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Wirtschaftsausblick | Rumänien
Steigende Energie- und Finanzierungskosten schwächen Unternehmen und Verbraucher in Rumänien zunehmend. Sinkende Reallöhne beeinträchtigen die Kaufkraft stark.
29.11.2022
Von Dominik Vorhölter | Bukarest
Rumäniens Wirtschaft wächst dieses Jahr noch kräftig, trotz Inflation und Krieg im Nachbarland Ukraine. Die Erholung von der Coronapandemie stimulierte das Wachstum. Unternehmen füllten Lagerbestände auf und der private Verbrauch stieg kräftig. Das Wiener Institut für Wirtschaftsvergleiche (wiiw) korrigierte seine Prognose für das Wachstum des Bruttoinlandsproduktes (BIP) 2022 sogar von real 3,5 auf 4,8 Prozent nach oben.
Dies wird in den kommenden Jahren nicht so bleiben. Das wiiw rechnet damit, dass sich die BIP-Wachstumsrate 2023 halbieren wird. Auch die Analysten der UniCredit Bank rechnen mit einem deutlich schwächeren Wachstum von voraussichtlich 1 Prozent für 2023. Die größten Risiken für das BIP-Wachstum liegen in der hohen Inflation, der Stromversorgung, sowie einer abflauenden Nachfrage aus dem In- und Ausland.
Die Binnennachfrage wird 2023 deutlich nachlassen, weil die Kosten für Kredite gestiegen sind und gleichzeitig die Reallöhne sinken. Der private Verbrauch ist eine wichtige Stütze des BIP-Wachstums. Um den Konsum nicht vollständig abzuwürgen, deckelt der Staat die Energiekosten für kleine Unternehmen und Haushalte bis 31. August 2023.
Der Export wird weiterhin einen negativen Beitrag zum BIP-Wachstum leisten und sich kaum erholen. Grund dafür sind die schlechten Konjunkturaussichten in Deutschland, Italien und Frankreich. Rumäniens Industrieproduktion wird voraussichtlich weiter stagnieren. Unternehmen leiden an hohen Kosten für Energie und kämpfen mit Lieferengpässen. Der rumänische Zentralbankrat warnt vor Insolvenzen. Mit dem wirtschaftlichen Abschwung nimmt der Staat weniger Steuern ein. Es wird schwieriger, das Haushaltsdefizit zu schmälern.
Arbeitsuchende finden zum Teil eine neue Beschäftigung im wachsenden Dienstleistungssektor. Gefragt sind sie im Einzelhandel, in Callcentern und für IT-Dienstleistungen. Angesichts einer sich allgemein verlangsamenden Wirtschaftsaktivität wird die Arbeitslosenquote 2023 voraussichtlich leicht auf 5,8 Prozent steigen, erwartet die EU-Kommission.
Einige Firmen haben es versäumt, langfristige Verträge für Stromlieferungen zu festgelegten Preisen abzuschließen. Rumänien ist zwar nicht auf Gasimporte aus Russland angewiesen, muss aber seit September 2022 die Republik Moldau teilweise mit Strom versorgen. Energieanalysten erwarten, dass Rumänien selber kurzfristig mehr als die bisherigen 10 Prozent des gesamten Stromverbrauchs importieren muss, um den Markt auszugleichen. Dies wird die Energiepreise weiter nach oben treiben, weil Unternehmen dann zum Teil die Spotmarkt-Preise akzeptieren müssen.
Indikator | 2020 | 2021 | Vergleichsdaten Deutschland 2021 |
---|---|---|---|
BIP (nominal, Mrd. Euro) | 220,5 | 240,2 | 3.602 |
BIP pro Kopf (Euro) | 11.440 | 12.560 | 43.292 |
Bevölkerung (Mio.) | 19,3 | 19,2 | 83,2 |
Wechselkurs (Jahresdurchschnitt 1 Euro = Rumänische Lei) | 4,84 | 4,92 | - |
Rumänien benötigt vor allem Investitionen in seine Infrastruktur. Zahlreiche Projekte zum Ausbau von Straßen und Stromtrassen, zur Modernisierung der Energieversorgung und im Bereich Digitalisierung fördert die Europäische Union (EU). In der neuen Förderperiode von 2021 bis 2027 stehen rund 80 Milliarden Euro im Rahmen des mehrjährigen Finanzrahmens und des Aufbau- und Resilienzplans bereit.
Die rumänische Regierung arbeitet mit Hochdruck daran, das Stromnetz auszubauen und neue Kapazitäten für die Stromerzeugung zu schaffen. Neben dem Ausbau von erneuerbaren Energien plant die Regierung bis 2030 eine Erweiterung des Atomkraftwerkes Cernavoda um zwei Reaktoren. Dafür stellt die US-amerikanische Exim-Bank einen Kredit von 3 Milliarden US-Dollar bereit.
Kurzfristig hat der Krieg das Investitionsklima eingetrübt. Mittel- und langfristig ist Rumänien aber ein interessanter Standort für Nearshoring. Die Ausrüstungsinvestitionen werden 2023 voraussichtlich um real 5,6 Prozent zulegen, schätzt die EU-Kommission. Das wiiw hingegen rechnet für 2023 nur mit 4 Prozent Zuwachs. Die Regierung kann EU-Fördergelder abrufen. Bisher liegt die Absorptionsquote der EU-Fonds bei 50 Prozent.
Projektbezeichnung | Investitionssumme (Mio. Euro) | Zeitraum der Realisierung | Projektträger |
---|---|---|---|
Hochgeschwindigkeitsbahnstrecke Constanta - Bukarest - Sibiu - Cluj-Napoca - Budapest | 17.000 | Projekt in Vorbereitung | |
Atomkraftwerk Cernavoda: Modernisierung des Reaktors 1; Bau von Reaktor 3 und 4 | 6.700 | Projekt in Vorbereitung; Finanzierung durch USA | |
6.430 | Fertigstellung: 2030; Machbarkeitsstudie in Vorbereitung; | ||
Modernisierung der Bahn-Linie Craiova-Turnu Severin - Caranșebeș (234 km) | 1.973 | Projekt in Vorbereitung | |
U-Bahn Bukarest: Ausbau Metrolinie 5: Eroilor - Universitate - Pantelimon (9 km) | 1.391 | Projekt in Vorbereitung | |
Transelectrica: Erweiterung des Stromnetzes, inklusive grenzüberschreitender Interkonnektivität | 1.170 | 2020 bis 2029 | |
Entwicklung einer grünen Stahlproduktion | 1.000 | bis 2030 | |
Produktion einer von Lithium-Ionen-Batterien für Anwendungen in der Industrie, für Smart Grids und für Automotive | 1.000 | bis 2025 | Prime Batteries und European Institute of Innovation & Techology |
Modernisierung der Stromerzeugung | 900 | Projekt in Vorbereitung | |
Ausbau der Elektroauto-Produktion in Craiova | 490 | bis 2024 |
Informationen zu aktuellen geberfinanzierten Projekten bieten die GTAI-Länderseite, Rubrik „Ausschreibungen“ und „Entwicklungsprojekte“ und die Seite für Ausschreibungen des rumänischen Staates.
Informationen zu EU-Binnenmarktausschreibungen bietet GTAI auf ihrer Internetseite an.
Verbraucher konsumieren preisbewusster, weil die Inflation die realen Einkommen teils schrumpfen lässt. Die jährliche Inflation liegt laut Zentralbank für 2022 voraussichtlich bei 13,9 Prozent, die durchschnittliche nominale Lohnwachstumsrate nur bei 11 Prozent. In Rumäniens Privathaushalten entfallen rund 60 Prozent der Ausgaben auf Lebensmittel.
Um die Inflation einzudämmen, hob die Zentralbank zuletzt im November 2022 den Leitzins von 6,25 auf 6,75 Prozent an. Die Zinsen für Kredite sind auf 7,75 Prozent gestiegen. Dies wird die Nachfrage nach Verbraucherkrediten schwächen und damit auch die Binnennachfrage. Teurer geworden sind auch die Finanzierungskosten für private Eigenheime. In Landeswährung stiegen die Hypothekenzinsen von 2,2 auf 8,0 Prozent.
Der Außenhandel ist geprägt von Lieferkettenunterbrechungen und Engpässen bei Vorprodukten, wie etwa Halbleitern oder Aluminium für die Automobilindustrie. Dies verringert die Auslastung der Produktionskapazitäten und damit auch die Exporterträge Rumäniens.
Für 2023 rechnet das wiiw mit einem verlangsamten Exportwachstum von voraussichtlich 7 Prozent, hingegen im Jahr 2022 noch mit schätzungsweise 20 Prozent Zuwachs. Die Nachfrage nach rumänischen Waren und Gütern wird sich weiter eintrüben, weil eine mäßige Konjunkturentwicklung in der EU bevorsteht. Die Wirtschaft in Rumäniens größten Absatzmärkten Deutschland, Frankreich und Italien ist geschwächt.
Eine geringere inländische Nachfrage mindert das Handelsbilanzdefizit. Die Einfuhren überwiegen aber weiter die Ausfuhren und drücken die Leistungsbilanz Rumäniens ins Minus. Die Leistungsbilanz wird 2023 voraussichtlich mit minus 9,2 Prozent abschließen, schätzt das wiiw.
2020 | 2021 | Veränderung | |
---|---|---|---|
Importe (fob, Waren) | 80,5 | 98,4 | 22,2 |
Exporte (cif, Waren) | 61,8 | 73,9 | 19,6 |
Handelsbilanzsaldo | -18,7 | -24,5 |
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