Wirtschaftsausblick I Turkmenistan
Turkmenistans tatsächliches Wachstum hinkt Prognosen hinterher
Die Wirtschaft Turkmenistans wächst offiziell jährlich um etwa 6 Prozent. Inoffiziell sind die Zuwächse weit geringer. Infrastruktur- und Industrieprojekte bieten Lieferchancen.
02.05.2025
Von Uwe Strohbach | Aschgabad
Top-Thema: Turkmenistan klinkt sich stärker in internationale Verkehrskorridore ein
Das Land am Kaspischen Meer gilt immer noch als verschlossen. Doch im Transport- und Logistiksektor bewegt sich was. Seit Oktober 2023 ist Turkmenistan beim internationalen Verkehrsprojekt TRACECA dabei, das Europa über den Kaukasus mit Zentralasien verbinden soll. Der Ausbau des Gleisnetzes des Landes ist bereits angelaufen, genauso wie die Digitalisierung der Verkehrsinfrastruktur. Gemeinsam mit anderen TRACECA-Anrainern werden mehrere Güterverteilzentren geplant, so an der Grenze zu Usbekistan (Farap-Alat) und im russischen Astrachan.
Turkmenistan ist auch bestrebt, den Warentransit durch weniger Formalitäten zu vereinfachen. Der geplante Beitritt zum Übereinkommen zur Erleichterung des Internationalen Seeverkehrs (FAL) soll dafür den Weg ebnen.
Wirtschaftsentwicklung: Gasförderung und Bauprojekte stützen die Wirtschaft
Die Regierung rechnet für 2025 und 2026 mit einer Steigerung des Bruttoinlandsproduktes (BIP) um jeweils gut 6 Prozent. Geberbanken erwarten ähnliche Wachstumsraten. Diese Prognosen und ebenso die bisher offiziell gemeldeten Zuwächse sind aber kritisch zu hinterfragen, da Turkmenistan bei der gesamtwirtschaftlichen Betrachtung nur sehr beschränkt international üblichen Berechnungsmethoden nutzt. Zudem gilt die Inflation als unterbewertet und die Devisenpolitik als intransparent.
Einen alternativen Ansatz verfolgt der Internationale Währungsfonds (IWF), was sich in seinen Prognosen niederschlägt. Demnach wird Turkmenistans BIP mit jeweils 2,3 Prozent in den Jahren 2025 und 2026 deutlich langsamer wachsen.
Die Rahmenbedingungen in dem 7-Millionen-Einwohner-Land bleiben schwierig. Die überschaubare Zahl privater Unternehmen erbringt bislang nur knapp ein Sechstel der Industrieproduktion. Sie profitieren mittlerweile aber von der an Dynamik zunehmenden Diversifizierung der Wirtschaft. Haupttreiber der Entwicklung ist und bleiben aber die Förderung und Verarbeitung von Erdgas durch den Staatskonzern Turkmengaz und seine Partner.
Investitionsquote verharrt auf niedrigem Niveau
Die jährlichen Bruttoanlageinvestitionen werden sich 2025 und 2026 schätzungsweise jeweils auf 11 Milliarden bis 12 Milliarden US-Dollar (US$) belaufen. Die Investitionsquote, also der Beitrag zum BIP, hat sich mit aktuell etwa 15 Prozent während der letzten Jahre nahezu halbiert.
Verantwortlich dafür sind das rückläufige Engagement ausländischer Investoren in der Öl- und Gasförderung sowie die gegenüber früher stark gedrosselten Investitionen in staatliche Prestigeobjekte. Gleichwohl sorgen mehr kreditfinanzierte Projekte im nicht staatlichen Sektor und einige internationale Darlehen für positive Impulse, was den Rückgang bei den staatlichen und ausländischen Investitionen aber nicht ausglich. Das Gros der Bruttoanlageinvestitionen fließt 2025 in die große Gaslagerstätte Galkynysch sowie den Pipeline-, Straßen- und Städtebau.
Lage auf dem Verbrauchermarkt bleibt angespannt
Die offiziell gemeldeten Einkommensverbesserungen und Umsatzsprünge im Einzelhandel entsprechen aufgrund von unterbewerteten Preissteigerungen nicht der Realität. Importierte Konsumgüter sind nur noch für wenige Menschen im Land erschwinglich. Das hat damit zu tun, dass solche Waren fast nur noch zum hohen Parallelkurs bezogen werden können und nicht zum offiziellen Devisenkurs.
Die Versorgungslage im Land ist schwierig. Staatliche Läden dürfen nur noch begrenzte Mengen subventionierter Grundnahrungsmittel verkaufen. Zudem wächst seit einigen Jahren wieder der Anteil von Lebensmitteln an den Ausgaben der Haushalte – 2024 erreichte er etwa 55 Prozent. Bei der Einschätzung der Kaufkraft ist aber auch die große Schattenwirtschaft im Land zu berücksichtigen.
Ausrüstungsimporte ziehen leicht an
Die Regierung rechnet für 2025 mit einem Außenhandelsumsatz von 20,7 Milliarden US$, gegenüber (vorläufig) 19,5 Milliarden US$ im Vorjahr. Auf Erdgas, Öl und Ölprodukte entfallen jährlich rund 85 Prozent der turkmenischen Ausfuhren. Darüber hinaus exportiert das Land noch Textilien und Bekleidung, Strom, Dünger sowie Tomaten. Die EU nimmt aus Turkmenistan vorwiegend Öl und Ölprodukte ab.
Die Warenimporte betrugen nach Angaben der Welthandelsorganisation seit 2021 jeweils weniger als 4 Milliarden US$ pro Jahr. Darin schlagen sich der anhaltende Devisenmangel, reale Kaufkraftverluste und stockende Investitionen nieder. Die Bezüge von Maschinen und Ausrüstungen haben sich seit 2022 etwas belebt. Hauptbeschaffungsmärkte im Ausland sind China und die Türkei. Aus der EU importiert Turkmenistan vor allem Erzeugnisse des Maschinenbaus, Chemiewaren und Fahrzeuge.
Deutsche Perspektive: Zulieferchancen bei staatlichen Vorhaben sind eingeschränkt, aber nicht ausgeschlossen
Geschäftschancen bieten in erster Linie die unter staatlicher Regie verfolgten Infrastruktur- und Industrieprojekte. Hinzu kommen die zumeist vom Verband der Industriellen und Unternehmer koordinierten Ausbauvorhaben privater Unternehmen, die auf die Substitution von Importen abzielen. Außerdem bieten staatliche Aufträge gute Ansatzpunkte bei Landtechnik.
Der staatliche Chemiekonzern Türkmenhimiýa plant neue Werke in den Produktgruppen Kraftstoffe und Düngemittel sowie größere Modernisierungsvorhaben zur Produktion von Polymeren. Außerdem besteht größerer Zulieferbedarf für die Stromerzeugung, die zukünftig verstärkt durch Kombikraftwerke erfolgen soll, sowie einen Medizincluster für die neue Metropole Arkadag. Private Unternehmen planen Projekte unter anderem in der Baustoff- und Nahrungsmittelindustrie.
Lieferverträge mit Turkmenistan sollten unbedingt durch die Vereinbarung von Vorkasse oder durch ein unwiderruflich bestätigtes Akkreditiv abgesichert werden. Turkmenische Kunden erwarten mehr denn je, dass das Angebot des ausländischen Lieferanten eine günstige Finanzierung beinhaltet.
Informationen zu aktuellen geberfinanzierten Projekten bietet die GTAI-Länderseite, Rubrik "Ausschreibungen" und "Entwicklungsprojekte".