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Bericht | USA | Spezialbau

In den USA boomt der Bau von Fabriken

Vor allem die Pharmahersteller, die Automobilindustrie und die Halbleiterbranche expandieren  – und bauen neue Werke. Für deutsche Firmen ergeben sich viele Zulieferchancen.

Von Roland Rohde | Washington, D.C.

Die USA erleben eine wahrhafte Reindustrialisierung. Angeschoben wird sie von gewaltigen Konjunkturprogrammen wie dem Inflation Reduction Act (IRA) oder dem Chips and Science Act. In einigen Fällen werden ganze Branchen neu aus dem Boden gestampft. Bestes Beispiel ist die Solarmodulfertigung, die vor vielen Jahren nahezu komplett ins Ausland abgewandert war. Nun kehrt sie in Riesenschritten zurück. 

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Doch auch Branchen, die nicht von staatlichen Geldern profitieren, bauen fleißig Fabriken und Montagehallen, um ihre Lieferketten robuster zu machen. In der Folge haben sich die erbrachten Bauleistungen des verarbeitenden Gewerbes zwischen 2020 und 2023 nominal mehr als verdreifacht, so das nationale Statistikamt U.S. Census Bureau. Der Industriebau bildet damit die größte und dynamischste Sparte des gewerblichen Hochbaus.

Bauinvestitionen der Industrie erreichen bis zu 500 Milliarden US-Dollar

Während die Behörde die entsprechenden Bauinvestitionen für 2023 auf deutlich über 200 Milliarden US-Dollar (US$) taxiert, kommt die Fachzeitschrift Engineering News-Record auf 500 Milliarden US$. In diesen Zahlen sind allerdings auch die Aufwendungen des Telekommunikations-, Strom-, Gas- und Ölsektors sowie des Bergbaus enthalten. Dabei zeigten sich die Metallindustrie, die optisch-medizintechnische Branche und die Elektroindustrie besonders dynamisch. Sie verzeichneten im Jahr 2023 Zuwachsraten bei den Bauinvestitionen von jeweils rund 60 Prozent. Lediglich im Papier- und Druckgewerbe waren die Zahlen laut dem Fachmagazin rückläufig.

Analysten sehen das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht, doch dürften sich die Wachstumsraten abschwächen. So prognostiziert das Marktforschungsunternehmen FMI für 2024 einen Anstieg der Bauleistungen des produzierenden Gewerbes um nominal 15 Prozent. Dodge Construction Network erwartet ein Plus von 16 Prozent auf Basis der Baustarts (prognostizierter Wert der Projekte).

Sinkende Zinsen befördern Bauboom

Rückenwind erhält die Industrie durch rückläufige Zinsen. Im November 2023 hatte die US-Notenbank Fed für 2024 drei Senkungsschritte in Aussicht gestellt. Der Markt reagierte umgehend, Hypothekenkredite verbilligten sich zum Jahreswechsel 2023/24 spürbar. Bremsend wirkt im Prinzip nur noch der Fachkräftemangel. Da sich der private Wohnungsbau nach einer kurzen Schwächephase 2024 wohl wieder auf Wachstumskurs begibt, dürfte sich das Problem noch verschärfen.

Laut S&P Global lag die chemisch-pharmazeutische Industrie bei den Bauinvestitionen im Jahr 2022 an erster Stelle. Dies überrascht, da die Branche nicht zu den Hauptprofiteuren der großen Konjunkturprogramme zählt. Knapp dahinter folgte die Elektronik- und Elektroindustrie. Innerhalb der Branche erlebt der Halbleitersektor durch den Chips and Science Act eine Sonderkonjunktur. Zum Jahresbeginn 2024 befinden sich knapp zwei Dutzend Chipfabriken mit einem Gesamtinvestitionsvolumen von 210 Milliarden US$ in der Pipeline.

Bautätigkeit in der verarbeitenden Industrie nach Branchen (in Milliarden US-Dollar) *)
Branchen

2022

Chemie (einschl. Pharmazie)

57,4

Elektronik und Elektro

54,4

Transportausrüstungen

21,4

Nahrungsmittel

17,3

Metall

10,1

Optik, Medizintechnik

8,6

Maschinenbau

4,4

Papier und Druck

4,0

* Die Angaben beziehen sich auf laufende Projekte ("construction-in-progress").Quelle: S&P Global, November 2023

Autobauer zeigen sich zurückhaltender

Die Transportindustrie liegt im Ranking von S&P auf Rang 3. Die in- und ausländischen Autobauer in den USA investieren massiv in neue Batteriefabriken und Fertigungsanlagen für Elektroautos. Einige Marktteilnehmer haben zwar 2023 ihre Investitionspläne wegen der enttäuschenden einheimischen Absatzentwicklung zeitlich gestreckt. Doch aufgeschoben ist bekanntlich nicht aufgehoben. Auch in den Vereinigten Staaten wird sich die E-Mobility wenn auch langsamer als in Europa oder China durchsetzen.

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Spezialbaustoffe, Gebäude- und Umwelttechnik gefragt

Die Bautätigkeit der Industrie bietet umfangreiche Zulieferchancen für deutsche Unternehmen. Für die Errichtung von Fabriken, Montage- und Lagerhallen werden Baumaschinen und Baustoffe benötigt, die nicht immer in ausreichender Menge oder Qualität in den USA vorhanden sind. Insbesondere bei Spezialprodukten aus Stahl, Aluminiumprodukten oder Glas müssen die Vereinigten Staaten auf Importe zurückgreifen. Sind die Werke gebaut, müssen sie mit Gebäudetechnik ausgestattet werden, wobei viele Firmen auf eine besonders hochwertige und moderne Ausstattung Wert legen. 

Geschäftsmöglichkeiten erschließen sich hier etwa im Bereich der Aufzugs- und Fördertechnik. Bei der Kälte-, Klima- und Wärmetechnik kommen teils hochspezialisierte Anbieter zum Zug. So müssen, etwa um Halbleiter zu produzieren, Reinluftbedingungen herrschen.  Und wo sensible Hightech-Produkte hergestellt werden, müssen die Fabriken mit spezieller Sicherheitstechnik sowie besonderen Fenstern und Türen ausgestattet sein. 

Auch die Themen Umwelt, Nachhaltigkeit und Energieeffizienz kommen nicht zu kurz. Für die Produktion von Batterien und Chips werden große Mengen Wasser benötigt. Moderne Abwassertechnologien sind daher gefragt. Ebenso erfordern Produktionsrückstände ein modernes Abfall- und Recyclingmanagement. Deutsche Anbieter haben in diesen Bereichen einen deutlichen Wettbewerbsvorteil gegenüber der amerikanischen Konkurrenz.

Trotz Protektionismus: Deutsche Firmen steigern Exporte

Da es sich bei den Bauherren von Industrieanlagen überwiegend um private Unternehmen handelt, greifen die Vorgaben zur Erbringung lokaler Wertschöpfungsanteile zunächst nicht. Finanzieren sie ihre Investitionen jedoch mit öffentlichen Mitteln oder Steuergutschriften, gelten die Local-Content-Regelungen, die häufig bei 30 bis 40 Prozent liegen.

Diese Vorschriften erweisen sich jedoch als stumpfes Schwert, wenn es keine oder nicht genügend einheimische Anbieter gibt. Dann ist der Import mit Hilfe einer Ausnahmegenehmigung möglich. Trotz protektionistischer Maßnahmen dürften die großen Konjunkturprogramme der deutschen Industrie daher mehr genutzt als geschadet haben. Die Lieferungen von Investitionsgütern "made in Germany" in die USA sind 2023 stark gestiegen.

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