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Wirtschaftsumfeld | Taiwan | Arbeitsmarkt

Arbeitskräftemangel bereitet weiter Sorgen

Aufgrund rückläufiger Geburten werden Arbeitskräfte in Taiwan rar. Die Regierung versucht gegenzusteuern. Sie will Frauen und ausländische Beschäftigte stärker einbinden.

Von Alexander Hirschle | Taipei

Trotz der Konjunkturflaute in Taiwan bleibt der Arbeitsmarkt für Firmen angespannt. Der größte Mangel an qualifizierten Arbeitskräften droht nach Einschätzung von Experten in den Sektoren Halbleitern, künstliche Intelligenz und erneuerbare Energien. Auch im Bereich Offshore-Windkraft fehlen seit etwa drei Jahren Mitarbeiter; dies entlang der kompletten Lieferkette. Die Branche wird massiv ausgebaut.

Noch gravierender ist die Situation in der boomenden Halbleiterbranche. Die massiven Produktionserweiterungen befeuern die Nachfrage nach Beschäftigten. Allein Branchengigant TSMC (Taiwan Semiconductor Manufacturing Co.) plant zwischen 2022 und 2024 Investitionen von 100 Milliarden US-Dollar (US$). Die Zahl der in diesem Sektor angestellten Personen stieg zwischen 2019 und 2021 um 30 Prozent auf knapp 300.000 an.

Brain-Drain in Richtung Halbleiterindustrie

Andere Sektoren beklagen angesichts des begrenzten Arbeitskräftepotenzials auf der Insel einen Brain-Drain in Richtung Chipbranche. Vor allem im Gastgewerbe zeigt sich der Mangel an Beschäftigten angesichts der dort üblichen niedrigen Löhne sehr deutlich. In Folge der aufgehobenen Covid-Restriktionen steigt die Nachfrage nach Arbeitskräften in Hotels und Restaurants wieder deutlich an. Aber auch andere Sektoren wie E-Commerce, Gesundheit und Logistik haben nach Informationen der Recruiting-Agentur Robert Walters Schwierigkeiten, qualifizierte Arbeitskräfte zu rekrutieren.

Ein hemmender Faktor für die Angebotsseite ist die niedrige Geburtenrate bei gleichzeitig starker Alterung der Bevölkerung. Die Zahl der Geburten ging in den vergangenen Jahren deutlich zurück. Die Bevölkerung schrumpft seit 2020 um rund 100.000 Menschen pro Jahr und könnte bis 2070 auf 15 Millionen Einwohner fallen. Auch die Zahl der Schul- und Universitätsabsolventen sinkt zusehends.

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Ausländische Arbeitskräfte gesucht

Die Regierung versucht, auf verschiedenen Ebenen gegenzusteuern. So will sie die Englischkenntnisse der Bevölkerung stark verbessern und bis 2030 zu einer "bilingualen Nation" avancieren. Ebenso soll es den Firmen in Taiwan erleichtert werden, Kandidaten von Top-Universitäten weltweit auch ohne Berufserfahrung direkt zu rekrutieren. Darüber hinaus will die Regierung auf Studienmessen in Südostasien für die Insel als attraktive Destination für Universitätsabsolventen werben.

Bereits 2018 hat Taiwan die sogenannte "Gold Card" für hochqualifizierte internationale Arbeitskräfte eingeführt. Auch gewann der Archipel durch das gelungene Management der Coronakrise als Standort stark an Anziehungskraft.

Angesichts zunehmenden Drucks aus zahlreichen Branchen intensiviert die Regierung derweil ihre Bemühungen, ausländische Beschäftigte im Niedriglohnsektor, sogenannte Migrant Workers, anzuziehen. Sie passt dazu gesetzliche Regularien an und schließt mit Drittländern in Südostasien Absichtserklärungen (Memorandum of Understanding, MoU) ab. Indonesische Arbeitskräfte sind Medieninformationen zufolge vorwiegend in der Pflege tätig, thailändische Immigranten auf dem Bau. Beschäftigte aus den Philippinen und Vietnam finden hauptsächlich in der Industrie Arbeit.

Taiwan gilt gemäß einer Untersuchung des Instituts IMD (International Institute for Management Development) im globalen Vergleich in der Kategorie "Talent" des World Competitive Index als relativ attraktiver Arbeitsmarkt. Die Insel verlor im Ranking 2022 zwar drei Positionen, landete aber auf Platz 19 unter 64 untersuchten Märkten. Taiwan lag damit aber immer noch auf Rang drei in Asien hinter Singapur (Rang 12) und Hongkong (14). In einer anderen Untersuchung des Online-Netzwerks InterNations belegte Taiwan 2022 zum wiederholten Mal hintereinander Rang eins bei den attraktivsten Destinationen für Expats.

Stärkere Einbindung von Frauen gefordert

Die Erbwerbstätigenquote lag 2020 nach Angaben der Regierungsbehörde Directorate General of Budget, Accounting and Statistics (DGBAS) für Männer bei 67,2 Prozent und damit um nur knapp einen Prozentpunkt über dem Vergleichswert von 2010. Die entsprechende Rate für Frauen rangierte 2020 mit 51,4 Prozent deutlich niedriger als bei Männern und war im Vergleich zu 2010 auch nur um 1,5 Prozentpunkte gestiegen. Arbeitsmarkexperten fordern aus diesem Grund noch mehr Anstrengungen, um durch die stärkere Einbindung von Frauen dem Arbeitskräftemangel entgegenzuwirken.

Unter anderem könnten mehr Teilzeitbeschäftigungsverhältnisse die Integration von Frauen in den Arbeitsmarkt erleichtern. 2021 waren nach Angaben des Arbeitsministeriums nur 3,2 Prozent aller Frauen in Halbtagsbeschäftigungen tätig. Die Zahl lag damit deutlich unter den Vergleichswerten in anderen asiatischen Ländern. In Japan lag sie bei knapp 26 Prozent oder in Südkorea bei gut 16 Prozent. Im Frühjahr 2023 hat die Finanzaufsicht FSC (Financial Supervisory Commission) bekannt gegeben, dass bei Börsengängen in Taiwan künftig mindestens ein weibliches Mitglied im Vorstand vertreten sein muss. Derzeit haben fast 30 Prozent der börsennotierten Firmen auf der Insel keine Frau im Vorstand, also dem Board of Directors.

Gender Gap sinkt, ist aber immer noch relativ hoch

Das Lohngefälle zwischen Frauen und Männern beträgt 2022 nach Erhebungen der Shih Hsin University rund 15 Prozent, hat sich aber innerhalb der letzten Dekade um drei Prozentpunkte verringert. Im Gender Gap Index (GGI) des World Economic Forums belegte Taiwan 2021 Rang 38 unter 156 untersuchten Volkswirtschaften. Damit lag die Insel noch vor anderen Ökonomien in der Region wie Singapur (Platz 55), Südkorea (103), China (108) und Japan (121).

Trotz dieser positiven Entwicklungen kritisieren akademische Kreise, dass die Situation für Frauen noch verbesserungsbedürftig sei. Im Vergleich mit den 27 Ländern der Europäischen Union (EU) läge Taiwan nur auf Rang 19 in Bezug auf die Gleichheit der Entlohnung. Auch würden nur 9 Prozent der insgesamt 149 taiwanischen Universitäten von Frauen geleitet.

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