Wirtschaftsausblick | Kasachstan
Kasachstans Wirtschaft wächst schneller als erwartet
Die Wachstumsprognosen für Kasachstan wurden zuletzt nach oben korrigiert. Angetrieben wird die Konjunktur durch eine zunehmende Ölförderung und Investitionen in die Infrastruktur.
31.10.2025
Von Viktor Ebel | Almaty
Top-Thema: Ölförderung erreicht 2025 Höchststand und soll weiter steigen
Im Jahr 2025 wird Kasachstan voraussichtlich 96 Millionen Tonnen Rohöl fördern – so viel wie noch nie zuvor. Hintergrund ist die jüngst abgeschlossene Erweiterung des größten Ölfelds des Landes. Und damit nicht genug: Schon im Jahr 2026 soll laut Schätzungen des Energieministeriums die Marke von 100 Millionen Tonnen überschritten werden. Denn in- und ausländische Ölfirmen erkunden laufend neue Lagerstätten und haben auch schon Ausbauprojekte für die nächsten Jahre angekündigt.
Die kasachische Wirtschaft ist stark vom Bergbau samt Ölförderung geprägt. Der Anteil der Rohstoffgewinnung am Bruttoinlandsprodukt (BIP) lag 2024 bei rund 12 Prozent und damit in etwa gleichauf mit dem Beitrag des verarbeitenden Gewerbes. Auf Rohöl entfielen 2024 zudem mehr als die Hälfte der Ausfuhrerlöse des Landes.
Wirtschaftliche Entwicklung: Kasachstan setzt Wachstumskurs fort
Unter anderem dem schwarzen Gold ist es zu verdanken, dass internationale Beobachter ihre Wachstumsprognosen für Kasachstan im Verlauf des Jahres 2025 merklich nach oben korrigiert haben. So hob die Weltbank ihre Vorhersage für das BIP-Wachstum im Jahr 2025 um einen ganzen Prozentpunkt an. Auch für 2026 schraubte sie die Prognose hoch. Ähnlich positiv sieht die Economist Intelligence Unit (EIU) die Entwicklung, die für die kasachische Wirtschaft 2025 mit einem realen Zuwachs von 5,8 Prozent rechnet. Für 2026 sagt die EIU ein BIP-Plus von 4,8 Prozent voraus.
Weitere Wachstumsfaktoren neben der Ölförderung sind der robuste Privatkonsum sowie hohe Investitionen in die Infrastruktur, die dem Baugewerbe den Rücken stärken. Der Bausektor expandierte 2024 überdurchschnittlich stark. Die Branche ist geprägt von einer hohen Nachfrage nach Wohnraum sowie zahlreichen Ausbauprojekten im Bereich der Verkehrsinfrastruktur.
Zu den Risiken gehört die steigende Inflation, die unter anderem auch eine Folge des niedrigen Ölpreises und der damit einhergehenden Abwertung des Tenge, der kasachischen Währung, ist. Neben dem Preisdruck hat die kasachische Ölbranche zudem mit einem weiteren Problem zu kämpfen: Bereits mehrfach ist die teilweise über russisches Territorium verlaufende Transportinfrastruktur Ziel ukrainischer Drohnenangriffe geworden, zuletzt im September 2025.
Investitionen: Verarbeitendes Gewerbe liegt 2025 im Trend
Die Bruttoanlageinvestitionen profitieren von den verstärkten Bauaktivitäten und werden laut EIU im laufenden Jahr um 8,5 Prozent zunehmen. Für 2026 erwarten die Experten eine Zunahme um 6,8 Prozent. Dabei dürfte sich neben dem Bauboom auch ein weiterer Trend aus 2025 im Folgejahr fortsetzen: Der Vormarsch des verarbeitenden Gewerbes.
Zahlen des kasachischen Büros für nationale Statistik für die ersten drei Quartale 2025 belegen, dass die verarbeitende Industrie mit einem nominalen Plus von über 30 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum eine besonders starke Investitionsdynamik verzeichnet hat. Der traditionell wichtigste Anlagesektor Bergbau fällt bei den Investitionen 2025 auf Platz drei hinter das Immobiliengewerbe und das Transportgewerbe zurück, was auf kürzlich abgeschlossene Ausbauprojekte zurückzuführen ist.
Konsum: Kredite federn Inflation ab
Die Inflation erreichte im September 2025 ein Zweijahreshoch und kletterte auf fast 13 Prozent. Für das Gesamtjahr 2025 und auch das Folgejahr rechnet die EIU weiterhin mit einem Preisauftrieb von mehr als 11 Prozent auf Jahresbasis. Besonders ins Gewicht fallen die Preise für Wasser, Wärme und Strom. Die Regierung hat zum Teil massive Tariferhöhungen ermöglicht, um den Betreibern der kommunalen Dienste Investitionen in die alternde Infrastruktur zu ermöglichen.
Hinzu kommt die Abwertung des Tenge und eine hohe Inflation in wichtigen Lieferländern, was Importe verteuert. Vor allem bei Lebensmitteln und Konsumgütern ist Kasachstan stark auf Einfuhren angewiesen. Beobachter rechnen aber nicht damit, dass die Teuerungsrate sich kurzfristig auf das Kaufverhalten auswirken wird. Das dürfte auch mit günstigen Kreditoptionen und Möglichkeiten für Ratenkäufe zusammenhängen. Im Vorjahresvergleich wurden in den ersten sechs Monaten 2025 über 11 Prozent mehr Konsumentenkredite vergeben.
Außenhandel: Exporte stagnieren, Importe steigen
Kasachstans Exportschlager ist Rohöl, auf das regelmäßig die Hälfte der Ausfuhrerlöse entfällt. Aufgrund des niedrigen Ölpreises und gestörter Lieferrouten werden die Exporte 2025 voraussichtlich stagnieren. Erst 2026 rechnet die EIU mit einem kleinen Plus von etwa 1,8 Prozent. Die EU, China und Russland sind die Hauptabnehmer kasachischer Waren.
Wesentlich besser entwickeln sich 2025 die Importe, die von Investitionsprogrammen sowie dem soliden Privatkonsum profitieren. Aber auch Preissteigerungen in wichtigen Lieferländern lassen die Zahlen in die Höhe schnellen – laut EIU auf über 5 Prozent im laufenden und nächsten Jahr. Über die Hälfte der Importe stammt aus Russland und China. An dritter Stelle folgt Deutschland, von wo vor allem Maschinen, Kfz und -Teile, sowie Chemiewaren und pharmazeutische Erzeugnisse stammen.
Deutsche Perspektive: AHK Zentralasien feiert 30-jähriges Jubiläum
Ende September 2025 beging die deutsche Wirtschaft 30 Jahre offizielle Präsenz in Kasachstan. Unter den rund 300 Gästen aus Politik und Verbänden hatten sich auch zahlreiche Vertreter deutscher Unternehmen gemischt – darunter Siemens Energy und Siemens Healthineers, BASF, der Bergbauzulieferer Becker Mining sowie mehrere Logistikunternehmen. Ihre Präsenz machte deutlich: Kasachstan ist für deutsche Firmen längst kein weißer Fleck mehr auf der Landkarte.
"Einst geprägt von grundlegenden Transformationsprozessen, ist die Region heute ein dynamischer Partner mit wachsender globaler Relevanz", erklärt Eduard Kinsbruner von der AHK Zentralasien. Er ergänzt: "Kasachstan verbindet Märkte, bietet vielfältige Investitionschancen und ist zu einem zentralen Knotenpunkt zwischen Europa und Asien geworden."
 
 
 
 
