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Branchen | Tschechische Republik | Elektromobilität

Fehlstart für Elektromobilität in Tschechien

Tschechien gehört in Europa zu den Schlusslichtern beim Verkauf von Elektroautos. Das soll sich dank neuer Ladeinfrastruktur und europäischer Fördermittel ändern.

Von Gerit Schulze | Prag

Autokäufer in Tschechien sind äußerst skeptisch gegenüber batteriebetriebenen Fahrzeugen. Zwischen Januar und September 2023 lag der Anteil bei unter 3 Prozent an den Neuzulassungen. In Deutschland waren im gleichen Zeitraum 18 Prozent der Neuwagenverkäufe reine Elektroautos (ohne Hybridmodelle). Zusammen mit der Slowakei ist Tschechien das Schlusslicht in der EU. 

Zulassung von neuen Elektrofahrzeugen in der Tschechischen Republik (Stückzahl, Anteil und Veränderungen in Prozent)*

Kategorie

2019

2020

2021

2022

Januar bis September 2023

Veränderung Januar bis September 2023 / Januar bis September 2022

Pkw

636

2.866

2.646

3.892

4.628

61,3

Anteil an den Gesamtzulassungen

0,25

1,41

1,28

2,03

2,76

-

leichte Nutzfahrzeuge

33

44

172

134

251

239,2

Anteil an den Gesamtzulassungen

0,16

0,26

0,87

0,79

1,57

-

Lkw

0

0

2

4

8

166,7

Anteil an den Gesamtzulassungen

0,00

0,00

0,02

0,04

0,10

-

Busse

4

6

2

40

3

-90,9

Anteil an den Gesamtzulassungen

0,33

0,44

0,20

3,29

0,55

-

* Reine Elektrofahrzeuge, ohne Hybridmodelle.Quelle: Verband der Autoimporteure (SDA) 2023

Viele Vorbehalte gegenüber der Technologie

Im Autoland Tschechien gibt es viele Vorbehalte gegenüber der neuen Antriebstechnologie. Das bestätigten Experten auf dem "Forum Elektromobilita" - einer Fachkonferenz, die Mitte Oktober 2023 in Prag stattfand (Organisatoren LEEF Technologies und Economia-Verlag). Der Marketingchef von Škoda Auto, Jiří Maláček, nannte die drei am häufigsten vorgetragenen Bedenken: geringe Reichweite, zu wenig Ladepunkte, hoher Anschaffungspreis. 

Anders als Deutschland vergibt die tschechische Regierung keine Kaufprämien für Elektroautos. Zu teuer und zu ineffizient hält das Handels- und Industrieministerium solche Anreizsysteme. Stattdessen soll massiv in den Ausbau der Ladeinfrastruktur investiert werden. 

Drei Energieversorger dominieren Ladenetz

Das landesweit größte Ladenetz betreibt der halbstaatliche Energiekonzern ČEZ. Laut Strategievorstand Pavel Cyrani entfallen auf ČEZ 29 Prozent der installierten Gesamtleistung, dahinter folgen der Prager Energieversorger PRE mit 28 Prozent und E.ON mit 10 Prozent. 

Die Zahl der Ladestationen in Tschechien hat sich in den vergangenen zwei Jahren mehr als verdoppelt. Bis Jahresende 2023 soll es fast 2.900 öffentliche Anlaufstellen geben. Martin Gajdoš, Strategiechef beim tschechischen Petrochemiekonzern Orlen Unipetrol, rechnet mit einem regelrechten Boom beim Ausbau der Infrastruktur. Nach seinen Schätzungen könnten bis 2035 bereits 35.000 Ladestationen bereit stehen. Der Bestand an Elektroautos soll bis dahin auf 550.000 steigen. Derzeit sind in Tschechien knapp 24.000 Fahrzeuge mit Batterieantrieb registriert. 

Angesichts des erwarteten Booms investieren die führenden Ladesäulenbetreiber massiv in den Ausbau des Netzes. Orlen Unipetrol will bis 2030 rund 800 neue Stromtankstellen in Betrieb nehmen.

Bis Ende 2024 installiert Marktführer ČEZ 85 ultraschnelle Ladesäulen mit mehr als 150 Kilowatt Leistung und erhöht deren Anzahl so auf 110. Für die Investitionen nutzt ČEZ Fördermittel aus der Connecting Europe Facility und aus EU-Fonds über das Operationelle Programm Verkehr.

Betrieb der Ladesäulen noch nicht profitabel

ČEZ rechnet damit, 2023 insgesamt 5 Millionen Kilowattstunden (kWh) emissionsfreien Strom über seine Ladesäulen zu verkaufen. Konzern-Vorstand Pavel Cyrani räumt allerdings ein, dass der Betrieb nicht profitabel sei, weil es noch zu wenig Nutzer gibt. Die Zahl der Ladestationen wachse prozentual schneller als die Zulassung von Elektroautos in Tschechien, sagte Cyrani beim Forum Elektromobilita in Prag. Die Auslastung der Ladestationen (Nutzung der verfügbaren Energiemenge) sei von 2 Prozent (2020) auf 1,5 Prozent im laufenden Jahr gesunken.

Dennoch darf Tschechien als wichtiger Automobilstandort bei der Elektromobilität nicht den Anschluss verlieren. Von den 1,2 Millionen produzierten Pkw im Land hatten 2022 rund 7 Prozent (87.000) einen reinen Batterieantrieb; 4 Prozent (48.000) waren Plug-in-Hybride. Diese Autos sollen auch auf dem Heimatmarkt Erfolg haben. 

Škoda setzt immer mehr auf Batterieautos

Dafür braucht Tschechien eine flächendeckende Ladeinfrastruktur. Das weiß auch der größte Fahrzeughersteller des Landes, Škoda Auto, der seinen Fokus immer stärker auf Elektromobilität lenkt. Die Volkswagen-Tochter kooperiert mit tschechischen Stromversorgern, der Regierung sowie der Straßen- und Eisenbahnverwaltung, um das Netz enger zu knüpfen. Außerdem schließt sie Abkommen mit Betreibern von Schnellrestaurants oder Einkaufszentren ab, damit dort neue Ladesäulen entstehen. 

Škoda Auto plant 2024 die Markteinführung des Škoda Elroq, einem kompakten Elektro-Geländewagen (SUV). Ab 2025 kommt ein neues elektrisches Einstiegsmodell in der Kleinwagenklasse, und der Enyaq erhält ein Facelift. Für 2026 kündigt Škoda sein Batterie-Spitzenmodell an - einen siebensitzigen Familienvan. 

Prag und Brno wollen Vorreiter sein

Die beiden größten Städte Tschechiens treiben die emissionsfreie Mobilität besonders engagiert voran. In Brno kümmert sich der kommunale Energieversorger Teplárny Brno um den Ausbau des Ladenetzes. Durch eigene Solaranlagen und Kraft-Wärme-Kopplung produziert das Unternehmen bereits 413.000 Megawattstunden Strom pro Jahr, der für die Ladesäulen genutzt werden könnte, teilte Projektleiter Tom Kratochvíl bei der Konferenz mit. Bis 2025 soll die Mehrheit der Einwohner Zugang zu einer von 200 Standorten haben. Bis 2030 plant Teplárny Brno ein Netz von 500 Ladestationen. Eine wichtige Rolle spielen Hubs in dicht besiedelten Wohngebieten mit bis zu 40 Ladepunkten.

 

Die Stadtverwaltung Prag hat einen Ausbauplan bis 2030 entwickelt und geht davon aus, dass bis dahin 30 Prozent der Autos in der Stadt elektrisch unterwegs sind (200.000 Fahrzeuge). Dafür müssten bis zu 9.000 Ladepunkte entstehen. Ende 2022 gab es erst 575. Um den Ausbau zu beschleunigen, will Prag über ein Konzessionsmodell private Investoren beteiligen. Das erklärte Daniel Mazur, der beim Magistrat der Stadt für innovative Technologien zuständig ist. Außerdem sollen verstärkt Straßenlaternen als Ladesäulen genutzt werden. Nach Mazurs Angaben hat sich Prag bereits Inspirationen in Berlin und München geholt.

Firmenflotten könnten dem Markt Impulse geben

Ein Treiber für die Elektromobilität könnten die Firmenflotten werden. Laut Verband der tschechischen Automobilindustrie (AutoSAP) sind sieben von zehn Neuwagen Firmenautos. Auch in tschechischen Unternehmen wird immer mehr Wert auf ökologische Aspekte (Stichwort Environmental, Social and Corporate Governance) gelegt, meint ČEZ-Manager Cyrani. Damit rückten Elektroautos stärker in den Fokus. 

Eine Umfrage des Beratungsunternehmens EY unter 50 Flottenmanagern in Tschechien zeigte im Frühjahr 2023 jedoch, dass nur jede fünfte Firma eine positive Einstellung zu Elektroautos hat. Ähnlich wenig Unternehmen haben eine Ladeinfrastruktur aufgebaut oder planen dies. Der Anteil der Batterieautos an den Fuhrparks liegt zwischen 1 und 10 Prozent. An den Aufbau von Ladesäulen für die Privatautos der Beschäftigten denkt nur ein Bruchteil der Arbeitgeber.

Diese Zahlen schlagen sich auch im Ranking des internationalen Flottenmanagers LeasePlan nieder. Im EV Readiness Index 2023 liegt Tschechien auf Platz 21 von 22 untersuchten Märkten in Europa, nur knapp vor Polen. Der Index bewertet den Anteil von Batterieautos in Firmenflotten, den Stand der Infrastruktur und die Gesamtbetriebskosten, bei denen Energiepreise, Leasinggebühren und öffentliche Anreize berücksichtigt sind. 

EU gibt 700 Millionen Euro Fördermittel

Für mehr öffentliche Anreize sorgen zumindest die EU-Fonds, aus denen Tschechien in den nächsten Jahren erhebliche Summen schöpfen kann. Für den Aufbau von Ladeinfrastruktur und für die Anschaffung von Elektroautos durch Städte und Gemeinden sowie für den öffentlichen Nahverkehr stehen bis 2027 fast 700 Millionen Euro zur Verfügung.

Tschechien: EU-Förderung zum Aufbau der Ladeinfrastruktur
Förderprogramm

Förderung in Millionen Euro *

Nationaler Aufbauplan 2021 bis 2025


 

Ladesäulen in Wohngebäuden

6

Anschaffung von Elektroautos und Bau von Ladesäulen durch Gemeinden und NGOs

24

Anschaffung von Elektroautos und Bau von Ladesäulen durch Unternehmen

81

Operationelles Programm Verkehr (EU-Kohäsionsfonds, 2021 bis 2027)


 

Öffentliche Ladeinfrastruktur für Elektroautos und Wasserstoffautos

243

Integriertes regionales operationelles Programm IROP (EU-Kohäsionsfonds, 2021 bis 2027)


 

Anschaffung von emissionsarmen Fahrzeugen für den öffentlichen Nahverkehr und Bau von Ladeinfrastruktur

336

* Umgerechnet zum EZB-Wechselkurs am 13.10.2023: 1 Euro = 24,67 Tschechische Kronen (Kč).Quelle: Ministerium für Industrie und Handel (MPO), Vortrag beim Forum Elektromobilita, Oktober 2023

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