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MENA-Infrastruktur: Milliardenprojekte treffen auf Bürokratie

Verkehrsprojekte in der MENA-Region bieten Investitionspotenzial in Milliardenhöhe. Zugang, Vergabeverfahren und Risiken unterscheiden sich jedoch je nach Subregion erheblich.

Von Heena Nazir | Dubai

Die Länder des Nahen Ostens und Nordafrikas investieren umfassend in ihre Verkehrsinfrastruktur. Laut MEED Projects entfallen über 750 Milliarden US-Dollar (US$) auf geplante oder laufende Projekte im Straßen-, Bahn- und Luftverkehr. Die Verteilung des Investitionsvolumens zeigt den Schwerpunkt in der Golfregion: Rund 55 Prozent der Vorhaben konzentrieren sich auf die Golfstaaten der Arabischen Halbinsel, 18 Prozent auf Nordafrika, 15  Prozent auf die Levante-Region (mit Israel) und rund 12 Prozent auf übrige Länder wie die Türkei oder den Iran. 

Die arabischen Golfstaaten, vor allem Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), setzen auf strategische Großprojekte im Rahmen langfristiger Transformationspläne wie "Vision 2030". Zugleich treiben auch Länder wie Ägypten und Marokko den Ausbau ihrer Verkehrsnetze voran. Für deutsche Unternehmen eröffnen sich dadurch zahlreiche Marktchancen, allerdings unter regional sehr unterschiedlichen Bedingungen. Während die arabischen Golfstaaten mit formalisierten, aber nicht immer reibungslosen Verfahren arbeiten, verlangt Nordafrika vor allem Flexibilität im Umgang mit der Verwaltung und Finanzierung.

Großprojekte in der MENA-RegionAuswahl; Investitionssumme in Millionen US-Dollar
ProjektnameLand

Investitionssumme gesamt (Mrd. US$)

King Salman International Airport (Masterplan)Saudi-Arabien

23,1

Kuwait City Metro (MRT)Kuwait

18

Trans-African Highway: Kairo–KapstadtÄgypten

15,4

Etihad Rail – EisenbahnnetzVAE

12,5

Nord-Kuwait FlughafenKuwait

12

Hamad International Airport ExpansionKatar

11,1

Quelle: MEED Projects, Mai 2025

Arabische Golfstaaten: Digital, dynamisch – aber anspruchsvoll

In den arabischen Golfstaaten hat der Infrastrukturbau oberste politische Priorität. Die Vergabe öffentlicher Aufträge erfolgt zunehmend digital, etwa über das saudische Portal Etimad oder das RTA-Portal Dubai. Die Mittel stammen häufig aus Staatsfonds oder aus dem Ölgeschäft. Dennoch berichten deutsche Unternehmen regelmäßig von verzögerten Zahlungen, Budgetumschichtungen oder Projektstopps. Gerade kleinere Firmen müssen daher mit finanziellen Pufferzonen planen.

Ein typisches Vergabemodell ist der Einsatz sogenannter EPC-Konsortien (Engineering, Procurement, Construction), bei dem Generalunternehmen Planung, Beschaffung und Bau bündeln. Klein- und mittelständische Unternehmen (KMU) aus Deutschland werden häufig als spezialisierte Zulieferer eingebunden, beispielsweise in der Bahntechnik oder bei Sicherheitslösungen. Eine erfolgreiche Beteiligung setzt fundierte Marktkenntnisse und verlässliche lokale Partner voraus.

Hinzu kommen wachsende Anforderungen an eine physische Präsenz. In Saudi-Arabien ist bei einer Teilnahme an öffentlichen Projekten seit 2024 ein Regional Headquarter (RHQ) verpflichtend. Auch in den VAE wird eine lokale Verankerung zunehmend erwartet. Lokalisierungsprogramme wie IKTVA oder das In-Country Value-Programm fördern dabei die Integration lokaler Fertigung, Qualifizierung und Wertschöpfung. Gerade für mittelständische Firmen ist dies oft mit erheblichem organisatorischem Aufwand verbunden.

Vergabeverfahren in den arabischen Golfstaaten
LandRHQ-/Präsenzpflicht für öffentliche AufträgeZentrale VergabestellenTypische VergabeverfahrenBesonderheiten für ausländische AnbieterLokalisierungsquote / Local Content
Saudi-ArabienJa, RHQ-Pflicht seit 2024 für staatliche VergabenEtimad Portal (Government Procurement)Digitale Ausschreibungen über EtimadRHQ notwendig; Ausnahmen bei Kleinaufträgen oder technischer AlleinstellungICV-Vorgaben über NIDC; Ziel: 50–70 % bis 2030
VAENein, lokale Präsenz empfohlenJe nach Emirat:Abu Dhabi (ADDED), Dubai (DEWA), RTANationale Ausschreibungen, onlinePartner vor Ort empfohlen; ICV-Zertifikat z. B. bei ADNOC nötigICV-Programm: 20–50 % je nach Branche
KatarNeinGovernment Procurement Regulatory DepartmentAusschreibungen, meist englischRegistrierung beim Finanzministerium erforderlichKein fester Schwellenwert, aber wachsendes Interesse
KuwaitNeinCentral Agency for Public Tenders (CAPT)Klassische Ausschreibungen, teils lokalLokale Partner empfohlen, Staatsbeteiligung möglichKeine Quote, aber lokale Wertschöpfung erwünscht
OmanNein, Präferenz für lokale AnbieterOman Tender BoardNationale & internationale AusschreibungenLokale Agenten vorgeschrieben bei StaatsprojektenICV-Richtlinien aktiv, Ziel: 30–40 % in Energiesektor
BahrainNeinBahrain Tender BoardE-VergabeplattformRegistrierung und Präqualifikation nötigKeine feste Quote, aber wachsender Fokus
Bei staatlichen Großprojekten ist die Vergabe oft an EPC-Konsortien ausgelagert. Deutsche KMU können sich dort als Zulieferer positionieren, auch ohne direkte Teilnahme am öffentlichen Verfahren.Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest, Mai 2025

Infrastruktur in Nordafrika: Bauen im Beziehungsgeflecht

Auch in Nordafrika sind die Ausbaupläne ambitioniert. Ägypten investiert in Hochgeschwindigkeitsstrecken, Straßennetze und Metrolinien. Der Zugang zum Markt gestaltet sich jedoch komplexer. Ausschreibungen erfolgen meist kurzfristig, ausschließlich auf Arabisch und verlangen umfassende Unterlagen sowie Sicherheitsgarantien von bis zu 10 Prozent des Projektwerts.

Entscheidungsprozesse verlaufen oft informell. Persönliche Kontakte ("Wasta") spielen in Ländern wie Ägypten, Algerien oder Tunesien eine zentrale Rolle. Gleichzeitig können Budgetkürzungen, Devisenprobleme oder bürokratische Verzögerungen Projekte ins Stocken bringen. Ein deutscher Maschinenbauer berichtete beispielsweise von einer neunmonatigen Verzögerung bei der Auszahlung eines bewilligten Budgets – weil das zuständige Ministerium auf Haushaltsfreigaben wartete.

Trotzdem lassen sich Hürden überwinden: Ein Bahntechnikunternehmen aus Deutschland wurde bei einem Ausschreibungsverfahren in Kairo disqualifiziert, weil eine beglaubigte Übersetzung fehlte. Nach der Zusammenarbeit mit einem lokalen Dienstleister und mit juristischer Unterstützung konnte es sich jedoch für ein Folgeprojekt erfolgreich qualifizieren.

Im Gegensatz zu den arabischen Golfstaaten gibt es in Nordafrika keine strikten Lokalisierungsvorgaben. Die Anforderungen an Partnerschaften oder an die Präsenz vor Ort ergeben sich meist aus der Verwaltungspraxis und politischen Kultur. Eine Ausnahme stellt Marokko dar: Hier ermöglichen EU-kofinanzierte Projekte vergleichsweise transparente Verfahren.

Vergabeverfahren in NordafrikaAuswahl
LandLokale Präsenz für öffentliche Aufträge erforderlich?Zentrale VergabestellenTypische VergabeverfahrenBesonderheiten für ausländische AnbieterLokalisierungsquote / Local Content
ÄgyptenNein, Präsenz empfohlenGeneral Authority for Government Services (GAGS) Ministry of PlanningNationale AusschreibungenRegistrierung und lokale Partner empfohlenKeine Quote, aber Local Preference möglich
MarokkoNein, lokale Repräsentanz vorteilhaftPortail des Marchés PublicsAusschreibungen ab Schwelle verpflichtendE-Procurement etabliert, meist FranzösischMind. 15–20 % lokaler Anteil üblich
AlgerienNein, aber Kooperation mit lokalem Vertreter; Präferenz für nationale AnbieterMinistère des Finances – Marchés Publics teils sektorale BehördenÖffentliche AusschreibungenLokale Partner häufig erforderlich; Importregeln beachten>30 % Local Content bei strategischen Projekten
TunesienNeinHaute Instance de la Commande Publique (HAICOP)Ausschreibungen mit TransparenzpflichtenFranzösischsprachige Verfahren; kombinierte Bewertung (Preis/Technik)Keine Quote, aber Fokus auf lokale Leistungen
Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest, Mai 2025

Tipps für deutsche Unternehmen: So kann der Markteinstieg gelingen

Eine attraktive Einstiegsmöglichkeit bieten Infrastrukturprojekte, die internationale Entwicklungsbanken finanzieren. Insbesondere in Nordafrika sind viele der großen Infrastrukturprojekte geberfinanziert, etwa die Instandsetzung von Straßen in Tunesien oder der Ausbau von Seehäfen in Marokko.

Institutionen wie die Europäische Investitionsbank (EIB), die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) oder die Afrikanische Entwicklungsbank (AfDB) schreiben nach einheitlichen Standards aus. Für kleinere Unternehmen ohne regionale Niederlassung sind solche Verfahren oft ein guter Startpunkt: politisch weniger riskant, dafür transparenter und rechtlich klar strukturiert.

Informationen über Projekte und Ausschreibungen

Bei der Umsetzung von geberfinanzierten Vorhaben schreiben die Staaten die benötigten Bau-, Liefer- und Beratungsleistungen oft international aus.

GTAI informiert tagesaktuell mit Projektfrühinformationen und Hinweisen auf Ausschreibungen über die vielfältigen Geschäftschancen in der internationalen Zusammenarbeit. Die kostenfreie Datenbank ist nach Land, Branche und Geber filterbar.

Unser E-Mail-Service Tenders & Projects Daily liefert Ihnen täglich die neuesten öffentlichen Ausschreibungen und Projekte aus der ganzen Welt - direkt in Ihr Postfach.

Unabhängig von der Region begegnen deutsche Anbieter intensiver Konkurrenz. Neben lokalen Bau- und Technikfirmen treten chinesische Staatsunternehmen mit schlüsselfertigen Komplettlösungen auf, ebenso türkische Anbieter mit regionaler Projekterfahrung. In den arabischen Golfstaaten sind zusätzlich Wettbewerber aus Südkorea, Frankreich oder aus den USA aktiv.

Um erfolgreich zu sein, müssen sich Unternehmen nicht nur technisch differenzieren. Ihre Lösungen müssen zudem den klimatischen Bedingungen der Region standhalten und auf aktuelle Anforderungen wie Digitalisierung, Energieeffizienz oder Verkehrssicherheit ausgerichtet sein. Gefragt sind intelligente Steuerungssysteme, emissionsarme Fahrzeuge und ausfallsichere Infrastrukturkomponenten – nicht nur für Neubauten, sondern auch zur Modernisierung bestehender Anlagen.

Wer gut vernetzt ist, flexibel auf lokale Anforderungen reagiert und dabei auf Qualität setzt, kann sich auch in einem anspruchsvollen Marktumfeld behaupten.

Hinweise zum Markteinstieg
TippErläuterung
Lokale Partner nutzenZusammenarbeit mit EPC-Konsortien oder Generalunternehmern erleichtert die Teilnahme an Ausschreibungen und bietet Zugang zu RHQ-pflichtigen Projekten.
Vergabestellen kennenRegistrierung auf Portalen wie Etimad (Saudi-Arabien) oder Kontakt zu RTA/DEWA (VAE) bzw. nationalen Stellen in Nordafrika ist essenziell.
Entwicklungsbanken als TüröffnerEIB, EBRD oder AfDB bieten standardisierte Verfahren, politische Absicherung und Einstiegschancen ohne Niederlassung.
Lokalisierung einplanenProgramme wie IKTVA oder das In-Country Value-Programm verlangen lokale Wertschöpfung – frühzeitige Planung ist entscheidend.
Rechtliche Beratung einholenLokale Vorschriften und Formalitäten wie Übersetzungen, Genehmigungen und Registereinträge erfordern juristische Begleitung.
Mit langen Verfahren rechnenIn Nordafrika dauern Entscheidungen oft länger – Geduld, aktives Nachfassen und persönliche Netzwerke helfen.
Technik anpassenProdukte sollten auf Klima, Infrastruktur und Digitalisierung ausgerichtet sein – Referenzprojekte sind von Vorteil.
Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest, Mai 2025

Chancen und Risiken für deutsche KMU auf einen Blick

Die MENA-Region bietet deutschen Unternehmen im Bereich Verkehrsinfrastruktur großes Potenzial. Doch der Einstieg will gut vorbereitet sein.

S

Stärken Strengths

  • Technologisches Know-how und Qualität
  • Guter Ruf von "made in Germany"
  • Erfahrung mit komplexen Infrastruktursystemen
W

Schwächen Weaknesses

  • Hoher Anpassungsaufwand bei Lokalisierung und RHQ-Vorgaben
  • Fehlende lokale Präsenz in Zielmärkten schmälert Erfolgschancen
  • Beteiligung an Großprojekten erfordern häufig erhebliche Ressourcen
O

Chancen Opportunities

  • Milliardeninvestitionen in Transportprojekte
  • Beteiligung an Entwicklungspartnerprojekten
  • Bedarf an Digitalisierung, Bahn- und Umwelttechnik
     
T

Risiken Threats

  • Verzögerte Ausschreibungen, unklare Zuständigkeiten, politische Instabilität
  • Hoher Wettbewerbsdruck durch Anbieter aus China, der Türkei und dem Zielmarkt selbst
  • Komplexe Vergabeprozesse, kulturelle Besonderheiten

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