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MENA-Infrastruktur: Milliardenprojekte treffen auf Bürokratie
Verkehrsprojekte in der MENA-Region bieten Investitionspotenzial in Milliardenhöhe. Zugang, Vergabeverfahren und Risiken unterscheiden sich jedoch je nach Subregion erheblich.
14.07.2025
Von Heena Nazir | Dubai
Die Länder des Nahen Ostens und Nordafrikas investieren umfassend in ihre Verkehrsinfrastruktur. Laut MEED Projects entfallen über 750 Milliarden US-Dollar (US$) auf geplante oder laufende Projekte im Straßen-, Bahn- und Luftverkehr. Die Verteilung des Investitionsvolumens zeigt den Schwerpunkt in der Golfregion: Rund 55 Prozent der Vorhaben konzentrieren sich auf die Golfstaaten der Arabischen Halbinsel, 18 Prozent auf Nordafrika, 15 Prozent auf die Levante-Region (mit Israel) und rund 12 Prozent auf übrige Länder wie die Türkei oder den Iran.
Die arabischen Golfstaaten, vor allem Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), setzen auf strategische Großprojekte im Rahmen langfristiger Transformationspläne wie "Vision 2030". Zugleich treiben auch Länder wie Ägypten und Marokko den Ausbau ihrer Verkehrsnetze voran. Für deutsche Unternehmen eröffnen sich dadurch zahlreiche Marktchancen, allerdings unter regional sehr unterschiedlichen Bedingungen. Während die arabischen Golfstaaten mit formalisierten, aber nicht immer reibungslosen Verfahren arbeiten, verlangt Nordafrika vor allem Flexibilität im Umgang mit der Verwaltung und Finanzierung.
Projektname | Land | Investitionssumme gesamt (Mrd. US$) |
---|---|---|
King Salman International Airport (Masterplan) | Saudi-Arabien | 23,1 |
Kuwait City Metro (MRT) | Kuwait | 18 |
Trans-African Highway: Kairo–Kapstadt | Ägypten | 15,4 |
Etihad Rail – Eisenbahnnetz | VAE | 12,5 |
Nord-Kuwait Flughafen | Kuwait | 12 |
Hamad International Airport Expansion | Katar | 11,1 |
Arabische Golfstaaten: Digital, dynamisch – aber anspruchsvoll
In den arabischen Golfstaaten hat der Infrastrukturbau oberste politische Priorität. Die Vergabe öffentlicher Aufträge erfolgt zunehmend digital, etwa über das saudische Portal Etimad oder das RTA-Portal Dubai. Die Mittel stammen häufig aus Staatsfonds oder aus dem Ölgeschäft. Dennoch berichten deutsche Unternehmen regelmäßig von verzögerten Zahlungen, Budgetumschichtungen oder Projektstopps. Gerade kleinere Firmen müssen daher mit finanziellen Pufferzonen planen.
Ein typisches Vergabemodell ist der Einsatz sogenannter EPC-Konsortien (Engineering, Procurement, Construction), bei dem Generalunternehmen Planung, Beschaffung und Bau bündeln. Klein- und mittelständische Unternehmen (KMU) aus Deutschland werden häufig als spezialisierte Zulieferer eingebunden, beispielsweise in der Bahntechnik oder bei Sicherheitslösungen. Eine erfolgreiche Beteiligung setzt fundierte Marktkenntnisse und verlässliche lokale Partner voraus.
Hinzu kommen wachsende Anforderungen an eine physische Präsenz. In Saudi-Arabien ist bei einer Teilnahme an öffentlichen Projekten seit 2024 ein Regional Headquarter (RHQ) verpflichtend. Auch in den VAE wird eine lokale Verankerung zunehmend erwartet. Lokalisierungsprogramme wie IKTVA oder das In-Country Value-Programm fördern dabei die Integration lokaler Fertigung, Qualifizierung und Wertschöpfung. Gerade für mittelständische Firmen ist dies oft mit erheblichem organisatorischem Aufwand verbunden.
Land | RHQ-/Präsenzpflicht für öffentliche Aufträge | Zentrale Vergabestellen | Typische Vergabeverfahren | Besonderheiten für ausländische Anbieter | Lokalisierungsquote / Local Content |
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Saudi-Arabien | Ja, RHQ-Pflicht seit 2024 für staatliche Vergaben | Etimad Portal (Government Procurement) | Digitale Ausschreibungen über Etimad | RHQ notwendig; Ausnahmen bei Kleinaufträgen oder technischer Alleinstellung | ICV-Vorgaben über NIDC; Ziel: 50–70 % bis 2030 |
VAE | Nein, lokale Präsenz empfohlen | Je nach Emirat:Abu Dhabi (ADDED), Dubai (DEWA), RTA | Nationale Ausschreibungen, online | Partner vor Ort empfohlen; ICV-Zertifikat z. B. bei ADNOC nötig | ICV-Programm: 20–50 % je nach Branche |
Katar | Nein | Government Procurement Regulatory Department | Ausschreibungen, meist englisch | Registrierung beim Finanzministerium erforderlich | Kein fester Schwellenwert, aber wachsendes Interesse |
Kuwait | Nein | Central Agency for Public Tenders (CAPT) | Klassische Ausschreibungen, teils lokal | Lokale Partner empfohlen, Staatsbeteiligung möglich | Keine Quote, aber lokale Wertschöpfung erwünscht |
Oman | Nein, Präferenz für lokale Anbieter | Oman Tender Board | Nationale & internationale Ausschreibungen | Lokale Agenten vorgeschrieben bei Staatsprojekten | ICV-Richtlinien aktiv, Ziel: 30–40 % in Energiesektor |
Bahrain | Nein | Bahrain Tender Board | E-Vergabeplattform | Registrierung und Präqualifikation nötig | Keine feste Quote, aber wachsender Fokus |
Infrastruktur in Nordafrika: Bauen im Beziehungsgeflecht
Auch in Nordafrika sind die Ausbaupläne ambitioniert. Ägypten investiert in Hochgeschwindigkeitsstrecken, Straßennetze und Metrolinien. Der Zugang zum Markt gestaltet sich jedoch komplexer. Ausschreibungen erfolgen meist kurzfristig, ausschließlich auf Arabisch und verlangen umfassende Unterlagen sowie Sicherheitsgarantien von bis zu 10 Prozent des Projektwerts.
Entscheidungsprozesse verlaufen oft informell. Persönliche Kontakte ("Wasta") spielen in Ländern wie Ägypten, Algerien oder Tunesien eine zentrale Rolle. Gleichzeitig können Budgetkürzungen, Devisenprobleme oder bürokratische Verzögerungen Projekte ins Stocken bringen. Ein deutscher Maschinenbauer berichtete beispielsweise von einer neunmonatigen Verzögerung bei der Auszahlung eines bewilligten Budgets – weil das zuständige Ministerium auf Haushaltsfreigaben wartete.
Trotzdem lassen sich Hürden überwinden: Ein Bahntechnikunternehmen aus Deutschland wurde bei einem Ausschreibungsverfahren in Kairo disqualifiziert, weil eine beglaubigte Übersetzung fehlte. Nach der Zusammenarbeit mit einem lokalen Dienstleister und mit juristischer Unterstützung konnte es sich jedoch für ein Folgeprojekt erfolgreich qualifizieren.
Im Gegensatz zu den arabischen Golfstaaten gibt es in Nordafrika keine strikten Lokalisierungsvorgaben. Die Anforderungen an Partnerschaften oder an die Präsenz vor Ort ergeben sich meist aus der Verwaltungspraxis und politischen Kultur. Eine Ausnahme stellt Marokko dar: Hier ermöglichen EU-kofinanzierte Projekte vergleichsweise transparente Verfahren.
Land | Lokale Präsenz für öffentliche Aufträge erforderlich? | Zentrale Vergabestellen | Typische Vergabeverfahren | Besonderheiten für ausländische Anbieter | Lokalisierungsquote / Local Content |
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Ägypten | Nein, Präsenz empfohlen | General Authority for Government Services (GAGS) Ministry of Planning | Nationale Ausschreibungen | Registrierung und lokale Partner empfohlen | Keine Quote, aber Local Preference möglich |
Marokko | Nein, lokale Repräsentanz vorteilhaft | Portail des Marchés Publics | Ausschreibungen ab Schwelle verpflichtend | E-Procurement etabliert, meist Französisch | Mind. 15–20 % lokaler Anteil üblich |
Algerien | Nein, aber Kooperation mit lokalem Vertreter; Präferenz für nationale Anbieter | Ministère des Finances – Marchés Publics teils sektorale Behörden | Öffentliche Ausschreibungen | Lokale Partner häufig erforderlich; Importregeln beachten | >30 % Local Content bei strategischen Projekten |
Tunesien | Nein | Haute Instance de la Commande Publique (HAICOP) | Ausschreibungen mit Transparenzpflichten | Französischsprachige Verfahren; kombinierte Bewertung (Preis/Technik) | Keine Quote, aber Fokus auf lokale Leistungen |
Tipps für deutsche Unternehmen: So kann der Markteinstieg gelingen
Eine attraktive Einstiegsmöglichkeit bieten Infrastrukturprojekte, die internationale Entwicklungsbanken finanzieren. Insbesondere in Nordafrika sind viele der großen Infrastrukturprojekte geberfinanziert, etwa die Instandsetzung von Straßen in Tunesien oder der Ausbau von Seehäfen in Marokko.
Institutionen wie die Europäische Investitionsbank (EIB), die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) oder die Afrikanische Entwicklungsbank (AfDB) schreiben nach einheitlichen Standards aus. Für kleinere Unternehmen ohne regionale Niederlassung sind solche Verfahren oft ein guter Startpunkt: politisch weniger riskant, dafür transparenter und rechtlich klar strukturiert.
Informationen über Projekte und Ausschreibungen
Bei der Umsetzung von geberfinanzierten Vorhaben schreiben die Staaten die benötigten Bau-, Liefer- und Beratungsleistungen oft international aus.
GTAI informiert tagesaktuell mit Projektfrühinformationen und Hinweisen auf Ausschreibungen über die vielfältigen Geschäftschancen in der internationalen Zusammenarbeit. Die kostenfreie Datenbank ist nach Land, Branche und Geber filterbar.
Unser E-Mail-Service Tenders & Projects Daily liefert Ihnen täglich die neuesten öffentlichen Ausschreibungen und Projekte aus der ganzen Welt - direkt in Ihr Postfach.
Unabhängig von der Region begegnen deutsche Anbieter intensiver Konkurrenz. Neben lokalen Bau- und Technikfirmen treten chinesische Staatsunternehmen mit schlüsselfertigen Komplettlösungen auf, ebenso türkische Anbieter mit regionaler Projekterfahrung. In den arabischen Golfstaaten sind zusätzlich Wettbewerber aus Südkorea, Frankreich oder aus den USA aktiv.
Um erfolgreich zu sein, müssen sich Unternehmen nicht nur technisch differenzieren. Ihre Lösungen müssen zudem den klimatischen Bedingungen der Region standhalten und auf aktuelle Anforderungen wie Digitalisierung, Energieeffizienz oder Verkehrssicherheit ausgerichtet sein. Gefragt sind intelligente Steuerungssysteme, emissionsarme Fahrzeuge und ausfallsichere Infrastrukturkomponenten – nicht nur für Neubauten, sondern auch zur Modernisierung bestehender Anlagen.
Wer gut vernetzt ist, flexibel auf lokale Anforderungen reagiert und dabei auf Qualität setzt, kann sich auch in einem anspruchsvollen Marktumfeld behaupten.
Tipp | Erläuterung |
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Lokale Partner nutzen | Zusammenarbeit mit EPC-Konsortien oder Generalunternehmern erleichtert die Teilnahme an Ausschreibungen und bietet Zugang zu RHQ-pflichtigen Projekten. |
Vergabestellen kennen | Registrierung auf Portalen wie Etimad (Saudi-Arabien) oder Kontakt zu RTA/DEWA (VAE) bzw. nationalen Stellen in Nordafrika ist essenziell. |
Entwicklungsbanken als Türöffner | EIB, EBRD oder AfDB bieten standardisierte Verfahren, politische Absicherung und Einstiegschancen ohne Niederlassung. |
Lokalisierung einplanen | Programme wie IKTVA oder das In-Country Value-Programm verlangen lokale Wertschöpfung – frühzeitige Planung ist entscheidend. |
Rechtliche Beratung einholen | Lokale Vorschriften und Formalitäten wie Übersetzungen, Genehmigungen und Registereinträge erfordern juristische Begleitung. |
Mit langen Verfahren rechnen | In Nordafrika dauern Entscheidungen oft länger – Geduld, aktives Nachfassen und persönliche Netzwerke helfen. |
Technik anpassen | Produkte sollten auf Klima, Infrastruktur und Digitalisierung ausgerichtet sein – Referenzprojekte sind von Vorteil. |