Wirtschaftsausblick | Kolumbien
Wahljahr 2026 – Wohin steuert Kolumbiens Wirtschaft?
Die Perspektiven für Kolumbiens Wirtschaft hellen sich auf, doch vieles ist noch ungewiss. Das Wahljahr 2026 verspricht wichtige Weichenstellungen.
03.12.2025
Von Janosch Siepen | Bogotá
Top-Thema: Kolumbien steht vor Wahlen im Jahr 2026
Kolumbien wählt 2026 ein neues Parlament und einen neuen Präsidenten. Der derzeitige Präsident Gustavo Petro darf laut Verfassung nicht erneut antreten. Je nach Ausgang der Präsidentschaftswahlen ergeben sich verschiedene Szenarien für die kolumbianische Wirtschaft:
Rechtsgerichteter Kandidat:
Wirtschaftsfreundlichere Politik, vor allem im Bergbau, Öl- und Gassektor; weniger wirtschaftspolitische Eingriffe und zurückhaltende Fiskalpolitik; dies könnte zu Widerstand in Politik und Bevölkerung führen; populistische Tendenzen und damit einhergehend lockere Haushaltspolitik möglich; US-freundliche Außenpolitik zu erwarten.
Wahrscheinlichkeit des Szenarios: mittel bis hoch.Linksgerichteter Kandidat:
Fortsetzung wirtschaftspolitischer Eingriffe, vor allem in den Bereichen Energie, Gesundheit und Bergbau; Öl- und Gassektor bleibt unter Druck; Investorenvertrauen bleibt schwach, da expansive Haushaltspolitik erwartet wird; Spannungen zu den USA bestehen fort.
Wahrscheinlichkeit des Szenarios: mittel.Kandidat der Mitte:
Pragmatischer Kurs bei Gesundheitsreform und Bürokratieabbau; vorsichtigere Haushaltspolitik wahrscheinlich; Beziehungen zu den USA könnten sich schrittweise normalisieren; fehlende Parlamentsmehrheit erfordert Kompromisse bei strittigen Themen – Regierbarkeit und politische Stabilität bleiben fragil.
Wahrscheinlichkeit des Szenarios: mittel bis gering.
"Ungeachtet der unterschiedlichen Szenarien steht Kolumbien weiter vor zahlreichen Herausforderungen: eine gesellschaftliche Polarisierung, politische Instabilität, fiskalische Probleme und eine angespannte Sicherheitslage", sagt Theodore Kahn, Director Global Risk Analysis bei der Risikoberatung Control Risks in Bogotá.
Wichtige Daten zum Wahljahr 2026
31. Mai 2026: Erste Runde der Präsidentschaftswahlen
21. Juni 2026: Zweite Runde der Präsidentschaftswahlen (falls im ersten Wahlgang keine absolute Mehrheit zustande kommt)
7. August 2026: Antritt zum Präsidentenamt
Wirtschaftsentwicklung: Privatkonsum als wichtige Stütze
Nach zwei schwachen Jahren 2023 und 2024 befindet sich Kolumbiens Wirtschaft 2025 und 2026 im Aufwind. Economist Intelligence Unit rechnet für 2026 mit einem realen Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von rund 2,8 Prozent. Allerdings bleibt das Wachstum zunächst fragil und wenig nachhaltig angesichts der gesamtwirtschaftlich zu niedrigen Investitionen. Diese könnten aber nach den Wahlen Mitte 2026 stärker anziehen.
Starker Konsum vermittelt trügerische Stabilität in Kolumbiens Wirtschaft
Der private Konsum treibt das Wirtschaftswachstum 2026 an – gestützt durch höhere Realeinkommen und eine robuste Beschäftigungslage. Laut der Investmentbank Corficolombiana liegt die Konsumentwicklung im Vergleich mit Chile, Brasilien, Mexiko und Peru deutlich über dem Durchschnitt. Doch bei den Bruttoanlageinvestitionen hinke Kolumbien hinterher. Dies sei nicht nachhaltig. Auch der Inflationsdruck bleibt zunächst hoch. Doch erwartet der Internationale Währungsfonds, dass die Teuerungsrate 2026 auf 3,5 Prozent sinkt, nach 4,9 Prozent 2025.
Investitionen erholen sich allmählich
Die staatlichen Investitionen könnten 2026 zurückhaltender sein, falls eine künftige mitte-rechts Regierung eine umsichtigere Haushaltspolitik verfolgt. Die Bruttoanlageinvestitionen dürften mittelfristig allerdings steigen, da sich das verarbeitende Gewerbe erholt, Zinsraten bis Ende 2026 sinken dürften und sich das Investitionsvertrauen nach den Wahlen verbessern könnte. Bedenklich ist der weiter niedrige Anteil der Bruttoanlageinvestitionen am BIP. Mit 17,2 Prozent liegt er aktuell immer noch deutlich unter dem Niveau von vor der Pandemie (2010 bis 2019: 22,2 Prozent).
Handelsbilanz verschlechtert sich
Die starke Inlandsnachfrage treibt die Importe an, während die Exporterlöse aufgrund der gesunkenen Ölpreise und der schwächeren Nachfrage von Kolumbiens wichtigstem Handelspartner USA gedämpft bleiben. Das Handelsdefizit könnte 2026 auf 18,3 Milliarden US-Dollar (US$) steigen, so die Bank BBVA (2025: 14,6 Milliarden US$). Die sich verschlechternden diplomatischen Beziehungen zu den USA und die US-Handelspolitik sind ein großer Risikofaktor. Viele Unternehmen – darunter auch deutsche – produzieren in Kolumbien für den US-Markt.
Deutsche Perspektive: Gespannter Blick auf politische Situation
Kolumbien ist ein wichtiger Standort für deutsche Firmen in Lateinamerika. Mehrere Unternehmen bauen ihre Präsenz im Land aus:
- Der Lkw-Hersteller MAN hat 2025 seine Tätigkeit in Kolumbien aufgenommen.
- Der Informationsdienstleister GFT betrachtet Kolumbien als Schlüsselmarkt für seine Expansionsstrategie in Lateinamerika.
- Das Hamburger Unternehmen Stulz, Hersteller von Präzisionsklimageräten für Rechenzentren, investiert derzeit 350.000 Euro in ein Lager in Buenaventura.
- Der Logistiker Hellmann eröffnete einen neuen Firmensitz in Kolumbien.
- Das Energieunternehmen Ib Vogt baut den Solarpark Tamarino in Antioquia (200 Megawatt, 208 Millionen US$)
- Weidmüller aus Detmold, Spezialist für Verbindungstechnik, hat 2025 einen eigenen Firmensitz in Kolumbien eröffnet.
Oscar Isaza, Geschäftsführer von Weidmüller in Kolumbien, sagt, das Geschäft laufe gut und man sehe großes Wachstumspotenzial. "Allerdings herrscht vor den Wahlen große Unsicherheit. Dies beeinträchtigt das Geschäft. Viele Aufträge ruhen derzeit."
Nähere Informationen zu Kolumbien finden Sie auf der GTAI-Länderseite.