
Special | Mexiko | Produktionsstandorte
Mexiko bleibt ein wichtiger internationaler Produktionsstandort
Als Nearshoring-Partner profitierte Mexiko bisher vom nordamerikanischen Freihandelsabkommen USMCA. Die US-Zollpolitik fordert den Standort heraus, schafft aber auch Chancen.
25.06.2025
Von Edwin Schuh | Mexiko-Stadt
Mexiko zählt als siebtgrößter Pkw-Hersteller der Welt zu den traditionellen Standorten der Automobilindustrie, ist jedoch auch in zahlreichen anderen Branchen fest etabliert. So fertigt etwa die Nürnberger Diehl-Gruppe seit 2004 im zentralmexikanischen Querétaro Benutzeroberflächen und Displays für weiße Ware. "Wir beliefern Kunden wie Whirlpool, GE Appliances und die Bosch-Tochter BSH Hausgeräte, die unsere Steuerungen in Kühlschränke, Öfen oder Waschmaschinen einbauen", berichtet Nicolas Legendre, Finanzleiter von Diehl Controls am Standort Querétaro. Seit 2008 betreibt das Unternehmen dort auch ein Forschungs- und Entwicklungszentrum.
Schwesterkonzern Diehl Aviation investiert nun ebenfalls in Querétaro und will ab 2025 Gepäckfächer und andere Kabinenteile für Passagierflugzeuge herstellen. Die Teile sollen unter anderem an Airbus in Alabama (USA) und Québec (Kanada) geliefert werden.
Dieser Beitrag ist Teil einer umfassenden Analyse zu neuen Produktionsstandorten. Sie zeigt anhand verschiedener Länderkategorien, warum und wohin sich Fertigungskapazitäten verschieben.
Investitionstrends: US-Zölle verunsichern, können aber auch Chance sein
Das mexikanische Geschäftsmodell mit einer Industrieproduktion, die auf die USA ausgerichtet ist, wird durch die wechselhafte US-Zollpolitik erschüttert. Es steht viel auf dem Spiel, da mittlerweile rund 80 Prozent der mexikanischen Warenausfuhren in die USA gehen. Weil den Unternehmen die Sicherheit über die künftigen Rahmenbedingungen fehlen, hat sich die Investitionsstimmung 2025 deutlich eingetrübt.
Das Handelsabkommen USMCA (United States-Mexico-Canada-Agreement) gewährt auch unter der aktuellen US-Regierung zollfreien Warenhandel zwischen den drei Ländern. Voraussetzung ist, dass die gefertigten Produkte die Anforderungen des USMCA an lokaler Wertschöpfung erfüllen. Rund die Hälfte der mexikanischen Lieferungen an die USA liefen 2024 über das Abkommen, so eine Studie der Zentralbank Banco de México (Banxico). In der wichtigen Kategorie der Pkw erfüllten sogar 82,4 Prozent das Abkommen. Auf nicht konforme Produkte entfallen jedoch nach jetzigem Stand 25 Prozent Zoll. Das setzt zugleich Anreize, die Wertschöpfung im USMCA-Raum, unter anderem in Mexiko, zu erhöhen.
Entscheidend wird die vertraglich vorgesehene Revision des USMCA sein, die noch 2025 starten soll. Behält Mexiko mittelfristig Zollvorteile gegenüber asiatischen Exporteuren, wie es aktuell der Fall ist, erwarten Analysten ein Comeback des Nearshorings. Auch wenn industrielle Produktion in die USA zurückgeholt werden soll, könnten Zulieferer in Mexiko unterm Strich weiterhin profitieren. Hohe Zölle dürften dem Geschäft hingegen auf Dauer schaden.
Höhenflug der Investitionen durch Freihandelsabkommen
Seit Inkrafttreten des Nordamerikanischen Freihandelsabkommens NAFTA im Jahr 1994 hat sich Mexiko zu einem der weltweit wichtigsten Produktionszentren entwickelt. Das Nachfolgeabkommen USMCA von 2020 und Nearshoring-Tendenzen nach der Pandemie gaben dem Wirtschaftsstandort weiteren Auftrieb. Eine wichtige Rolle spielt auch die Verfügbarkeit von günstigen Arbeitskräften dank einer Bevölkerung von rund 130 Millionen Einwohnern und einem niedrigen Lohnniveau. Mit 14 Freihandelsabkommen hat sich Mexiko dem Handel weit geöffnet, darunter den Ländern der EU, der EFTA und der Pazifikallianz.
Gemäß der Welthandels- und Entwicklungskonferenz UNCTAD erhielt Mexiko 2022 und 2023 jeweils rund 36 Milliarden US-Dollar (US$) an ausländischen Direktinvestitionen. Im globalen Vergleich entsprach das 2023 Rang 9, direkt hinter Deutschland.
Fokusbranchen: Neue Projekte in den Bereichen Kfz, Metall, Elektronik und Ausrüstung
Das verarbeitende Gewerbe entwickelte sich zum Investitionsmagneten: 236 Greenfield- und Erweiterungsprojekte zählte der Informationsdienstleister fDi Markets 2023 im verarbeitenden Gewerbe. Damit lag Mexiko auf Rang 2 – hinter den USA und vor Indien. Die meisten Projekte verzeichneten die Automobilbranche, die Herstellung von Industrieausrüstungen, die Metallverarbeitung und die Elektronik.
Dem mexikanischen Wirtschaftsministerium zufolge erreichten die ausländischen Direktinvestitionen im Jahr 2024 mit 36,9 Milliarden US$ einen neuen Rekord. Fast 20 Milliarden US$ flossen in das verarbeitende Gewerbe. Deutschland war mit einem Zehntel der Gesamtinvestitionen drittwichtigster Investor, hinter Japan (12 Prozent) und den USA (45 Prozent).
Rund 2.100 Unternehmen mit deutscher Kapitalbeteiligung sind beim Wirtschaftsministerium registriert, davon eine erhebliche Anzahl mit Produktionsstätten. Die meisten fertigen für den US-Markt, zum Teil auch für den Binnenmarkt und die Region Lateinamerika. Nach Auskunft der AHK Mexiko stellen deutsche Firmen rund 300.000 direkte Arbeitsplätze im Land.
Treiber und Risiken: Neuer "Plan México" fördert Ansiedlungen
Flächenmäßig mehr als fünfmal so groß wie Deutschland, ist das Standortangebot Mexikos vielfältig. Neben der Metropole Mexiko-Stadt und deren Umland mit den Städten Puebla und Toluca sowie der Grenzregion zu den USA ist bei deutschen Firmen die sogenannte Bajío-Region sehr beliebt: Sie umfasst die zentralen Bundesstaaten Querétaro, San Luis Potosí, Guanajuato und Aguascalientes.
Um das Flächenangebot in Wert zu setzen und die Rückschläge durch die US-Zollpolitik auszugleichen, setzt die Regierung auf ein neues Programm, den Plan México. Dadurch sollen nationale Produktionsanteile erhöht, Importe ersetzt und Schlüsselbereiche gefördert werden. Schwerpunktbranchen sind Automotive und Elektromobilität, Halbleiter, Arzneimittel und Medizintechnik, Luft- und Raumfahrt, Agrarindustrie, Textil, Chemie und Petrochemie, Konsumgüter.
Mexiko verstärkt Fördermaßnahmen für Investoren
Seit dem 22. Januar 2025 ist der von Präsidentin Claudia Sheinbaum verkündete Plan México in Kraft. Dabei handelt es sich um ein Dekret, das eine Reihe von Maßnahmen mit dem ehrgeizigen Ziel festlegt, Mexiko bis 2030 unter die zehn größten Volkswirtschaften der Welt zu bringen. Gemessen an der Größe des Bruttoinlandsprodukts ist es aktuell Rang 13. Für ausländische Unternehmen bietet der Plan México Steuervergünstigungen und Investitionsmöglichkeiten. Weitere Hinweise finden Sie in unserem Bericht zum Investitions- und Steuerrecht.
Problematische Sicherheitslage in einigen Landesteilen
Ein Schwachpunkt Mexikos bleibt die Sicherheitslage. Das Problem betrifft nicht alle Landesteile gleichermaßen, hat jedoch Einfluss auf die Standortentscheidung von Unternehmen. "Ehemalige Produktionsstätten in den Bundesstaaten México und Tamaulipas mussten wir aufgrund von Sicherheitsproblemen schließen, dafür haben wir in Querétaro ein zweites Werk eröffnet", berichtet Nordamerika-Chef Timm Jenisch vom Automobilzulieferer Kern-Liebers.
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