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Mexikos Kfz-Industrie manövriert durch schwieriges Terrain
Mexikos Herstellung von Pkw nahm im 1. Halbjahr 2025 leicht zu – trotz der US-Zölle und großer Unsicherheit. Doch bei VW und Stellantis ging sie um je rund ein Fünftel zurück.
22.08.2025
Von Edwin Schuh | Mexiko-Stadt
Der mexikanische Automobilsektor hat ein turbulentes 1. Halbjahr 2025 hinter sich, da die USA seit April einen globalen Zusatzzoll auf Kfz in Höhe von 25 Prozent erheben. Zwar kann Mexiko weiterhin präferenzberechtigt im Rahmen des Handelsabkommens USMCA (United States-Mexico-Canada-Agreement) seinen wichtigsten Abnehmer, die USA, beliefern. Dazu müssen im Automobilsektor Fahrzeuge einen Anteil von mindestens 75 Prozent an lokaler Wertschöpfung in Nordamerika erfüllen.
Jedoch muss auch bei USMCA-Konformität der Wert der Komponenten in einem Fahrzeug, die nicht aus US-Fertigung stammen, verzollt werden. Diese Regelung gilt Branchenexperten zufolge bereits, wird aber noch nicht angewendet. Kommt es dazu, dürfte das den Zollvorteil durch das USMCA weiter schrumpfen lassen. Details zur US-Zollpolitik finden Sie auf der GTAI-Sonderseite Handelspolitik unter Trump.
Nicht alle Hersteller erfüllen USMCA-Regeln
Die mexikanische Automobilindustrie spaltet sich in zwei Lager: Unternehmen, die USMCA-konform produzieren und günstiger in die USA liefern können und solche, die diese Vorgaben nicht erfüllen. Zur zweiten Gruppe gehören derzeit die deutschen Hersteller Volkswagen, Audi, Mercedes-Benz und BMW. Für sie gilt ein Zollsatz in Höhe von 27,5 Prozent bei Lieferung in die USA (25 Prozent Zusatzzoll Kfz plus 2,5 Prozent nach dem WTO-Meistbegünstigungsprinzip).
Große Autobauer wie General Motors, Nissan, Ford und KIA hingegen produzieren in der Regel USMCA-konform. Sie blieben im 1. Halbjahr 2025 von Produktionsrückgängen verschont - anders als etwa Volkswagen, Stellantis, Audi, BMW oder Mercedes Benz. Einige Hersteller versuchen, ihren Anteil lokaler Wertschöpfung auf das notwendige Minimum von 75 Prozent zu heben, um den Zöllen zu entgehen.
Hersteller | 1. Halbjahr 2025 | 1. Halbjahr 2024 | Veränderung |
---|---|---|---|
General Motors | 436.106 | 431.764 | 1,0 |
Nissan | 341.530 | 340.358 | 0,3 |
Ford Motor | 223.742 | 207.748 | 7,7 |
Stellantis | 179.575 | 221.402 | -18,9 |
Toyota | 160.282 | 103.264 | 55,2 |
Volkswagen | 159.265 | 202.194 | -21,2 |
KIA | 143.080 | 123.850 | 15,5 |
Mazda | 99.222 | 103.811 | -4,4 |
Honda | 85.245 | 97.613 | -12,7 |
Audi | 64.782 | 70.190 | -7,7 |
BMW Group | 49.654 | 51.219 | -3,1 |
Mercedes Benz | 29.064 | 31.842 | -8,7 |
Insgesamt *) | 2.006.720 | 1.997.347 | 0,5 |
Automobilkonzerne investieren vor allem in den USA
Trotz des schwierigen Marktumfeldes blieben die Pkw-Produktion (+0,5 Prozent) und der Inlandsabsatz in Mexiko (-0,2 Prozent) im 1. Halbjahr relativ stabil. Die Ausfuhren gingen um 2,8 Prozent zurück auf 1,7 Millionen Pkw. Für das Gesamtjahr 2025 erwartet der Verband der Automobilindustrie AMIA (Asociación Mexicana de la Industria Automotriz) weiterhin bis zu 4,1 Millionen produzierte Pkw, ähnlich wie im Vorjahr. Mexiko ist siebtgrößter Hersteller der Welt, nur knapp hinter Deutschland.
Der Druck der US-Regierung auf die Automobilindustrie, mehr lokal zu produzieren, dürfte sich mittelfristig auf Mexiko auswirken. Im Juni 2025 gab General Motors bekannt, in den kommenden zwei Jahren für rund 4 Milliarden US-Dollar (US$) die Produktionsstätten in Michigan, Missouri und Tennessee auszubauen. Ab 2027 sollen dort die SUV-Modelle Chevrolet Blazer und Chevrolet Equinox mit Verbrennungsmotoren vom Band laufen. Diese Fahrzeuge fertigt General Motors bislang in den mexikanischen Werken San Luis Potosí und Ramos Arizpe. Nur die Produktion der Elektroversion beider Modelle soll in Mexiko bleiben.
Exporte von Volkswagen in die USA sinken
Auch Volkswagen passt seine Produktionslinien an: Aber 2027 soll der Golf wieder in Puebla vom Band laufen, wie bereits von 1970 bis 2021. Ab 2021 wurde der Klassiker in Deutschland hergestellt. Aktuell fertigt Volkswagen die Modelle Jetta, Tiguan und Taos in Mexiko. Deren Produktion sank im 1. Halbjahr 2025 um 21,2 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum (in dem sie wiederum um 30 Prozent gestiegen waren). Sie lag weiterhin über dem Niveau von 2023.
Ende Juli 2025 pausierte Volkswagen am Standort Puebla die Produktion für zwei Wochen, ohne genauere Gründe anzugeben. Unternehmensangaben zufolge ist es die einzige Produktionsunterbrechung, die in diesem Jahr geplant ist. Die Exportzahlen von Volkswagen sind dem Statistikamt INEGI zufolge im 1. Halbjahr um 28,9 Prozent auf 117.750 Einheiten gefallen. Dahinter dürfte vor allem der zollbedingte Rückgang der Exporte an den Hauptabnehmer USA stehen.
Hyundai Motor verlagert Presseberichten zufolge die Produktion des Modells Tucson von Pesquería (Nuevo León) in das Werk im US-Bundesstaat Alabama. Das Unternehmen will bis 2028 rund 21 Milliarden US$ in den USA investieren. In Mexiko hingegen gaben die Erstausrüster (Original Equipment Manufacturer, OEM) in den vergangenen Monaten kaum neue Investitionspläne bekannt.
Unternehmen | Beschreibung | Investitionen (in Mio. US$) | Anmerkung |
---|---|---|---|
Audi | Investitionen in das Werk in San José Chiapa (Puebla) | 1.100 | Herstellung einer Elektroversion des Modells Q5 ab 2026 geplant; soll 500 neue Arbeitsplätze schaffen; Ende 2024 begann der Bau einer Produktionsanlage für Hochvoltbatterien |
Volkswagen | Investitionen in das Werk in Puebla | 942 | Mitte Februar 2024 angekündigt; Umrüstung des Werks auf Elektromobilität |
BMW | Investitionen in das Werk in San Luis Potosí | 860 | Ab 2027 sollen Elektrofahrzeuge der Neuen Klasse vom Band laufen; im Mai 2024 wurde mit dem Bau des Montagezentrums für Hochvoltbatterien begonnen |
Volvo Group | Neues Werk für Lkws in Ciénega de Flores (Nuevo León) | 700 | Soll Mitte 2026 Betrieb aufnehmen; wird größtes Produktionszentrum für Volvo und Mack Trucks weltweit |
Kia | Investitionen in Werk in Pesquería (Nuevo León) | 408 | Ausbau der Kapazität von 250.000 auf 400.000 Fahrzeuge jährlich; Herstellung des Elektromodells EV9 und eines Hyundai-Modells geplant; Ende 2024 Bau eines eigenen Solarparks angekündigt |
Ford | Investitionen in das Werk in Irapuato (Guanajuato) | 273 | Im September 2024 angekündigt; in dem Werk wird der Antriebsstrang für das EV-Modell Mach-E hergestellt |
Komplexe Lage für Autoteilehersteller
Für Hersteller von Autoteilen zeichnet sich ebenfalls ein komplexes Panorama ab: Fahrzeugteile werden seit Mai 2025 beim Import in die USA mit einem Zusatzzoll in Höhe von 25 Prozent belastet. Darunter fallen wesentliche Automobilteile wie Motoren, Getriebe, Antriebsstrangteile und elektrische Komponenten. Teile, die im Rahmen des USMCA eine Präferenzbehandlung erhalten und entsprechend abgewickelt werden können, sind von dem Zusatzzoll bislang ausgenommen.
Daneben gilt es, den Zoll auf Aluminium- und Stahlimporte in Höhe von derzeit 50 Prozent zu berücksichtigen. Besteht ein Kfz-Teil aus Aluminium oder Stahl, könnte er anfallen. "Dies hängt vom Stahl- und Aluminiumanteil des jeweiligen Autoteils ab", sagte Julio Galván, Marktforscher beim mexikanischen Autoteileverband INA (Industria Nacional de Autopartes) gegenüber der Wirtschaftszeitung Expansión.
Trotz des schwierigen Marktumfeldes erwartet INA für 2025 mit rund 122 Milliarden US$ einen ähnlichen Produktionswert von Autoteilen wie im bisherigen Rekordjahr 2024. Demzufolge sorgt das staatliche Förderprogramm Plan México für interessante steuerliche Anreize zur Ansiedlung von Unternehmen.
Doch die Zollpolitik der USA hinterlässt Spuren. Reifenhersteller Michelin etwa will bis Ende 2025 sein Werk in Querétaro mit knapp 500 Angestellten schließen. Die Produktion soll im benachbarten Bundesstaat Guanajuato konsolidiert werden. Der belgische Hersteller von Autoglas AGP Glass brach den Bau einer neuen Produktionsstätte in Santa Catarina (Nuevo León) im März 2025 ab, nachdem er bereits 250 Millionen US$ investiert hatte. Ursprünglich sollte das Werk 800 Millionen US$ kosten und vor allem die USA beliefern.
Unternehmen | Beschreibung | Investitionen (in Millionen US$) | Anmerkung |
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ZC Rubber | Werk zur Herstellung von Reifen in Saltillo (Coahuila) | 500 | Fläche 600.000 qm; Grundstein im August 2024 gelegt |
Yokohama Rubber | Werk zur Herstellung von Reifen in Saltillo (Coahuila) | 380 | Im Bau; soll 2027 in Betrieb gehen; geplante Produktion 5 Millionen Reifen jährlich |
Ningbo Xusheng Group | Werk zur Herstellung von Leichtmetallteilen in Saltillo (Coahuila) | 350 | Nach acht Werken in China jetzt erstes Werk in Mexiko |
ZF Friedrichshafen | Erweiterung des Werks in El Marqués (Querétaro) zur Herstellung von Bremstechnologie | 263 | Im Februar 2023 angekündigt; läuft über fünf Jahre |
Magna | Werk für Komponenten und Strukturteile für Elektroautos in Ramos Arizpe (Coahuila) | 166 | Elftes Werk von Magna im Bundesstaat Coahuila und Nummer 33 in Mexiko |
Kingfa | Werk zur Herstellung von Kunststoffteilen (San Luis Potosí) | 84 | Mitte 2025 angekündigt; 500 direkte Arbeitsplätze |
Grand Topsun | Werk zur Herstellung von Kunststoffteilen in León (Guanajuato) | 55 | Erstes Werk des Unternehmens außerhalb von China; erste Phase soll 2026 in Betrieb gehen |
Verband der Automobilindustrie | |
Verband der Autokonzessionäre | |
Asociación Nacional de Productores de Autobuses, Camiones y Tractocamiones (ANPACT) | Verband der Nutzfahrzeughersteller |
Verband der Kfz-Teilehersteller |