | Mailand
Italiens Wirtschaft hielt sich in den ersten drei Quartalen 2022 erstaunlich gut. Zum Jahresende muss sie aber doch den schwierigen globalen Rahmenbedingungen Tribut zollen. Hohe Energie- und Rohstoffkosten, steigende Inflation, geringere Kaufkraft, Störungen der Lieferketten und eine schwächere Nachfrage im Ausland sind einige der Gründe.
Für das 4. Quartal 2022 rechnet der Industrieverband Confindustria mit einem Rückgang der Wirtschaftsleistung um 0,6 Prozent gegenüber dem Vorquartal. Für das Gesamtjahr könnte das immerhin noch ein reales Plus von etwa 3,4 bis 3,8 Prozent ergeben.
Auch für das 1. Quartal 2023 erwartet Confindustria ein Minus von 0,3 Prozent, bevor es dann - wenn es die globalen Umstände zulassen - wieder aufwärts gehen könnte. Für das Gesamtjahr 2023 prognostiziert die OECD ein winziges Plus von 0,2 Prozent, die Europäische Kommission 0,3 Prozent, Confindustria Nullwachstum (Stand: Ende November 2022).
Nach einer Umfrage der Deutsch-Italienischen Handelskammer (AHK) Mailand aus dem November 2022 rechnen 57 Prozent der befragten Unternehmen mit einer schlechteren Konjunktur in den nächsten 12 Monaten. Was die Lage des eigenen Geschäfts anging, bewerteten 51,6 Prozent ihre derzeitige Lage als gut, 41,7 Prozent als stabil und 6,7 Prozent als negativ. Für die kommenden zwölf Monate gingen 20,3 Prozent der Befragten von einer ungünstigen Entwicklung ihrer Geschäfte aus.
Die seit Ende Oktober 2022 amtierende Regierung unter Premierministerin Giorgia Meloni setzt wirtschaftspolitisch den Kurs ihres Vorgängers Mario Draghi fort. Größere strukturelle Reformen und Investitionen laufen weiterhin im Rahmen des Verwendungsplans für den Europäischen Aufbau- und Resilienzfonds. Im Vordergrund der Maßnahmen stand zum Jahreswechsel 2022/2023 die Energiepolitik. Im Haushaltsentwurf 2023 sieht die Regierung bis März 2023 umfassende Hilfsmaßnahmen für Unternehmen und Haushalte vor, die von den hohen Energiepreisen betroffen sind.
Indikator | 2020 | 2021 | Vergleichsdaten Deutschland 2021 |
---|---|---|---|
BIP (nominal, Mrd. Euro) | 1.661 | 1.782 | 3.602 |
BIP pro Kopf (Euro) | 27.938 | 30.148 | 43.292 |
Bevölkerung (Mio.) | 59,2 | 58,9 | 83,2 |
Bei Investitionen sind viele Unternehmen nach einem insgesamt guten Jahr 2022 wieder etwas zurückhaltender. Grund dafür sind Kostenexplosionen, die angespannte globale Lage und drohende Nachfrageausfälle. Dennoch entwickeln sich besonders die Branchen, die vom hohen Zufluss an EU-Geldern profitieren, weiter dynamisch. Einen Überblick über die Investitionen und Fördermittel im Rahmen des Recovery Plans der EU stellt die italienische Regierung auf den Informationsseiten zur Aufbau- und Resilienzfazilität bereit.
Die Regierung bietet ferner weiterhin Steueranreize für den Kauf von Industrie-4.0-Ausrüstung und für die energieeffiziente Modernisierung von Gebäuden an, auch wenn diese schrittweise zurückgefahren werden. Der Stabilitätskurs der neuen Regierung führte im November 2022 nach einem viermonatigen Rückgang auch wieder zu einer größeren Zuversicht der Unternehmen, besonders bezüglich ihrer Produktion.
Laut der AHK-Umfrage aus dem November 2022 wollen 35 Prozent der befragten Mitgliedsfirmen in den kommenden 12 Monaten mehr investieren und 30 Prozent planen, neue Mitarbeiter einzustellen. Eine konkrete Sorge hierbei ist der Mangel an qualifizierten Fachkräften. In den ersten beiden Quartalen 2022 nahmen Bruttoanlageinvestitionen gegenüber dem jeweiligen Vorquartal um 3,9 Prozent beziehungsweise 1,1 Prozent zu, gingen ab der Jahresmitte aber zurück. Für 2023 erwartet Confindustria ein reales Plus von 2,4 Prozent. Damit bleiben die Investitionen die wichtigste Konjunkturstütze.
Informationen zu EU-Binnenmarktausschreibungen bietet GTAI auf ihrer Internetseite an.
Projektbezeichnung | Investitionssumme (Mrd. Euro) | Projektstand | Projektträger |
---|---|---|---|
Hochgeschwindigkeitsbahnstrecke Brescia-Verona-Padua | 10,8 | Zum Teil im Bau, Fertigstellung bis 2029 | |
Hochgeschwindigkeitsbahnstrecke Palermo-Catania-Messina | 9,2 | Zum Teil im Bau, Fertigstellung nach 2030 | |
Hochgeschwindigkeitsbahnstrecke Turin-Lyon (TAV) | 6,4 | Zum Teil im Bau, Fertigstellung | |
Bahnstrecke Genua-Mailand (Terzo Valico dei Giovi) | 6,8 | Fertigstellung 2024 | |
Hochgeschwindigkeitsbahnstrecke Neapel-Bari | 6,2 | Fertigstellung 2027 | |
Brenner-Basistunnel, italienischer Teil | 4,2 | Fertigstellung 2028 | |
Gigafactory Turin (Batterien für e-Autos) | 3,4 | Produktion ab 2024 | |
Gigafactory Termoli (Batterien für e-Autos) | 2,3 | Planungsphase | |
Offshore Wind- und Solarpark Adriatic Green Network of Energy Sources (AGNES) | 1,7 | Baustart 2022 | |
LNG-Regasifizierungsanlage im Hafen Empedocle (Sizilien) | 1,0 | Planungsphase |
Der Konsum konnte in der ersten Jahreshälfte 2022 nicht das Vor-Pandemie-Niveau erreichen. In der zweiten Jahreshälfte war er sogar rückläufig, da sich die Inflation allmählich von der Energie auf mehr Produkte ausweitete.
Auf dem Arbeitsmarkt ist mit keiner großen Dynamik zu rechnen. Bis die vergleichsweise starren Löhne an die Preisentwicklung angepasst werden können, rechnen Beobachter zumindest vorübergehend mit einem Rückgang des verfügbaren Einkommens. Dennoch stieg das Konsumentenvertrauen mit Blick auf die Zukunft im November 2022 wieder an. Auch der Handel zeigte sich wieder optimistischer.
Am deutlichsten wirken sich die hohen Energiepreise bei den nicht-dauerhaften Konsumgütern aus. Aber auch dauerhafte Konsumgüter liegen wieder über dem Vor-Pandemie-Niveau. Für 2023 rechnen die meisten Analysten für den Konsum mit einem Nullwachstum, Confindustria sogar mit einem leichten Minus.
Der Export lief 2022 noch überraschend gut, da Italiens Absatzmärkte eher in Europa und den USA liegen als in Asien. Nach und nach machten sich aber dann Kosten- und Beschaffungsprobleme und rückläufige Nachfrage breit. Während der Warenexport 2022 voraussichtlich noch zweistellig wächst, wird er nach Einschätzung von Confindustria 2023 nur noch um 1,8 Prozent über dem Niveau des Vorjahres liegen.
Der Import nahm 2022, nicht zuletzt wegen der höheren Energiepreise, noch stärker zu als der Export. Im Jahr 2023 wird die Zuwachsrate voraussichtlich unter diejenige des Exports zurückfallen, da die inländische Nachfrage nach Konsum- und Investitionsgütern nachlässt.
Zwischenzeitlich kippt die italienische Handelsbilanz seit längerer Zeit wieder ins Negative. Der Dienstleistungsaußenhandel liegt derweil noch deutlich unter Vor-Pandemie-Niveau und wird 2023 höchstens moderat zulegen.
2020 | 2021 | Januar-Juli 2022 | Veränderung Januar-Juli 2022 / Januar-Juli 2021 | |
---|---|---|---|---|
Importe | 373.428 | 472.070 | 378.155 | 44,4 |
Exporte | 436.718 | 516.262 | 364.360 | 21,8 |