Special | Polen | US-Zölle
Polen: Außenhandel ist auf europäischen Binnenmarkt ausgerichtet
Mit den USA besteht ein Handelsdefizit. Indirekte Abhängigkeiten sind jedoch bedeutend.
26.05.2025
Von Christopher Fuß | Warschau
Im Jahr 2024 exportierte Polen Waren im Wert von 11,6 Milliarden Euro in die USA – das entspricht lediglich 3,3 Prozent aller Warenausfuhren des mittelosteuropäischen Landes. Die Vereinigten Staaten spielen somit nur eine untergeordnete Rolle in Polens Exportgeschäft. Zudem verzeichnete Polen zuletzt ein Handelsdefizit gegenüber den Vereinigten Staaten. Der polnische Außenhandel ist stark auf den europäischen Binnenmarkt ausgerichtet: 73,9 Prozent aller Warenausfuhren gingen an EU-Staaten.
Laut Eurostat entsprach der gesamte Warenexport Polens im Jahr 2024 rund 39,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) und lag damit leicht über dem EU-Durchschnitt von 34,2 Prozent. Rechnet man Dienstleistungen hinzu, dann steigt der Wert der Exporte auf 52,2 Prozent des BIP – ebenfalls etwas mehr als der EU-Durchschnitt von 50,6 Prozent.
Die Warenimporte Polens aus den USA beliefen sich 2024 auf 12,1 Milliarden Euro und lagen damit leicht über den Exporten.
Besonderheiten in den Wirtschaftsbeziehungen mit den USA
Kein polnischer Industriezweig ist in größerem Umfang direkt vom Export in die USA abhängig. Deutlich relevanter wären mögliche indirekte Auswirkungen neuer US-Zölle – insbesondere aufgrund Polens Einbindung in europäische Lieferketten. Besonders betroffen wären die Stahl- und Aluminiumindustrie sowie die Kfz-Branche.
- Das wichtigste Exportgut Polens für den US-Markt sind Maschinen und Fahrzeuge mit einem Gegenwert von 6,5 Milliarden Euro. Die Importe aus den USA in dieser Warenkategorie liegen bei 5 Milliarden Euro. Das nach Wert größte Exportgut Polens in die USA sind verschiedene Motoren (SITC 714) mit einem Gegenwert von 1,9 Milliarden Euro.
- Den höchsten Exportüberschuss mit den USA hat Polen bei einigen elektrischen Maschinen (SITC 77). Allerdings spielt der Exportwert in dieser Warenkategorie mit 1,1 Milliarden Euro, gemessen am gesamten Warenexport Polens, keine wichtige Rolle.
- Die Stahl- und Aluminiumindustrie stellt sich auf indirekte negative Folgen durch US-Zölle ein. Laut dem staatlichen polnischen Think Tank PIE (Polnisches Ökonomisches Institut) gehen 83 Prozent der polnischen Exporte in diesem Bereich an Kunden innerhalb der EU. Sollten europäische Hersteller ihre Produkte nicht mehr in die USA exportieren können, droht eine Überproduktion in Europa – mit der Folge, dass polnische Anbieter ihre Absatzmöglichkeiten auf dem europäischen Markt verlieren könnten.
- Auch die polnische Kfz-Industrie sieht Risiken: Sollten die USA höhere Zölle auf asiatische Produkte erheben, könnten Hersteller aus China und Südkorea verstärkt den europäischen Markt bedienen. Das daraus resultierende Überangebot würde polnische Zulieferer unter Druck setzen, die vor allem für europäische Fahrzeughersteller produzieren.
- Der Think Tank PIE schätzt, dass zusätzliche US-Zölle in Höhe von 25 Prozent auf alle EU-Importe das polnische BIP um 0,38 bis 0,43 Prozent senken könnten – das entspräche einem wirtschaftlichen Verlust von rund 2,3 Milliarden Euro.
Produkt | Wert |
Kraftmaschinen (SITC 71) | 2,2 |
Elektrische Maschinen (SITC 77) | 1,4 |
Verschiedene bearbeitete Waren z.B. orthopädische Apparate und Vorrichtungen (SITC 89) | 1,3 |
Maschinen für verschiedene Zwecke z.B. Kurbeln und Wellen, Hebe- und Fördervorrichtungen (SITC 74) | 1,2 |
Andere Beförderungsmittel z.B. Luft-, Raum- und Wasserfahrzeuge (SITC 79) | 0,6 |
Herausforderungen und Chancen
Polen ist ein Frontstaat. Im Nachbarland Ukraine herrscht nach Russlands Überfall Krieg. Vor Beginn der russischen Großoffensive im Februar 2022 waren in Polen rund 5.000 US-Soldaten stationiert. Mittlerweile sind es 10.000 US-Soldaten.
Entscheidend für die Luftsicherheit Polens und die militärische Versorgung der Ukraine ist der Flughafen bei Rzeszów, im Südosten Polens. Hier gibt es eine große US-Truppenpräsenz. Aktuell ziehen die USA jedoch Personal und Ausrüstung von dort ab. Ein Rückgang der US-Präsenz könnte das Sicherheitsgefühl der polnischen Bevölkerung gegenüber möglichen russischen Aggressionen beeinträchtigen.
US-Präsident Donald Trump hat angedeutet, die Kosten der US-Truppenpräsenz in Europa mit Handelsfragen zu verknüpfen. Der Ausgang der Zollverhandlungen könnte somit auch Auswirkungen auf die militärische Präsenz der USA in Polen und das sicherheitspolitische Klima im Land haben.
Gleichzeitig ergeben sich laut dem Maklerbüro der polnischen Umweltbank DM BOŚ auch Chancen, vor allem in der Textilindustrie. Ein Beispiel ist laut Angaben von DM BOŚ der polnische Modehändler LPP. Das Unternehmen kauft seine Waren in Asien ein und verkauft sie dann in Europa an Endkunden weiter. Mögliche US-Zölle auf asiatische Produkte könnten zu günstigeren Einkaufspreisen führen. Zwei Aspekte sind laut DM BOŚ entscheidend: Erstens könnte eine Schwächung des US-Dollars durch politische Entscheidungen der US-Regierung vorteilhaft sein, da viele Geschäfte mit asiatischen Lieferanten in Dollar abgewickelt werden. Zweitens könnte der Wegfall des US-Marktes asiatische Hersteller unter Druck setzen, ihre Preise angesichts des Überangebotes von Waren zu senken, was wiederum europäischen Einkäufern wie LPP zugutekäme.
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