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Wirtschaftsausblick | Bulgarien

Bulgariens Wirtschaft wächst kaum

Bulgariens Wirtschaft kommt nur langsam voran. Dies wird auch 2024 so bleiben, denn es gibt zahlreiche Risiken, die das BIP-Wachstum beeinträchtigen.

Von Dominik Vorhölter | Sofia

Die Wirtschaftsleistung wird 2023 und 2024 zwar steigen, jedoch deutlich schwächer als im vergangenen Jahr. Denn zu viele Risiken verhindern ein ungebremstes Wachstum. Dazu zählen eine schwache Konjunktur und entsprechend gedämpfte Importe in Europa. Hinzu kommen in Bulgarien eine weiterhin rückläufige Industrieproduktion und der anhaltende Inflationsdruck. 

Top-Thema: Kraftstoffmarkt und Lohndruck bergen Inflationsrisiko  

In Bulgarien wird 2024 die Inflationsdynamik weniger stark nachlassen, als in den übrigen Ländern der EU, denn hohe Energiepreise und Lohndruck stützen die Inflation. Angesichts des demografisch bedingten Mangels an Personal erhöhen die meisten Firmen das Gehalt, um attraktiv zu bleiben. Außerdem steigt ab Januar 2024 der monatliche Mindestlohn um 11,5 Prozent auf umgerechnet 443 Euro brutto. Dies wird wahrscheinlich die Inflation antreiben, weil Unternehmer versuchen werden, diese Kosten an die Verbraucher weiterzureichen. Bild vergrößern  

Mehr Daten zur Entwicklung der bulgarischen Wirtschaft finden Sie in der Publikation Wirtschaftsdaten kompakt - Bulgarien

Die Zentralbank rechnet mit steigenden Preisen für Kraftstoffe im Jahr 2024, wenn die einzige Raffinerie im Land, Lukoil Neftochim Burgas, einen neuen Lieferanten finden muss. Bisher verarbeitet Lukoil russisches Erdöl, was die EU nur bis Ende 2024 per Ausnahmegenehmigung erlaubt. Im Juni 2022 hat der Rat der EU ein sechstes Paket von Sanktionen beschlossen. Es untersagt die Einfuhr oder die Weiterleitung von Rohöl und von Erdölerzeugnissen auf dem Seeweg aus Russland in die EU.

Um die Versorgung der Tankstellen mit Kraftstoffen zu sichern, raten Experten zum Verkauf der Raffinerie. Sie ist der einzige Lieferant für Kerosin, Benzin und Diesel in Bulgarien. Kommt ein Verkauf nicht zustande, besteht ein Risiko, dass die Raffinerie stillgelegt wird. Dann wären Betreiber von Tankstellen gezwungen, Kraftstoffe zu importieren, was voraussichtlich zu höheren Spritpreisen führen würde. 

Wirtschaftsentwicklung: Bulgarien leidet unter Konjunkturschwäche in der EU

Die stark gedämpfte Konjunktur innerhalb Europas wiegt schwer und bleibt ein Risiko für den Außenhandel. Mit weniger Wachstum rechnen besonders exportorientierte Unternehmen. Leichte Impulse gehen von der Elektroindustrie aus, die einen Anteil von rund 12 Prozent am Gesamtexport hat. Die EU-Kommission erwartet für 2024 ein Wachstum der bulgarischen Exporte um 4 Prozent und die UniCredit Bank immerhin um 1,7 Prozent.

Unternehmen importieren im Vergleich zum Vorjahr weniger, weil sie weniger Lagerhaltung betreiben. Lieferketten laufen dafür reibungsloser als noch in den vergangenen zwei Jahren. Aber der Handelsbilanzsaldo bleibt negativ, unter anderem weil bulgarische Industrieunternehmen viele Vorprodukte einführen müssen. So rechnet die EU für das Jahr 2024 mit einem Plus von 5,6 Prozent bei den bulgarischen Einfuhren. Bild vergrößern

Reisebranche erwartet weniger Touristen

Ein Risiko für das Wachstum des privaten Verbrauchs ist die geschwächte Konjunktur in Europa. Denn sie wird wahrscheinlich dazu führen, dass weniger Touristen nach Bulgarien kommen. Zumindest Hotel- und Gaststättenbetreiber blicken laut Branchenverband BHRA mit Sorge auf die kommende Urlaubssaison. Den Konsum hingegen stimulieren wird ein steigender Reallohn: 2024 soll er um 2,4 Prozent zulegen, schätzt die Zentralbank. Der private Verbrauch hat einen Anteil von 68 Prozent am Bruttoinlandsprodukt (BIP). 

Regierung packt Reformen und Projekte an

Nach zwei Jahren politischem Chaos weckt die aktuelle Regierung die Hoffnung, dass Förderprogramme und Investitionsprojekte 2024 weiter vorangehen. Im Zeitraum 2021 bis 2027 stehen 12,9 Milliarden Euro Fördermittel der EU bereit. Davon sind 6,3 Milliarden Euro Zuschüsse, die Bulgarien nicht zurückzahlen muss. Dieses Geld kann die Regierung abrufen, wenn sie Reformen startet. Die EU erwartet, dass Bulgarien die Korruption bekämpft und Maßnahmen für den Kohleausstieg sowie die Energiewende beschließt und den Strukturwandel anpackt. 

Unternehmen werden im Laufe des Jahres 2024 auf EU-finanzierte Fördermittel und Zuschüsse zugreifen können. Bei der Entwicklung der Infrastruktur muss Bulgarien den Ausbau der Straßen-, Schienen- und Stromnetze vorantreiben. Es werden unter anderem Fördermittel bereitstehen für Automatisierung, für Energieeffizienz und den Ausbau erneuerbarer Energien

Deutsche Perspektive: Bulgarien bleibt interessant 

Die rückläufige Auslandsnachfrage und der Fachkräftemangel bilden die größten Geschäftsrisiken für deutsche Unternehmen in Bulgarien, wie aus einer aktuellen Umfrage der AHK Bulgarien hervorgeht.  "Die Unternehmen sind besorgt, weil sich der Handel verlangsamt, und zwar in beide Richtungen, sowohl von Bulgarien nach Deutschland, als auch von Deutschland nach Bulgarien", bestätigt Mitko Vassilev, Hauptgeschäftsführer der Deutsch-Bulgarischen Industrie- und Handelskammer. Im Kampf gegen den Fachkräftemangel versuchen deutsche Unternehmen Mitarbeiter zu binden, indem sie Löhne weit über dem Marktdurchschnitt anbieten, heißt es aus Unternehmerkreisen.

Viele deutsche Firmen betrachten das Land dennoch als attraktiven Nearshoring-Standort, das voraussichtlich im Jahr 2025 der Eurozone beitreten kann. Die deutsche Business-Community hofft auf einen baldigen Beitritt des Landes in den Schengen-Raum. Zudem ist Bulgarien ein wichtiger Beschaffungsmarkt für deutsche Firmen, etwa für elektronische Komponenten oder verarbeitetes Kupfer. Dies spiegelt sich auch im deutsch-bulgarischen Außenhandel wider. Bild vergrößern

Ein weiteres Risiko für das Wachstum deutscher Firmen ist die schwerfällige Verwaltung und mangelnde Digitalisierung in Bulgarien. Viele Unternehmen haben etwa keinen Zugang zu digitalen Diensten von Behörden, etwa um Dokumente einzureichen. Die meisten Unternehmen wünschen sich außerdem konkrete Maßnahmen gegen die steigenden Energiepreise sowie Reformen, gegen die Korruption und im Bildungssystem, wie aus der Konjunkturumfrage hervorgeht.

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