Trotz Zurückhaltung fließt Kapital in Automatisierung, Energie, Bergbau und Wohnungsbau. Industrie-4.0-Anwendungen gewinnen an Bedeutung, was deutschen Anbietern Chancen eröffnet.
Nach einem moderaten Wachstum von gut 1 Prozent im Jahr 2023 hat die kanadische Wirtschaft 2024 um 1,2 bis 1,5 Prozent zugelegt. Unterstützt wird die Konjunktur durch eine schrittweise Lockerung der Geldpolitik: Die Bank of Canada senkte den Leitzins bis Juni 2025 auf 2,75 Prozent.
Kanada investiert gezielt in Digitalisierung und Infrastruktur
In der Folge sind auch die Kreditkosten gesunken, insbesondere für Investitionen in grüne Technologien und Infrastruktur. Die Geschäftsbanken zeigen sich wieder kreditfreudiger. Das sind gute Nachrichten für den Maschinenbau, denn das belebt die Investitionstätigkeit in zukunftsorientierten Branchen.
Insgesamt aber ist die Investitionsbereitschaft in moderne Maschinen und Ausrüstungen zurückhaltend, angesichts der geopolitischen Spannungen und aggressiven Handelspolitik Donald Trumps. In einigen Branchen wie der Automobilzulieferung bestehen zudem Überkapazitäten.
US-Zölle öffnen Kanadas Markt für europäische Zulieferer
Die US-Zölle treffen kanadische Exporte vor allem in den Bereichen Energie (einschließlich Öl, Gas und Elektrizität), Rohstoffe wie Kalium für Düngemittel, Maschinen- und Fahrzeugteile sowie landwirtschaftliche Produkte. Besonders stark betroffen sind auch Stahl und Aluminium – nicht nur durch direkte Zölle, sondern auch durch deren Auswirkungen auf nachgelagerte Industrien.
Für deutsche Unternehmen ergeben sich daraus neue Chancen, etwa als alternative Zulieferer im Maschinen- und Anlagenbau. Denn kanadische Firmen suchen zunehmend nach verlässlichen Partnern außerhalb der USA, um ihre Lieferketten widerstandsfähiger zu machen. Der Zollkonflikt eröffnet somit Potenzial für eine engere wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen Kanada und Europa.
Technologieschub durch Automatisierung und Energiewende
Trotz insgesamt verhaltener Investitionstätigkeit zeigen sich in Kanada gezielte Impulse in technologie- und klimarelevanten Bereichen. So zeigten besonders die Metallverarbeitungsindustrie und das verarbeitende Gewerbe insgesamt im letzten Jahr ein wachsendes Interesse an Automatisierung und digitalen Produktionstechnologien. Denn der Investitionsfokus der Unternehmen liegt zunehmend auf Effizienzsteigerung, Digitalisierung und Nachhaltigkeit.
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mehr Industrieroboter wurden in Kanada im Jahr 2023 installiert.
Laut den aktuellsten Zahlen der International Federation of Robotics (IFR) sind in Kanada 2023 insgesamt 4.616 Industrieroboter installiert worden – ein Anstieg um 43 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die Fertigungsautomatisierung ist damit in Kanada stark gewachsen.
So haben die Firmen verstärkt in Robotik, cloudbasierte Fertigung, das Industrial Internet of Things (IIoT) und in maschinelles Lernen investiert. Dafür benötigen sie neue Sensorik, Steuerungssysteme und vernetzte Maschinen. Laut der aktuellen Umfrage des Plant Magazine, die von Mai bis Juli 2024 durchgeführt wurde, stehen dabei vernetzte, datengetriebene Systeme im Vordergrund.
Markt für Industrie-4.0-Anwendungen ist noch nicht gesättigt
Insbesondere für Energie- und Ressourceneffizienz, Fernüberwachung und Prozessoptimierung wird die Nutzung von IIoT weiter steigen. In der Produktentwicklung und Anlagenplanung werden häufiger digitale Zwillinge und virtuelle Prototypen eingesetzt. Für deutsche Anbieter von Industrie-4.0-Lösungen ist das ein gutes Signal, denn im internationalen Vergleich ist die Produktion in Kanada nur unterdurchschnittlich stark digitalisiert.
Fortschrittliche Fertigung und Investitionen in die Dekarbonisierung der Bereiche Verkehr, Energie und Industrie werden finanziell gefördert, sowohl auf Bundes- als auch auf Ebene der Provinzen. Der geplante Ausbau von Windkraft, Solarenergie, Energiespeichern und Wasserstoff zieht einen hohen Technologiebedarf nach sich, und die ambitionierte Strategie zur Beschleunigung des Bergbaus bei kritischen Mineralien eine Mehrnachfrage nach Explorationsgeräten, Fördertechnik und Aufbereitungssystemen.
Wachstum durch Infrastrukturprojekte und bezahlbaren Wohnraum
Abgelegene Regionen, in denen unter anderem Lithium, Nickel, Kobalt, Graphit und Seltene Erden verstärkt abgebaut werden sollen, müssen besser durch Straßen, Stromleitungen und Häfen erschlossen werden. Auch dafür will die kanadische Regierung viel Geld in die Hand nehmen. Die geplante Erhöhung der Verteidigungsausgaben dürfte zudem eine höhere Nachfrage nach Ausrüstung, Bauleistungen und IT nach sich ziehen.
Auch vom Wohnungsbau sind Impulse für die Bauwirtschaft und die zugehörige Maschinen- und Anlagentechnik zu erwarten: Nach ihrem Wahlprogramm will die Liberale Partei, die die Parlamentswahlen im April 2025 gewann, 500.000 Wohneinheiten pro Jahr bauen. Besonders profitieren dürften Anbieter von modularen Bau- und Fertigungslösungen, Baumaschinen und Infrastrukturtechnik.
Von Heiko Steinacher
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Toronto