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Special | Japan | Klimawandel lokal

Kohle bleibt kritischer Rohstoff

Japan braucht Kohle. Der Brennstoff lässt sich mittelfristig nicht ersetzen. Der Archipel sucht dabei einen Kompromiss zwischen Energiesicherheit und seinem Dekarbonsierungsziel.

Von Jürgen Maurer | Tokyo

Die Tage der Kohle sind auf lange Sicht auch in Japan gezählt. Zwar hat sich die Regierung nicht auf ein konkretes Ausstiegsdatum festgelegt, aber die letzten neuen Kohlekraftwerke sind kurz vor der Fertigstellung. Anträge für Neubauten dürften die Behörden kaum mehr genehmigen. Zudem hat das Wirtschaftsministerium in jüngerer Zeit Leitlinien für den fossilen Brennstoff weder diskutiert noch erlassen.

Da der Archipel 2021 noch zu 31 Prozent Kohle einsetzte, um die Elektrizitätsversorgung sicherzustellen, bleibt das schwarze Gold auch in Zukunft noch ein kritischer Rohstoff. Auf mittlere Sicht streben Japans Energieunternehmen an, die Einfuhren aus Russland zu senken. Bis zum Jahr 2030 hat die Regierung das Ziel, den Anteil von Kohle an der Stromerzeugung auf dann 19 Prozent zu senken.

Das Importvolumen lag laut Zollstatistik in den Jahren 2021 und 2022 je bei rund 183 Millionen Tonnen und 2020 bei 173 Millionen Tonnen. Jedoch hat der Einfuhrwert 2022 gegenüber 2021 um 178 Prozent zugenommen. Durch die russische Invasion in der Ukraine sind die Energierohstoffpreise auch für Japan in die Höhe geschossen. Russland ist Japans zweitgrößter Lieferant von Kohle. Laut der japanischen Rohstoffagentur JOGMEC (Japan Oil, Gas and Metals National Corp.) kamen von dort im Jahr 2020 rund 15 Prozent der japanischen Kohleeinfuhren. Australien war mit 67 Prozent die größte Quelle.

Kohleversorgung in Japan (in Million Tonnen) *

2010

2015

2020

Inlandsförderung

1,15

1,26

0,75

Import-Kokskohle

76

73

62

Import-Kohle

111

118

111

* jeweils FiskaljahrQuelle: Energy White Paper, Ministry of Economic Affairs, Trade and Industry 2022

Stabile Stromversorgung prioritär

Die Elektrizitätserzeugung und die Stahlherstellung sind in Japan die größten Verbrauchssektoren von Kohle. Zudem wird sie in der Produktion von Zement und Keramik eingesetzt. Allein bei der Stromerzeugung mittels kohlebefeuerter Kraftwerke ist der Kohleverbrauch zwischen 2010 und 2020 von 75 Millionen Tonnen auf 108 Millionen Tonnen gestiegen. Nach der Nuklearkatastrophe in Fukushima im Jahr 2011 brauchte Japan schnell neue Kraftwerkskapazitäten, um die landesweit abgeschalteten Atommeiler zu ersetzen.

Japan betreibt eine Reihe fossiler Kraftwerke, deren reguläre Betriebszeit überschritten ist. So ist das kohlebefeuerte Takasago Thermal Power Plant in der Präfektur Hyogo beispielsweise schon 1968 in Betrieb gegangen. Wegen noch nicht wieder netzbereiter Nuklearkapazität und unzureichender erneuerbarer Energiekapazitäten werden die fossilen Kraftwerke für die Stromerzeugung weiter gebraucht.

Ersatzbedarf an Kraftwerken ist hoch

Etwa 30 Prozent der gegenwärtig mit fossilen Brennstoffen befeuerten Kraftwerke in Japan sind älter als 40 Jahre. Zwischen den Fiskaljahren 2017 bis 2021 (jeweils 1. April bis 31. März) hat der Archipel eine Erzeugungskapazität alter thermischer Kraftwerke von netto 7 Gigawatt stillgelegt. Laut der Organization for Cross-regional Coordination of Transmission Operators (OCCTO) sollen bis zum Fiskaljahr 2031 weitere 12 Gigawatt vom Netz gehen. Darunter sind vor allem ölbefeuerte Anlagen und kaum Kohlekraftwerke.

In Japan waren zum Ende September 2022 laut Advisory Committee for Natural Resources and Energy 56 Kohlekraftwerksblöcke in Betrieb. Für sieben Bauvorhaben neuer Kraftwerksblöcke lagen Ende 2022 Genehmigungen vor. Sie sollen eine Gesamtkapazität von 4,8 Gigawatt haben, wie OCCTO im "Supply Plan 2022" darlegt. Kohle- wie auch Gaskraftwerke bleiben für Japan als Grundlastversorgung wichtig, um die Volatilität erneuerbarer Energien auszugleichen und im erneuten Krisenfall eine Reserve zu bilden. 

Neueste Kohlekraftwerksprojekte

Unternehmen

Standort

Betriebsstart

Chugoku Electric Power

Misumi

November 2022

JERA

Taketoyo

August 2022

JERA

Yokosuka

No. 1: 2023

No. 2: 2024

Kobelco

Kobe

Fiskaljahr 2022

Shikoku Electric Power

Ehime

März 2023

Tokuyama

Yamaguchi

September 2022

Quelle: OCCTO 2022; Unternehmenswebseiten 2023

Saubere Kohletechnologie gesucht

Japan wird neue, effiziente Kohlekraftwerke vorerst weiter betreiben und entwickelt sogenannte ultra-superkritische Anlagen, die die CO2-Emissionen minimieren. Beispielsweise soll der vom Energieproduzenten JERA im August 2022 in Taketoyo in der Präfektur Aichi gestartete Kraftwerksblock 5 laut Firmenangaben mit 46 Prozent Effizienz mithin die höchsten Werte weltweit erreichen. Hier werden Kohle und Biomasse als Energiequellen genutzt.

Mit sauberer Kohletechnologie experimentiert Japan seit vielen Jahren. In der Präfektur Hiroshima ist ein Demonstrationsprojekt so weit entwickelt, dass die Technologie einsatzbereit ist, wie das Newsportal Nikkei Asia im Januar 2023 berichtete. Dabei wird auch auf die Kohlendioxid-Abscheidung und -Speicherung sowie auf die Kofeuerung von Ammoniak und Biomasse gesetzt. Inwieweit dieser Ansatz auch kommerziell realisierbar ist, muss sich noch zeigen.

Für alle Aktivitäten rund um Kohle, von der Beschaffung über die Technologieforschung bis hin zu internationalen Kooperationen, setzt sich der Verband J-Coal ein. Er kooperiert eng mit der nationalen Rohstoffagentur JOGMEC. Anders als bei der Öl- und Gasversorgung existiert für Kohle keine Reservestrategie. Für die Beschaffung sorgen die sieben wichtigsten Handelshäuser in Japan wie auch die Großunternehmen selbst. Allerdings wollen sie bis 2030 ihre Kohleaktivitäten entweder halbieren oder ganz einstellen.

Stahl benötigt weiter Kohle

Bei der Stahlherstellung ist der Einsatz von Kokskohle schwer zu ersetzen. Daher hat Nippon Steel als Japans größter Stahlkocher im November 2022 angekündigt, seine Beteiligung an Kohleminen weltweit ausbauen zu wollen. Dies soll angesichts geopolitischer Unwägbarkeiten helfen, die eigene Versorgung abzusichern.

Den Unternehmensangaben zufolge importiert Nippon Steel insgesamt 27 Millionen Tonnen Kokskohle pro Jahr, wovon 20 Prozent aus eigenen Beteiligungen kommen. Zwar experimentiert Nippon Steel damit, Hochöfen mit Kokskohle und Anteilen von Wasserstoff gleichzeitig zu befeuern. Die großindustrielle Umsetzung wird jedoch nicht vor 2030 erwartet.

Der Ukrainekrieg, Engpässe in der Stromversorgung durch veraltete Kraftwerke und unzureichende Stromnetze haben Japan deutlich vor Augen geführt, dass das Land sich auf eine stabile Rohstoffversorgung und Energiesicherheit fokussieren muss. Der Archipel verfügt über keine Energienetzwerke mit anderen Ländern, über die Engpässe ausgeglichen werden könnten. Daher wird der Kohleausstieg noch längere Zeit auf sich warten lassen. Aber: Das Ziel der Dekarbonisierung bleibt im Blick.

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