Wirtschaftsausblick | Tschechische Republik
Inlandsnachfrage sichert Tschechiens Wachstum
Die tschechische Wirtschaft bleibt auf Wachstumskurs, allerdings mit angezogener Handbremse. Die schwache Konjunktur auf den Exportmärkten verhindert eine stärkere Dynamik.
30.05.2025
Von Gerit Schulze | Prag
Top-Thema: Rüstungsindustrie gewinnt an Bedeutung
Tschechien will die Ausgaben für die Landesverteidigung in den kommenden Jahren erheblich ausweiten. Der Wehretat soll bis 2030 von aktuell rund 2 Prozent auf 3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) anwachsen. Für 2026 ist ein Verteidigungsbudget von fast 8 Milliarden Euro eingeplant.
Damit ist der Weg frei für höhere Investitionen in die Rüstungsindustrie. Neue Projekte haben unter anderem die STV Group und der größte Waffenhersteller des Landes, CSG, angekündigt. Denn die einheimische Wirtschaft erhofft sich vom Kursschwenk der Regierung neue Aufträge und eine Kompensation für wegbrechende Geschäfte im zivilen Bereich. Einige Automobilzulieferer bieten ihre freigewordenen Kapazitäten nun der Rüstungsindustrie an. Dazu gehören laut Medienberichten Motor Jikov und Koh-i-noor. Der Maschinenbauer PBS Group verzeichnet steigende Aufträge für Motoren von Drohnen- und Raketenherstellern.
Tschechiens Rüstungsindustrie ist besonders bei Handfeuerwaffen, Artillerieausrüstungen, Munition und Radargeräten gut aufgestellt. Den Großteil ihrer Umsätze erzielt die Branche im Ausland. Immer häufiger investieren die Unternehmen dort direkt, darunter in den USA, in Spanien und in Deutschland.
Wirtschaftsentwicklung: Wachstum auf niedrigem Niveau
Die Schätzungen für das tschechische BIP mussten in den letzten Monaten nach unten korrigiert werden. Zwar bleibt das Land auf Wachstumskurs, doch der Aufschwung fällt schwächer aus als erwartet. Besonders die dominante Automobilindustrie verzeichnet weniger Neuaufträge. Das Ordervolumen der verarbeitenden Industrie insgesamt stagnierte im 1. Quartal 2025.
Laut den Frühjahrsprognosen erwarten 2025 nur noch das tschechische Finanzministerium und die Nationalbank ČNB ein Wirtschaftswachstum von 2 Prozent. Andere Institutionen wie die Europäische Kommission oder der Internationale Währungsfonds bleiben unter dieser Marke.
US-Zusatzzölle hätten nur wenig Einfluss
Sollte US-Präsident Donald Trump an hohen Strafzöllen festhalten, könnte der BIP-Anstieg um weitere 0,6 bis 0,7 Prozentpunkte niedriger ausfallen, schätzt das Finanzministerium. Auf die USA entfielen 2024 zwar nur 2,7 Prozent der tschechischen Warenexporte. Bei einzelnen Warengruppen wie Triebwerken, Pistolen oder Kleinflugzeugen spielen die USA aber eine wichtige Rolle als Absatzmarkt. Außerdem landen viele tschechische Erzeugnisse in deutschen Endprodukten, die anschließend in die USA exportiert werden.
Konsumenten halten die Wirtschaft am Laufen
Unabhängig von den globalen Verwerfungen bleiben die Wachstumskräfte im Inland intakt. In der Bauwirtschaft, im Dienstleistungssektor und im Handel lag der vom Statistikamt ČSÚ ermittelte Vertrauensindex im Mai 2025 deutlich über dem Vorjahreswert.
Dazu tragen besonders die Privatverbraucher bei. Sie haben den Inflationsschock der Jahre 2022 und 2023 überwunden und die Lust am Konsum wiederentdeckt. Die Reallöhne sollen laut Finanzministerium 2025 um 4,1 Prozent und 2026 um 3,1 Prozent zulegen. Die Umsätze im Einzelhandel stiegen 2024 so stark wie seit 2018 nicht.
Auch wenn erste Massenentlassungen stattfinden, bleibt die Arbeitslosigkeit auf dem niedrigen Niveau des Vorjahres. Es gibt allerdings weniger offene Stellen als in den Vorjahren.
Zurückhaltung bei Investitionen
Sehr zurückhaltend sind die Betriebe bei Investitionen. Laut Finanzministerium schrumpften die Bruttoanlageinvestitionen 2024 real um 1,2 Prozent. Vor allem die Ausgaben für IT-Technik und Maschinen gingen zurück. Dagegen investierten Unternehmen und Staat mehr in Fahrzeuge und Immobilien.
Für 2025 wird ein leichter Anstieg der Bruttoanlageinvestitionen um 0,7 Prozent prognostiziert. Dazu könnten einige Großprojekte wie der Erweiterungsbau der Onsemi-Chipfabrik in Mähren beitragen. Außerdem rechnet die Regierung mit mehr staatlichen Investitionsausgaben aus der Aufbau- und Resilienzfazilität und den klassischen EU-Fonds. Mehr Geld ist für Autobahnen und das Eisenbahn-Hochgeschwindigkeitsnetz eingeplant.
Die weitere Entwicklung hängt auch von den Wahlen zum Abgeordnetenhaus am 3. und 4. Oktober 2025 ab. Alle Umfragen sehen eine Abwahl der Regierungskoalition und einen Wahlsieg der Oppositionsbewegung ANO voraus. Das Bündnis des Unternehmers Andrej Babiš gilt als populistisch und wirtschaftsliberal. In europapolitischen Fragen nimmt ANO oft eine EU-kritische Haltung ein.
Außenhandel fällt als Wachstumstreiber aus
Wichtiger als eine neue Regierung wird jedoch die Konjunkturentwicklung auf den Auslandsmärkten sein. Nach Prognosen des Finanzministeriums steigen die tschechischen Exporte 2025 und 2026 weitaus langsamer als die Importe. Damit zieht der Außenhandel das Wirtschaftswachstum in den kommenden beiden Jahren nach unten.
Deutsche Perspektive: Wenig Optimismus bei den Unternehmen
Deutschlands Außenhandel mit Tschechien ist 2024 laut Destatis um 4 Prozent geschrumpft. Das lag vor allem an weniger Lieferungen von Autos und Kfz-Teilen. Außerdem sank der Bedarf an deutschen Maschinen, Chemikalien, Kunststoffen und Metallerzeugnissen.
Trotz der rückläufigen Umsätze rückte Tschechien 2024 wieder in die Top 10 der größten deutschen Handelspartner vor. Als Beschaffungsmarkt lag es sogar auf Platz 7. Tschechische Unternehmen verbinden große Hoffnungen mit Berlins Sondervermögen für Rüstung und Infrastruktur, von denen sie sich neue Aufträge versprechen.
Die deutschen Unternehmen in Tschechien blicken beunruhigt auf die Konjunkturentwicklung. Bei der Frühjahrsumfrage der Auslandshandelskammer (AHK) in Prag glaubten nur 17 Prozent der Firmen an eine positive Wirtschaftsentwicklung für 2025. Besonders angespannt ist die Lage im verarbeitenden Gewerbe, während die Stimmung im Baugewerbe und im Dienstleistungssektor positiver ist. Gut ein Drittel der Unternehmen will die Investitionen erhöhen.
Weitere Informationen (zum Beispiel Rechtsinformationen oder Branchenberichte) finden Sie auf unserer Länderseite Tschechische Republik.