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Fachkräfte
Rekordbeschäftigung und steigende Realeinkommen erschweren die Suche nach Arbeitskräften. Viele Unternehmen sind auf Bewerber aus dem Ausland angewiesen.
11.06.2025
Von Kirsten Grieß | Ljubljana
Seit der Coronakrise ist die Zahl der Erwerbstätigen in Slowenien kontinuierlich gewachsen. Die Beschäftigung erreichte Ende 2023 laut slowenischem Wirtschaftsforschungsinstitut (IMAD) mit 1,1 Millionen Erwerbstätigen ein Rekordhoch. Seither hat sich die Dynamik deutlich verlangsamt. Im 4. Quartal 2024 registrierte IMAD sogar einen Rückgang der Beschäftigung um 0,3 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum.
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Weiter sinkende Arbeitslosenquote
Ein Teil des Beschäftigungsrückgangs ist auf saisonale Effekte zurückzuführen. Er ist aber auch Folge der aktuell schwierigen Lage im verarbeitenden Gewerbe. Allein der Kfz-Zulieferer Mahle baute 2024 bereits 170 Stellen ab, für 2025 sind 600 Kürzungen angekündigt. Die Zahl der registrierten Arbeitslosen sank 2024 laut nationalem Arbeitsamt dennoch auf 4,6 Prozent – der niedrigste Wert seit 2001. Dieses Niveau könnte nach IMAD-Prognosen auch in den kommenden Jahren stabil bleiben.
In Slowenien ist der Arbeits- und Fachkräftemangel seit Jahren ein strukturelles Problem. Sinkende Arbeitslosenzahlen bei gleichzeitigem Beschäftigungsrückgang deuten darauf hin, dass Unternehmen Stellenkürzungen vorrangig über Rentenabgänge bewältigen. Zudem arbeitet die Regierung an einem Kurzarbeitsgesetz. Die Aussicht darauf trug sicher auch dazu bei, dass es zu keinen größeren Entlassungswellen in der Industrie kam. Der Anteil befristeter Arbeitsverhältnisse ist rückläufig. Nur 10,6 Prozent aller Beschäftigungen basierten 2024 auf Zeitverträgen (2017: 17,6 Prozent).
Leiharbeit ist in der Industrie weit verbreitet
Auf der Suche nach Arbeitskräften greifen slowenische Unternehmen vermehrt auf Angebote der Arbeitnehmerüberlassung zurück. Laut Eurostat waren 5,8 Prozent aller Beschäftigten 2024 Leiharbeiter. Das ist mehr als das Doppelte des EU-Durchschnitts von 2,3 Prozent. Am häufigsten sind Leiharbeiter im verarbeitenden Gewerbe anzutreffen. Einer Teilzeitbeschäftigung gingen 8,8 Prozent der Erwerbstätigen zwischen 15 und 64 Jahren nach.
Eine Besonderheit des slowenischen Arbeitsmarktes ist die niedrige Erwerbsquote bei älteren Menschen (55- bis 64-Jährige), die mit 56,3 Prozent deutlich unter dem EU-Durchschnitt von 65,2 Prozent liegt. Bei 40 Beitragsjahren können Arbeitnehmer mit 60 Jahren in Rente gehen. Für alle anderen liegt die Altersgrenze nach mindestens 15 Beitragsjahren bei 65 Jahren. Der Entwurf eines neuen Rentengesetzes sieht die stufenweise Anhebung der Renteneintrittsalters um zwei Jahre vor. Das Gesetz setzt auch Anreize zur Verlängerung der Erwerbstätigkeit: Geplant sind etwa zusätzliche Rentenpunkte für weitere Arbeitsjahre.
Slowenen verfügen über hohes Bildungsniveau
Personalberater loben die hohe Qualität des slowenischen Bildungssystems und das Ausbildungsniveau lokaler Arbeitskräfte. Fast jeder Dritte im erwerbsfähigen Alter verfügte 2024 über einen Hochschulabschluss. Fremdsprachenkenntnisse in Englisch und Deutsch sind weit verbreitet. Das Ausbildungsprofil slowenischer Absolventen bilde insgesamt recht gut die Stärken der slowenischen Wirtschaft ab, meint der Geschäftsführer des im Land führenden Personaldienstleisters Kariera, Tilen Prah.
Fehlendes Personal in der Produktion und im Tourismus
Gleichwohl reicht der Arbeitskräftepool von rund 1 Million aktiven Erwerbstätigen nicht aus, um die Bedarfe der Wirtschaft zu decken. Fach- und Arbeitskräfte fehlen in so gut wie allen Berufen. Einer Umfrage des slowenischen Arbeitsamtes (ZRSZ) von Ende 2024 zufolge werden im 1. Halbjahr 2025 vor allem Lkw-Fahrer, Hilfskräfte im verarbeitenden Gewerbe, Verkäufer, Schweißer, Gesundheits- und Sozialarbeiter sowie Elektroinstallateure gesucht. Besonders schwer sei es für Unternehmen, Positionen auf Einstiegslevel zu besetzen, so Kariera-Chef Prah.
Der Chef-Recruiter der Personalagentur Workforce, Boštjan Grobler, sieht bei produktionsfernen Branchen, etwa im Handel oder in der Informationstechnik durchaus noch Potenzial, inländische Arbeitskräfte zu finden. Schlecht stünden die Chancen aber im verarbeitenden Gewerbe. Bei der Suche nach Arbeitern in der Produktion sei man mittlerweile auf ausländische Bewerber angewiesen. Genauso wie im Tourismus. Besonders angespannt sei die Lage in der Hauptstadt Ljubljana, in den industriellen Zentren um Novo mesto und Maribor sowie in den touristisch geprägten Regionen Gorenjska und Goriška in Grenznähe zu Österreich und Italien.
Erleichterte Beschäftigung ausländischer Arbeitskräfte
Aktuell stammen 124.000 der rund 1 Million aktiven Beschäftigten in Slowenien aus Drittländern. Davon kommen über 93 Prozent aus den Ländern des ehemaligen Jugoslawiens. Arbeitskräfte aus Asien und Afrika stellen momentan nur einen kleinen Teil ausländischer Beschäftigter. Und bei der Integration gebe es noch keine Probleme, berichtet Boštjan Grobler. Erklärtes Ziel der Regierung ist es, dass der Anteil ausländischer Arbeitskräfte aus Drittländern 20 Prozent der arbeitenden slowenischen Bevölkerung nicht überschreitet.
Die Zielmarke ist noch fern und die Anwerbung ausländischer Beschäftigter wird von staatlicher Seite gefördert. Etwa indem die Regierung seit Jahren sukzessive die Beschäftigungsvoraussetzungen von Ausländern aus Drittstaaten lockert. Zuletzt wurde die Anerkennung beruflicher Qualifizierungen ausländischer Arbeitskräfte gesetzlich erleichtert und die Anforderungen an das Gehaltsniveau heruntergesetzt. Die Regelungen für Saisonarbeit gelten künftig auch für Tätigkeiten im Tourismus und Gastgewerbe.
Gleichzeitig sucht Slowenien im Ausland aktiv nach Arbeitskräften. Partnerland sind etwa die Philippinen. Mitte März 2025 eröffnete in Manila eine slowenische Botschaft, was von einer Jobmesse flankiert wurde. Auch ein bilaterales Beschäftigungsabkommen wird vorbereitet.
Darüber hinaus geraten Auslandsslowenen in den Fokus der Regierung: Die slowenische Arbeitsagentur kündigte im März 2025 gezielte Maßnahmen zur Rückgewinnung der slowenischen Diaspora an. Auswanderer sollen unter anderem durch steuerliche Anreize zurück ins Land gelockt werden.