Wirtschaftsausblick | Vietnam
Vietnams Wirtschaft trotzt der Unsicherheit im Zollstreit
Die vietnamesische Wirtschaft bleibt auch 2025 auf einem soliden Wachstumskurs. Mögliche US-Strafzölle könnten sich aber 2026 negativ auswirken.
28.05.2025
Von Peter Buerstedde | Hanoi
Wirtschaftsentwicklung: Solides Wachstum, aber schwächer als erhofft
Die Konjunkturaussichten in Vietnam sind grundsätzlich positiv. Das Wachstum könnte 2025 mit 6,5 bis 7 Prozent ähnlich hoch ausfallen wie im Vorjahr. Trotzdem dürfte es deutlich hinter den Vorgaben der Regierung zurückbleiben, die für 2025 ein Ziel von 8 Prozent und ab 2026 zweistellige Wachstumsraten vorgegeben hat.
Insbesondere der Export entwickelte sich in den ersten Monaten des Jahres 2025 stark. Viele Exporteure hatten nach dem Wahlsieg von Donald Trump ihre Lieferungen in die USA ausgeweitet, um ihre Waren noch vor den angedrohten Zollerhöhungen über den Pazifik zu bringen. In den übrigen Monaten des Jahres dürften die Ausfuhren aber zurückgehen und 2025 insgesamt weniger stark zum Wachstum beitragen als im Vorjahr.
Stärkere Impulse werden 2025 vom Konsum kommen, der von einer Wiederbelebung des Wohnungsbaus und dem stark wachsenden Tourismus profitiert. Für das Jahr 2025 werden rund 23 Millionen Reisende erwartet. Um den Privatverbrauch weiter zu stützen, will die Regierung die Absenkung der Mehrwertsteuer von 10 auf 8 Prozent bis Ende 2026 verlängern. Eigentlich sollte diese Initiative Mitte 2025 auslaufen.
Auch der Infrastrukturausbau treibt 2025 das Wachstum an. Allerdings hakt es bei der Umsetzung von Projekten. Dafür ist zum Teil eine administrative Reform zur Umgestaltung des Staatsapparats und des Zuschnitts der Provinzen verantwortlich, die Genehmigungen verzögert.
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Folgen des globalen Zollkonflikts sind ungewiss
Bislang dürfte sich die wechselhafte Zollpolitik der US-Regierung noch kaum auf die Wirtschaftsentwicklung im Jahr 2025 ausgewirkt haben. Bis April 2025 sind die tatsächlich getätigten Auslandsinvestitionen sogar um 7,3 Prozent gegenüber der Vorjahresperiode gestiegen.
US-Präsident Donald Trump schafft mit seiner Zollpolitik große Unsicherheit, was sich ab 2026 deutlicher auf die Wirtschaftsentwicklung auswirken könnte. Viele Exportsektoren in Vietnam sind stark vom US-Markt abhängig. Nachdem Trump die für April 2025 angedrohten Strafzölle 90 Tage lang ausgesetzt hat, trat Vietnam als eines der ersten Länder in Verhandlungen ein. Die vietnamesische Regierung erhofft sich durch ihr beherztes Zugehen auf die US-Regierung, einen besonders günstigen Deal zu erreichen. Dem Vernehmen nach ist eine Abmachung zwar fast fertig, bis Ende Mai 2025 waren aber noch keine Details bekannt.
Gelingt es Vietnam durch Ausgleichsgeschäfte wie etwa den Kauf von US-amerikanischem Flüssiggas und Flugzeugen, Strafzölle zu vermeiden oder sehr gering zu halten, könnte das Land weiter Auslandsinvestitionen anziehen und sogar als Gewinner aus dem globalen Handelskonflikt hervorgehen. Wie schon in der ersten Amtsperiode von Trump könnten erneut viele Fabriken aus China nach Vietnam übersiedeln. In diesem Fall dürfte das Wirtschaftswachstum auch 2026 auf hohem Niveau weiterlaufen.
Gelingt es Vietnam nicht, die Strafzölle niedrig zu halten, würden sich wohl einige Exportindustrien in den kommenden Jahren teilweise aus dem Land zurückziehen und Einkäufer könnten ihre Bestellungen kurzfristig annullieren. Viel hängt aber davon ab, wie andere Länder wie China und Konkurrenten um Investitionsströme wie Thailand, Malaysia und Indonesien aus dem Zollkonflikt hervorgehen.
Top-Thema: Privatsektor soll Aufstieg zum Industrieland vorantreiben
Der Reformeifer der Regierung reißt nicht ab. Ziel ist es, den Privatsektor stärker zu fördern und so mit einheimischen Unternehmen das Wachstum zu befeuern. Damit soll Vietnam bis 2045, dem 100-jährigen Jubiläum der Unabhängigkeitserklärung durch Ho Chi Minh, zu einem Land mit hohen Einkommen nach Weltbankkriterien werden. Mit Steuernachlässen und Sonderabschreibungen für Forschungsausgaben sollen bis 2030 mindestens 20 nationale Champions entstehen. Die Details sind aber noch unklar.
Große vietnamesische Konglomerate sehen sich dadurch ermutigt, ihr Geschäftsfeld auszubauen. Das größte Privatunternehmen des Landes, Vingroup, will in den Energiesektor einsteigen und eine Hochgeschwindigkeitsbahn vom Norden in den Süden bauen. Vingroup ist bisher vor allem im Immobilienbereich tätig und baut mit der Tochtergesellschaft Vinfast Elektrofahrzeuge. Auch der Kfz-Teilehersteller Thaco, der BMW-Fahrzeuge montiert, hat Interesse am Bau der Strecke angemeldet. Die Sungroup, ein weiteres Konglomerat, will eine Fluglinie gründen und Flughäfen bauen.
Deutsche Perspektive: Neue Investitionswelle bei erneuerbaren Energien
Der Ausbau erneuerbarer Energien in Vietnam boomte bis vor einigen Jahren. Mit dem Ende eines günstigen Einspeisetarifs im Jahr 2021 kam er aber zum Stillstand. Seitdem sind neue Investitionen nahezu ausgeblieben. Jetzt hat die Regierung einen neuen Rechtsrahmen geschaffen, für direkte Abnahmeverträge zwischen Privaterzeugern und -abnehmern und generell für Aufdachanlagen. Zudem hat sie auch neue Ausbaupläne bis 2030 angenommen. Damit könnte noch 2025 oder 2026 eine neue Investitionswelle starten. Etliche Provinzen erarbeiten dem Vernehmen nach bereits Tender für Windparks. Deutsche Firmen haben Projekte vorbereitet und stehen in den Startlöchern.
Einen Überblick über die Standortbedingungen bietet unser Wirtschaftsstandort. In der GTAI-Reihe Arbeitsmarkt finden Sie alle Informationen zur generellen Verfügbarkeit von Arbeitskräften, Lohnkosten und Arbeitsrecht. Alle Informationen zu Vietnam finden Sie auf der GTAI-Länderseite.