Die Zulassung von Medikamenten erfolgt nach europäischem Recht. Die Aufnahme auf die Erstattungsliste stellt eine große Hürde dar. Polnische Partner gelten als unersetzbar.
Zulassung nach EU-Recht
Der polnische Arzneimittelmarkt wird grundsätzlich durch das am 6. September 2001 verabschiedete Pharmagesetz (im Originallaut) mit nachfolgenden Änderungen reguliert, das auf europäischen Normen basiert. Im Mai 2007 folgte die Implementierung der EU-Richtlinien 2004/24/EG und 2004/27/EG, sieben Jahre später die Umsetzung der EU-Richtlinie 2011/62/EU. Auf Grundlage des Gesetzes wurde 2002 das Registrierungsamt für Heilprodukte, Medizinische Erzeugnisse und Biozide (Urzad Rejestracji Produktow Leczniczych, Wyrobów Medycznych i Produktow Biobojczych; URPL) gegründet. Es ist die Hauptanlaufstelle für die Zulassung von Arzneimitteln und klinische Studien auf dem polnischen Markt.
Wie in der gesamten Europäischen Union (EU), bieten sich auch in Polen vier Hauptprozeduren zur Zulassung von Arzneimitteln an. In der maximal 210 Tage dauernden Nationalen Prozedur müssen die Regelungen des polnischen Pharmagesetzes befolgt werden. Der Antrag sowie Informationsdrucke müssen in polnischer Sprache beim URPL eingereicht werden. Die Begleitdokumentation kann auf Englisch verfasst sein.
Ist das infrage kommende Präparat bereits in mindestens einem anderen EU-Markt zugelassen, kann das bis zu 120 Tage dauernde Verfahren der gegenseitigen Anerkennung (Mutual Recognition Procedure; MRP) angewendet werden. Ist Polen nur einer von mehreren Märkten, auf dem das infrage kommende Präparat zugelassen werden soll, kann entweder das dezentralisierte Verfahren (Decentralized Procedure; DCP) oder das zentralisierte Zulassungsverfahren (Centralised Procedure; CP) angestrebt werden. Das von der Europäischen Arzneimittelagentur (European Medicines Agency; EMA) durchgeführte CP ist eine Art One-Stop-Shop um die Zulassung für die gesamte EU und den europäischen Wirtschaftsraum zu erlangen.
Die Anträge und Dokumentation für die Nationale Prozedur, die MRP und DCP können in Polen durch das Common European Submission Portal (CESP) elektronisch eingereicht werden. Einzige Ausnahme ist die Active Substance Master File (ASMF), das beim URPL auf einem physischen Datenträger oder in Papierform vorliegen muss.
Erstattungsdschungel
Nach der Zulassung kann die Aufnahme auf die Erstattungsliste beantragt werden, die alle zwei Monate modifiziert wird. Allerdings gehört das im Mai 2011 in Kraft getretene Gesetz über Medikamentenerstattung (in polnischer Sprache) zu den kompliziertesten seiner Art. Den Prozess der Aufnahme eines Präparats auf die Liste, bewerten Branchenvertreter als extrem schwer. Wie sie zudem berichten, wird seitens des polnischen Gesundheitsministeriums häufig ein sogenanntes Risk Sharing Agreement verlangt. Je nach Art der Vereinbarung wird die Erstattung beispielsweise nur bis zu einem vorher festgelegten Betrag gewährt. Wird das Medikament jedoch stark nachgefragt und die Kosten für die Erstattung überschreiten diesen Wert, so muss das Unternehmen alle darüber hinaus erhaltenen Erstattungen an den Gesundheitsfonds zurückbezahlen.
In Polen gelten weiterhin vier Erstattungsgruppen mit bis zu 50 Prozent Selbstbeteiligung der Patienten. Diese gelten aber nur bei Preisen, die unter dem jeweiligen Finanzierungslimit liegen. Dieses wird anhand der Großhandelspreise für bestimmte Arzneimittelgruppen festgelegt. Als Ausgangspunkt gilt der höchste unter den niedrigsten Großhandelspreisen für ein Medikament, das mindestens 15 Prozent des Verkaufsvolumens der jeweiligen Gruppe darstellt. Zusätzlich bestehen Sonderregelungen für einige Patientengruppen sowie Krankheitsarten.
Kostenerstattungsgruppen für Medikamente
Erstattungsgrad | Arzneimitteltyp | Zuzahlungsniveau |
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Kostenlos | Arzneimittel, deren Wirksamkeit in der Bekämpfung folgender Krankheitsarten nachgewiesen ist: bösartige Tumoren, psychischen Störungen, geistige Behinderungen, Entwicklungsstörungen, Infektionskrankheiten mit besonderem epidemischen Risiko für die Bevölkerung. | Liegt der Preis über dem Finanzierungslimit, muss der Patient die Differenz begleichen, ansonsten ist das Präparat kostenfrei. |
30% Selbstbeteiligung | Arzneimittel, Nahrungsmittel mit Sonderbestimmung sowie medizinische Erzeugnisse, die nicht in den oben genannten Gruppen beinhaltet sind. | Liegt der Preis unter dem Finanzierungslimit muss der Patient 30% des Preises übernehmen. Liegt der Preis über dem Limit müssen 50% des Preises und zusätzlich die Differenz zwischen dem Preis und dem Limit vom Patienten bezahlt werden.
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50% Selbstbeteiligung | Arzneimittel, Nahrungsmittel mit Sonderbestimmung sowie medizinische Erzeugnisse, die nicht länger als 30 Tage angewendet werden müssen. | Liegt der Preis unter dem Finanzierungslimit liegt die Kostenbeteiligung bei 50% des Preises. Liegt der Preis über dem Limit muss zusätzlich noch die Differenz zwischen dem Preis und dem Limit übernommen werden.
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Pauschalbetrag | Arzneimittel, Nahrungsmittel mit Sonderbestimmung sowie medizinische Erzeugnisse, die: - länger als 30 Tage angewendet werden müssen und dessen Kosten bei einer 30-prozentigen Kostenbeteiligung über 5% des Mindestlohns überschreiten würden; - kürzer als 30 Tage angewendet werden müssen und dessen Kosten bei einer 50-prozentigen Kostenbeteiligung über 30% des Mindestlohns überschreiten würden. | Liegt der Preis unter dem Finanzierungslimit müssen 3,20 Złoty (etwa 0,74 Euro) für eine Dosis für maximal 30 Tage oder proportional mehr für größere Packungen selbst getragen werden. Liegt der Preis über dem Limit muss zusätzlich die Differenz zwischen dem Preis und dem Limit vom Patienten getragen werden.
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Quelle: Polnisches Gesundheitsministerium
Branchenkenner empfehlen deutschen Pharmaunternehmen für den Markteintritt in Polen die Zusammenarbeit mit polnischen Experten. Insbesondere die Aufnahme auf die Erstattungsliste sei ohne professionelle Partner vor Ort schwer zu bewerkstelligen.
Strenge Vorgaben für Arzneimittelwerbung
Das Bewerben von Heilmitteln wird neben dem Pharmagesetz zusätzlich von der Verordnung des Gesundheitsministers über die Bewerbung von Heilmitteln vom 21.11.2008 (hier im Originallaut) geregelt. So darf an Endkunden keine Reklame gerichtet werden, die Mittel anpreist:
- die ausschließlich auf Rezept ausgegeben werden
- die Rauschmittel oder psychotropische Substanzen beinhalten
- die auf der Erstattungsliste stehen
- die rezeptfrei ausgegeben werden können, ihr Name aber solchen gleicht, die auf der Erstattungsliste zu finden sind
Es ist also lediglich das Bewerben von rezeptfreien Medikamenten (OTC) erlaubt. Allerdings sind auch in diesem Fall enge Grenzen gesetzt. Die Werbung darf sich nicht auf bekannte Personen des öffentlichen Lebens oder Menschen mit medizinischer oder pharmazeutischer Ausbildung berufen. Die Werbebotschaft darf unter anderem auch nicht suggerieren, dass die Einnahme des Präparats keine Nebenwirkungen bewirkt, die Notwendigkeit eines Arztbesuchs entfällt oder einen Heileffekt garantiert. Ferner sollte die Werbung keine Rückschlüsse für eine Eigendiagnose beinhalten oder therapeutische Anweisungen und Krankheitsbilder, die verstörend wirken, aufzeigen.
Rezeptpflichtige Präparate dürfen in Polen lediglich gegenüber Ärzten und pharmazeutischem Personal beworben werden. In der Praxis erfolgt dies meistens in Form von Anzeigen in der Fachpresse, Informationsbroschüren, durch Vertriebsmitarbeiter oder im Rahmen von Konferenzen und Schulungen. Für Nahrungsergänzungsmittel gibt es kaum Beschränkungen. Diese werden in Polen als Lebensmittel und nicht als Medikamente eingestuft. Die Werbung darf jedoch nicht andeuten, dass es sich um ein Medikament handelt.
Im innergemeinschaftlichen Warenverkehr der EU sind die Regelungen des Umsatzsteuerkontrollverfahrens in der EU zu beachten. Informationen hierzu finden sich auf der Internetseite des Bundeszentralamtes für Steuern. Hinsichtlich der Normierung gelten die einschlägigen EU-Richtlinien (siehe etwa Deutsches Institut für Normung e.V.).
Die GTAI stellt ausführliche Informationen zum Wirtschafts- und Steuerrecht zur Verfügung sowie zu Einfuhrregelungen, Zöllen und nichttarifären Handelshemmnissen zur Verfügung.
Von Niklas Becker
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Warschau