Wirtschaftsumfeld | Lateinamerika | Konjunktur
Rohstoffe, Reformen, Risiken: Was prägt Lateinamerika 2025?
Lateinamerika bleibt 2025 auf moderatem Wachstumskurs – trotz der US-Zölle. Chancen bieten Rohstoffe, grüne Energie und neue Handelsrouten. (Stand: 30.07.2025)
Von Jutta Kusche | Bonn
- Eine neue Seidenstraße in Südamerika
- Mexiko: Wirtschaft unter Druck – Hoffnung durch USMCA-Revision
- Neue Perspektiven für Brasilien: EU-Mercosur und Powershoring
- Chile und Peru: Wachstum durch Rohstoffe
- Kolumbien öffnet sich China, Argentinien erholt sich
- Zentralamerika stabil, Karibik dynamisch
- Deutsche Perspektive: Hoffnung auf baldiges Inkrafttreten des EU-Mercosur-Abkommens wächst
Der Internationale Währungsfonds (IWF) erwartet, dass die Wirtschaft in Lateinamerika 2025 real um 2 Prozent wächst. Die Weltbank geht von einem Plus von 2,3 Prozent aus. Damit wird sich das Wachstum im Vergleich zum Vorjahr leicht abschwächen (2024: 2,4 Prozent). Die Exporte der Region leiden unter den protektionistischen Maßnahmen der USA und der schwächeren Weltkonjunktur. Dies birgt Abwärtsrisiken bei den für Lateinamerika wichtigen Rohstoffpreisen.
Im Jahr 2026 könnte sich die Konjunktur wieder aufhellen. IWF und Weltbank rechnen für das kommende Jahr mit einem Zuwachs des regionalen Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 2,4 Prozent. Begünstigt wird diese Entwicklung durch die rückläufige Inflation. Viele Zentralbanken dürften die Leitzinsen 2026 senken.
Eine neue Seidenstraße in Südamerika
Investitionen in Infrastruktur, kritische Mineralien und Energie bleiben attraktiv. Impulse kommen vom Ausbau internationaler Transportwege. Der von China finanzierte neue Hafen Chancay in Peru und sein Anschluss an die Nachbarländer haben den Bau lange geplanter biozeanischer Korridore zwischen Atlantik und Pazifik wieder auf die Agenda gesetzt. Diese könnten den Handel innerhalb der Region künftig deutlich beleben und einen Bauboom auslösen. Deutschen Firmen bieten sich Chancen im Tiefbau, bei Planung und Logistik.
Standortvorteil durch Ressourcenreichtum
Bei erneuerbaren Energien zählen Chile, Brasilien und Kolumbien unter den Schwellenländern zu den Top-10-Investitionszielen. Lateinamerika hat weltweit den höchsten Anteil an Erneuerbaren am Primärenergieverbrauch. Für europäische Industrieunternehmen ist das ein Standortvorteil: Powershoring in Lateinamerika verbessert die Emissionsbilanz. Zudem hat die Region großes Potenzial bei grünem Wasserstoff.
Die Internationale Energieagentur (IEA) erwartet, dass die Nachfrage nach kritischen Rohstoffen bis 2030 jährlich um über 6 Prozent steigt. Chile, Argentinien und Brasilien gelten als besonders attraktiv für Investitionen. Die Region verfügt über die Hälfte der weltweiten Lithiumreserven, über ein Drittel der Kupfervorkommen und fast ein Fünftel der weltweiten Nickel- und Seltene-Erden-Metalle.
Mexiko: Wirtschaft unter Druck – Hoffnung durch USMCA-Revision
Trumps Zollpolitik stellt das exportorientierte Geschäftsmodell Mexikos infrage. Rund 80 Prozent der mexikanischen Ausfuhren gehen in die USA. Die Unsicherheit über die künftigen Rahmenbedingungen hat die Investitionsstimmung deutlich getrübt. Der IWF geht davon aus, dass Mexikos BIP 2025 um 0,3 Prozent schrumpfen wird.
Viel hängt jedoch von der Neuverhandlung des nordamerikanischen Freihandelsabkommens USMCA ab. Die vertraglich vorgesehene Revision soll noch 2025 beginnen. Behält Mexiko mittelfristig Zollvorteile gegenüber asiatischen Exporteuren, erwarten Analysten ein Comeback des Nearshorings. Hohe Zölle dürften dem Geschäft hingegen auf Dauer schaden und wären ein herber Schlag – auch für die 2.100 Firmen mit deutscher Kapitalbeteiligung, von denen viele den US-Markt beliefern.
Neue Perspektiven für Brasilien: EU-Mercosur und Powershoring
Die Rohstoffexporteure der Region wie Brasilien, Chile, Peru und Argentinien hingegen sind kaum vom nordamerikanischen Absatzmarkt abhängig.
In Brasilien bleiben Konsum und private Investitionen weiterhin Wachstumstreiber. Allerdings dämpfen die geldpolitische Straffung – die Nationalbank hat den Leitzins im Juni 2025 auf 15 Prozent gesetzt – und die US-Zollpolitik auch hier die Wachstumsaussichten: Der IWF rechnet mit jeweils 2 Prozent Wachstum in den Jahren 2025 und 2026.
Brasilien profitiert von der globalen Energiewende. Mit idealen Bedingungen für Energie aus Wind-, Solarkraft und Biomasse will das Land energieintensive Industrien anziehen. Die Regierung fördert Powershoring seit Anfang 2024 mit mit neuen industriepolitischen Maßnahmen und gezielten Programmen. Eine Ratifizierung des EU-Mercosur-Abkommens könnte zudem langfristig den Zugang zum europäischen Markt verbessern.
Chile und Peru: Wachstum durch Rohstoffe
In Chile stehen im November 2025 Präsidentschafts- und Parlamentswahlen an. Nach einer Schwächephase 2023 wächst die Wirtschaft wieder robust. Der IWF erwartet für 2025 ein BIP-Plus von 2 Prozent und für 2026 einen Zuwachs von 2,2 Prozent. Der Bergbau bleibt wichtigster Wachstumstreiber: Hohe Rohstoffpreise fördern Milliardeninvestitionen. Chile ist von großem Interesse für die Rohstoffsicherung als weltweit größter Produzent und Exporteur von Kupfer sowie zweitgrößter Lithiumproduzent. Zudem besteht großes Potenzial für den Abbau seltener Erden.
Das Wirtschaftswachstum in Peru schwächt sich 2025 laut IWF voraussichtlich leicht auf 2,8 Prozent ab. Hohe Kupfer- und Goldpreise sowie starke private Investitionen stützen die Konjunktur. Deutsche Unternehmen weiten ihr Engagement aus. Deutschland ist Partnerland der Bergbaumesse Perumin im September 2025. Ein günstiger Zeitpunkt, da zahlreiche neue Projekte im Wert von rund 8 Milliarden US-Dollar (US$) bevorstehen, so der Informationsdienstleister BNamericas.
Kolumbien öffnet sich China, Argentinien erholt sich
Kolumbiens Wirtschaft wird 2025 laut IWF um 2,4 Prozent wachsen, 2026 um 2,6 Prozent. Niedrige Inflation und sinkende Zinsen beleben die Konjunktur, doch die Haushaltslage bleibt angespannt. Mit dem Beitritt zur chinesischen Seidenstraßen-Initiative am 14. Mai 2025 wächst Chinas wirtschaftlicher Einfluss im Land. Chinesische Firmen setzen große Nahverkehrsprojekte um und übernehmen Schlüsselminen.
Argentiniens Wirtschaft erholt sich deutlich: Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und der IWF haben ihre Prognosen nach oben korrigiert. Für 2025 erwartet die OECD 5,7 Prozent Wachstum, für 2026 dann 4,8 Prozent. Treiber sind private Investitionen, Konsum und Exporte. Impulse kommen von der Landwirtschaft.
Zentralamerika stabil, Karibik dynamisch
Für Zentralamerika rechnet der IWF 2025 mit einem Wirtschaftswachstum von 3,8 Prozent. Im Jahr 2026 könnte sich das Wachstum leicht auf 3,9 Prozent erhöhen. Positiv sind die Prognosen auch für die Karibik. Hier erwarten die Analysten 2025 ein solides BIP-Plus von 4,2 Prozent, das vor allem vom anhaltenden Ölboom in Guyana getragen wird. Im Folgejahr könnte das BIP der Karibikstaaten dann sogar auf 8,6 Prozent steigen.
Deutsche Perspektive: Hoffnung auf baldiges Inkrafttreten des EU-Mercosur-Abkommens wächst
Deutschland verliert in Südamerika Marktanteile, allen voran an China. Als Reaktion auf den Handelskonflikt zwischen den USA und China drängt die EU auf eine rasche Ratifizierung des Freihandelsvertrags mit dem Mercosur. Brasiliens Präsident Lula erklärte dies im Juni 2025 zum zentralen Ziel seiner Mercosur-Präsidentschaft. Das Abkommen würde eine der größten Freihandelszonen der Welt schaffen mit über 715 Millionen Menschen – und Zugang zu Rohstoffen, Lebensmitteln sowie wachsender Nachfrage in Schlüsselbranchen wie Kfz, Maschinenbau, Chemie, Pharma und Dienstleistungen.
Das EU-Mercosur-Abkommen verspricht deutschen Unternehmen nicht nur Zollvorteile, sondern laut DIHK-Umfrage "Going International 2025" auch weniger technische Handelshemmnisse und Zugang zu öffentlichen Ausschreibungen – mit Ausnahme des Gesundheitssektors.
Exporte | Veränderung *) | Importe | Veränderung *) | |
---|---|---|---|---|
Lateinamerika u. Karibik | 43,1 | -3,9 | 30,4 | 6,0 |
Südamerika | 22,8 | -1,7 | 18,7 | 26,0 |
Zentralamerika | 1,9 | 6,6 | 1,6 | -14,4 |
Karibik | 0,9 | -7,7 | 0,5 | -11,4 |
Balanceakt mit China
Chinas wachsender Fußabdruck in Lateinamerika bleibt nicht unbemerkt – vor allem nicht in den USA. Viele Regierungen der Region versuchen, ein Gleichgewicht zwischen beiden Großmächten zu finden. Trotz des politischen Drucks aus Washington bleibt China für Lateinamerika ein unverzichtbarer Partner – insbesondere bei Infrastrukturprojekten und deren Finanzierung.