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Wirtschaftsumfeld | USA | Industriepolitik

Welle der Reindustrialisierung erfasst die USA

Milliardenschwere Programme lösen einen Investitionsschub im verarbeitenden Gewerbe aus. Davon können trotz protektionistischer Schranken auch ausländische Firmen profitieren.

Von Roland Rohde | Washington, D.C.

Überall in den Vereinigten Staaten entstehen derzeit Fabriken und Montagehallen. Die Bauleistungen im Bereich industrielle Gebäude stiegen 2022 nach Angaben des nationalen Statistikamtes um nominal knapp 40 Prozent. In den ersten acht Monaten 2023 beschleunigte sich das Wachstum auf über 70 Prozent. Treiber dieser Reindustrialisierung sind gigantische staatliche Subventions- und Konjunkturprogramme.

So zielt der Chips and Science Act aus dem Jahr 2022 auf den Ausbau der einheimischen Halbleiterindustrie, um unabhängiger vom Ausland zu werden. Das Programm stellt Geld im Umfang von 53 Milliarden US-Dollar (US$) zur Verfügung, davon sind 39 Milliarden für die Chipfertigung vorgesehen. Hinzu kommen Steuererleichterungen und Forschungsaufträge. McKinsey beziffert die Gesamtfördersumme für den Zeitraum 2022 bis 2026 auf eine Gesamtfördersumme von 280 Milliarden US$.

Intel hatte bereits 2021 den Bau von zwei Fabriken angekündigt ein Investitionsvolumen von 20 Milliarden US$. Nahezu zeitgleich meldete Samsung damals ein 17-Milliarden-Dollar-Projekt an. Taiwan Semiconductor Manufacturing (TSMC) verkündete 2022 Investitionsabsichten in den USA in Höhe von 40 Milliarden US$. Ende des Jahres 2022 waren nach Angaben der Semiconductor Industry Association 23 Fabrikneubauten und die Erweiterung von neun bestehenden Anlagen in der Pipeline das entsprechende Investitionsvolumen beläuft sich dabei auf 210 Milliarden US$. 

IRA mit Steuergeschenken für Umweltfreundlichkeit

Der ebenfalls 2022 von US-Präsident Joe Biden unterzeichnete Inflation Reduction Act (IRA) fördert vor allem Umwelttechnologien, regenerative Energien (Wind, Solar), die Elektromobilität und grünen Wasserstoff. Das Gesetz sieht Subventionen in Form von Steuergutschriften in Höhe von rund 400 Milliarden US-Dollar bis 2032 vor. Die Gesamtsumme hängt jedoch von den tatsächlichen Investitionen der Privatwirtschaft ab - und könnte deshalb noch deutlich höher ausfallen.

Unternehmen können neben einer Grundförderung noch zusätzliche Steuervorteile erlangen, wenn sie ihre Beschäftigten qualifizieren. Damit schlägt der amerikanische Fiskus zwei Fliegen mit einer Klappe: Im Umweltsektor fehlen Fachkräfte. Es gibt nur wenige geeignete Ausbildungsprogramme oder Studiengänge. Insgesamt können Firmen Steuererleichterungen von bis zu 40 Prozent ihrer Investitionssumme erzielen.

Wer in die Ausbildung seiner Mitarbeiter investiert, kann eine deutlich höhere Förderquote erzielen.

Sogwirkung: Andere Branchen kehren in die USA zurück

Dadurch werden Industriezweige, bei denen sich US-Standorte bislang nicht gerechnet haben, wieder wettbewerbsfähig. Bestes Beispiel ist die Solarindustrie: Sie hat nahezu ihre gesamte Produktion ins Ausland verlagert und kehrt nun mit Riesenschritten zurück. So rechnet die Solar Energy Industry Association damit, dass die nationale Fertigung bis 2026 um den Faktor 17 wächst!

Die Autokonzerne bauen zugleich fleißig Batteriefabriken. Die US-Internetplattform Electrek meldete im Sommer 2023, dass Investitionen in die Elektromobilität im Umfang von gut 92 Milliarden US$ geplant sind – Tendenz steigend. Toyota versprach im Oktober 2023, geplante Investitionen von 6 Milliarden US$ in ein Batteriewerk auf 14 Milliarden aufzustocken. Allerdings entwickelt sich der Absatz von E-Autos derzeit eher mau. Für Ford und General Motors wohl ein Grund, ihre ebenfalls ehrgeizigen Ausbaupläne im Bereich E-Mobility zeitlich ein wenig zu strecken.

Es gibt indes auch Branchen, die nicht von den 2022er-Programmen profitieren und trotzdem Fertigungsschritte aus dem Ausland zurückholen. Seit der Coronapandemie hat es einen Sinneswandel gegeben: Waren früher vor allem Lohnkosten ein wesentlicher Faktor bei der Standortwahl, sind nun Logistik und stabile Lieferketten entscheidend. Außerdem bewirken die staatlichen Programme eine Art Sog: made in America ist absatz- und imagefördernd. Aufzugshersteller wie Otis oder Kone, die vor 15 Jahren ihre Montage nach Mexiko verlagerten, holen sie nun wieder in die USA zurück

Nachfrage nach Investitionsgütern zieht auf breiter Front an

Die Reindustrialisierung bewirkt gleichzeitig eine starke Nachfrage nach Investitionsgütern aller Art. Für den Bau der neuen Industrieanlagen braucht es Spezialmaterialien, Gebäude- und Abwassertechnik sowie energieeffiziente Lösungen. Zudem müssen die Fabriken mit Maschinen und Schalttechnik ausgestattet werden, was umfangreiche Chancen für ausländische Zulieferer bietet. 

Vom IRA sollen vor allem amerikanische Unternehmen profitieren. Um die staatliche Förderung zu erhalten, muss bei den Bauvorhaben ein Mindestanteil an lokaler Wertschöpfung ("local content") erbracht werden. Im Energiebereich müssen 40 Prozent der verwendeten Komponenten in den USA produziert worden sein. Bei Stahlprodukten liegt die Quote sogar bei 100 Prozent.

Local-content-Vorschriften mit Ausnahmeregelungen

Für den Fall, dass es keine einheimischen Anbieter gibt oder deren Produkte zu teuer sind, sieht das Gesetz Ausnahmen vor. Diese Regelung wird aber nur selten angewendet. Dadurch können einheimische Anbieter oft Mondpreise verlangen, die deutlich über dem Weltmarktniveau liegen. Was die Projekte unnötig verteuert.

In vielen Investitionsgüterbranchen gibt es weiße Flecken: US-Maschinenbauer etwa sind vor allem bei Universalanlagen gut aufgestellt. Bei Spezialmaschinen müssen die Vereinigten Staaten oft auf Importe zurückgreifen. Davon profitieren bereits die deutschen Anbieter: Ihre Lieferungen von Spezialmaschinen sind in den ersten drei Quartalen 2023 um nahezu ein Viertel gestiegen, so die U.S. International Trade Commission.

Weiterführende Informationen
InstitutionAnmerkung
US-RegierungInformationen zum Chips and Science Act
McKinseyAnalyse des Chips and Science Act
US-RegierungInformationen zum Inflation Reduction Act (IRA)
McKinseyAnalyse des Inflation Reduction Act (IRA)
Semiconductor Industry AssociationBranchenverband der Halbleiterindustrie
Semiconductor EngineeringÜberblick weltweite Investitionen in die Halbleiterindustrie
ElectrekÜberblick Investitionen in E-Mobility
Solar Energy Industry AssociationBranchenverband der Solarindustrie

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