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Zentralasien weitet seine Logistikinfrastruktur deutlich aus
Zentralasien entwickelt sich zu einer logistischen Drehscheibe. Händler und Spediteure investieren in Lagerflächen. Die Automatisierung von Logistikprozessen bietet Chancen.
13.11.2025
Von Viktor Ebel | Almaty
Wo einst Karawanen durchs Land zogen, rollen heute Containerzüge: Zentralasien feiert sein Comeback als eine Drehscheibe des globalen Handels. Die Entwicklung wird von externen sowie internen Faktoren begünstigt. Zum einen werden Handelsrouten, die zuvor überwiegend über Russland oder den Seeweg führten, aus strategischer Erwägung auf alternative Strecken wie den Mittleren Korridor verlagert. Zum anderen haben die Länder der Region eine wirtschaftliche Aufholjagd gestartet. Sie produzieren mehr Waren, auch für den Export, und erleben einen florierenden Einzelhandel – immer häufiger online.
Um den grenzübergreifenden Güterverkehr sowie die Lieferung zum Endkunden zu bewältigen, bedarf es moderner, effizienter Logistikzentren. Bisher war die Region kaum in globale Lieferketten integriert. Eine Studie der Eurasischen Entwicklungsbank (EDB) schätzt daher, dass in Zentralasien in den nächsten Jahren Millionen von Quadratmetern Lagerflächen der Klassen A und B entstehen werden. Das macht die Länder Zentralasiens interessant auch für deutsche Spediteure sowie für Unternehmen, die Lösungen für automatisierte Logistikprozesse anbieten.
Kasachstan und Usbekistan zuletzt führend beim Ausbau
betrug die verfügbare Lagerfläche in Quadratmetern in den zentralasiatischen Ländern 2024.
Anfang 2025 umfassten die Lagerhallen in den fünf zentralasiatischen Ländern Kasachstan, Usbekistan, Kirgisistan, Tadschikistan und Turkmenistan eine Fläche von rund 2,7 Millionen Quadratmetern, so eine Schätzung der EDB. Das meiste davon entfällt auf Kasachstan (1,6 Millionen Quadratmeter) und Usbekistan (800.000 Quadratmeter). Diese beiden Länder bauten ihre Kapazitäten seit 2021 auch am stärksten aus: Im Flächenstaat Kasachstan betrug der Zuwachs 20 Prozent, während das sich im Reformprozess befindliche Usbekistan seine Lagerflächen um ganze 89 Prozent ausbaute.
Diese Zahlen täuschen aber nicht darüber hinweg, dass die Logistiklandschaft weiterhin unterentwickelt ist. So liegt die Lagerkapazität in den zentralasiatischen Ländern zum Teil deutlich unter 0,1 Quadratmeter pro Einwohner. Zum Vergleich: In China betrug die Quote 2024 etwa 0,8; in den USA sogar 4,0. Hinzu kommt die teils mangelhafte Qualität der Lagerflächen. Im Schnitt entfallen laut Berechnungen der EDB nur rund 30 Prozent auf Lagerhäuser der Klasse A. Das führt dazu, dass Güter nicht adäquat gelagert werden können und Logistikprozesse verlangsamt werden.
Geringe Leerstände und anziehende Preise prägen Markt
Aufgrund der hohen Nachfrage bleibt aber kaum eine Lagerhalle leer: Anfang 2025 betrug die Leerstandsquote in Kasachstan 3,5 Prozent, während sie in Usbekistan nicht einmal 2 Prozent ausmachte. Auch die Mietkosten für Lagerflächen kannten in den letzten Jahren nur eine Richtung, nämlich nach oben. Der monatliche Durchschnittspreis für einen Quadratmeter stieg in Kasachstan von 8 US-Dollar (US$) auf über 10 US$. In Usbekistan und Kirgisistan verdoppelte sich der Preis auf rund 9 US$. Was alle Länder gemeinsam haben, ist, dass sich die Logistikkomplexe auf die Hauptstädte und Wirtschaftsmetropolen konzentrieren, während andere Landesteile kaum abgedeckt sind.
Fehlende Lager führen zu Millionen Tonnen Ernteverlusten
Was das für konkrete Folgen hat, zeigt sich bei den jährlichen Ernteverlusten. Rund 14 Millionen Tonnen landwirtschaftliche Erzeugnisse werden Medienberichten zufolge in Zentralasien jedes Jahr weggeworfen, weil Lagerkapazitäten fehlen.
Ein erheblicher Teil der Ernten wird in Einrichtungen gelagert, die keine geeigneten Bedingungen für eine langfristige Aufbewahrung bieten. Vor allem in saisonalen Spitzenzeiten kommt es daher auf Pufferlager und effiziente Transportlogistik an, um die Ernten vermarkten zu können.
Zahlreiche neue Logistikkomplexe bereits angekündigt
Mittelfristig dürften in Zentralasien Logistikkomplexe mit einer Gesamtfläche von mindestens 1,6 Millionen Quadratmetern hinzukommen. Der Großteil entfällt auf Kasachstan und dabei insbesondere auf die Region um die Verbraucherhochburg Almaty. Das kleine Kirgisistan hat zwar eine wesentlich geringere Kaufkraft, profitiert aber von der seit Kurzem im Bau befindlichen Eisenbahnstrecke China-Kirgisistan-Usbekistan, weshalb das Land beim Ausbau der Lagerkapazitäten in den kommenden Jahren den zweiten Platz einnimmt. Danach folgt das bevölkerungsreiche Usbekistan, wo neue Logistikzentren für die Bedürfnisse der Agrarwirtschaft und des Onlinehandels errichtet werden.
Auf lange Sicht prognostiziert die EDB, dass die Lagerkapazitäten in Zentralasien von gegenwärtig 2,7 Millionen Quadratmeter bis 2040 auf fast 20 Millionen Quadratmeter steigen werden. Zwar sind diese Zahlen mit Vorsicht zu genießen, da die Region geopolitisch heikel bleibt und ihr Transitpotenzial wieder einbüßen könnte, sollte beispielsweise die nördliche Route über Russland wieder bedenkenlos befahrbar sein. Bei einem Blick in die Lagerhallen spricht jedoch Vieles für einen deutlichen Ausbau.
| Vorhaben (Land) | Investitionssumme | Projektstand | Anmerkungen |
|---|---|---|---|
| Handels- und Logistikzentrum Manas (Kirgisistan) | Phase 1: 700; insgesamt: bis zu 4.000 | 2024 bis 2028 | Hunan Construction Investment Group (China) |
| Industrie-Logistik-Hub Silkway Central Asia (Usbekistan) | 300 | Phase 1 bis 2026 | PTC Holding; O‘zbekiston Temir Yo‘llari (Usbekisches Eisenbahn) |
| Transport- und Logistikzentrum Kolschat an der Grenze zwischen Kasachstan und China | Phase 1: 46; Phase 2: 93; Phase 3: 93; insgesamt: rund 230 | Phase 1 bis 2027 | Gebietsverwaltung der Region Almaty |
Terminal Sarzha im Hafen Kuryk (Kasachstan)
| etwa 200 | bis 2026 | Semurg Invest |
Handels- und Logistikzentrum Alatau an der Grenze zwischen Kasachstan und Kirgisistan
| 200 | 2025 bis 2026 | Romsey Holdings KZ LLP |
| Transport- und Logistikzentrum Tobyl (Kasachstan) | 120 | 2025 bis 2027 | Kedentransservice; Industrieentwicklungsfonds Kasachstans |
| Multifunktionales Zoll- und Logistikzentrum Global Hub (Kirgisistan) | 103 | bis 2034 | IBC Global; Alkanov Group |
| Container-Hub im Hafen von Aktau (Kasachstan) | 90 | 2024 bis 2026 | Unternehmensgruppe Hafen Lianyungang (China) |
| Handels- und Logistikzentrum Atbaschy an der Grenze zwischen Kirgisistan und China | 12 | Inbetriebnahme geplant Ende 2027 | Kara Bulak LLP |
| Griffin Logopark Almaty (Kasachstan) | 7
| Phase 1 läuft bis 3. Quartal 2026 | Griffin Partners
|
Einzelhandel betreibt rund 90 Prozent der Lager
Rund 90 Prozent der Lagerflächen in den Ländern Zentralasiens werden von Einzelhandelsketten belegt. Die Branche erlebte in den letzten Jahren einen Aufschwung, der in Usbekistan aufgrund von Aufholeffekten besonders stark war. Die Haupthandelspartner der zentralasiatischen Länder, vor allem bei Nahrungsmitteln und Konsumgütern, sind die angrenzenden Länder Russland und China. Da in Zukunft weder ein Abflauen der Kauflaune noch ein Aussetzen des Handels mit den traditionellen Handelspartnern zu erwarten ist, sollte auch der Ausbau von Logistikzentren fortschreiten.
Hinzu kommt der Vormarsch des Onlinehandels. E-Commerce steckt in weiten Teilen Zentralasiens noch in den Kinderschuhen, hat aber aufgrund der demografischen und wirtschaftlichen Entwicklung ein enormes Wachstumspotenzial. Das zeigt sich am Beispiel Kasachstans, der größten Volkswirtschaft Zentralasiens, wo die online generierten Umsätze allein zwischen 2023 und 2024 um 79 Prozent stiegen und den Marktanteil des Onlinehandels auf 14 Prozent emporhoben.
E-Commerce benötigt effiziente Logistiklösungen
Für die Gesamtregion prognostiziert die EDB bis 2040, dass der Anteil des E-Commerce am Einzelhandel auf bis zu 25 Prozent steigen wird. Zum Vergleich: So hoch etwa ist der Anteil gegenwärtig in China. Die für die Abwicklung von Onlinebestellungen benötigten Versandzentren sind auf effektive Logistiklösungen angewiesen, um kurze Lieferzeiten zu garantieren. Das wird beispielsweise durch den Einsatz von Warehouse-Management-Systemen, Sortierförderanlagen und Robotern für die Kommissionierung erreicht.
Branchenevent ins Leben gerufen
Im Oktober 2024 fand erstmalig die Veranstaltung Central Asia Warehouse Summit in Kasachstans größter Stadt Almaty statt. Das Event gilt als zentrale Plattform für den Austausch über Trends, Investitionen und Innovationen im Bereich Lagerlogistik in Zentralasien. Der nächste Termin ist für Oktober 2026 angesetzt.