Dieser Inhalt ist relevant für:
ItalienKonjunktur / Kaufkraft, Konsumverhalten / Außenhandel, Struktur
Wirtschaftsumfeld
Wirtschaftsausblick | Italien
Die zweite Coronawelle hat Italiens Wirtschaft wieder zurückgeworfen. Mit einem spürbaren Aufschwung ist frühestens ab dem 2. Halbjahr 2021 zu rechnen.
01.12.2020
Von Oliver Döhne | Mailand
Die Folgen des Corona-Schocks auf Angebot und Nachfrage werden in Italien noch länger zu spüren sein. Obwohl sich für 2021 eine schrittweise Besserung anbahnt, könnte Italien mehrere Jahre brauchen, um wieder richtig in Gang zu kommen.
Gemäß einer Umfrage der Deutsch-Italienischen Handelskammer aus November 2020 rechnet nur ein Drittel der Unternehmen damit, dass die italienische Wirtschaft 2021 wieder das Vorkrisenniveau erreicht.
Nach einem starken Rückgang der Wirtschaftsleistung zwischen Februar und Mai 2020, verzeichnete Italien in den Sommermonaten eine überraschend gute Entwicklung. Im 3. Quartal legte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) gegenüber dem 2. Quartal um 16,1 Prozent zu. Nach Ende des Lockdowns Anfang Mai legte die Industrie in vier aufeinanderfolgenden Monaten deutlich zu. Im September sank sie hingegen wieder um 5,6 Prozent und mit dem partiellen Lockdown im November wird Italiens BIP 2020 insgesamt wohl doch um rund 10 Prozent zurückgehen.
Durch die umfangreichen Mittel, die im Rahmen des EU-Recovery Fonds nach Italien fließen werden, verfügt Italien erstmals seit längerer Zeit wieder über den nötigen Spielraum, um, statt punktueller Maßnahmen, langfristig wirkende Reformen und zukunftsgewandte Strukturänderungen vorzunehmen. Für die rund 209 Milliarden Euro muss nun Italien selbst einen detaillierten Maßnahmenkatalog aufstellen. In einem ersten Leitlinienentwurf formulierte die Regierung die folgenden offiziellen Schwerpunkte: Digitalisierung und Innovation, ökologische Wende und grüne Revolution, Mobilitätsinfrastruktur, Bildung, Gleichheit, soziale und landesweite Inklusion sowie Gesundheit.
Indikator | 2018 | 2019 | Vergleichsdaten Deutschland 2019 |
---|---|---|---|
BIP (nominal, Mrd. Euro) | 1.771 | 1.790 | 3.449,1 |
BIP pro Kopf (Euro) | 29.294 | 29.662 | 41.508 |
Bevölkerung (Mio.) | 60,4 | 60,3 | 83,1 |
Die zweite Coronawelle und die andauernde globale Krise veranlassen die Unternehmen zur Vorsicht. Abgesagte Aufträge, Liquiditätsengpässe und die überdurchschnittlich unsicheren Aussichten sind Investitionen zurzeit nicht zuträglich. Offen ist weiterhin, wie dauerhaft die Nachfrageausfälle auf den für Italien besonders wichtigen Auslandsmärkten sein werden. Die finanziellen Zusagen im Rahmen des europäischen Recovery-Pakets sind laut Industrieverband ein wichtiges positives Signal. Allerdings nur, wenn die Mittel auch sinnvoll eingesetzt werden, nämlich für Innovation, den grünen Wandel, die digitale Wende, Automatisierung, vereinfachende Reformen und Bürokratieabbau.
Eine gute Nachricht ist auch die Verlängerung und Ausweitung der Industrie 4.0-Förderung. Die Ausrüstungsinvestitionen könnten 2020 vorerst um rund 16 Prozent einbrechen, um dann 2021 wieder um etwa 10 Prozent zuzulegen, prognostiziert der Industrieverband Confindustria. Eine Umfrage der Deutsch-Italienischen Handelskammer ergab, dass 59 Prozent der befragten Unternehmen 2021 konstant investieren wollen und 17 Prozent sogar mehr als im Vorjahr, während 17 Prozent weniger investieren wollen und 7 Prozent gar nicht. Als größte Investitionsrisiken sehen die Firmen eine schwache Nachfrage (76 Prozent), politische Entscheidungen (61 Prozent), Finanzierungsengpässe und Arbeitskosten (jeweils 22 Prozent).
Projektbezeichnung | Investitionssumme (Mio. Euro) | Projektstand | Projektträger |
---|---|---|---|
Eisenbahnachse Palermo-Catania-Messina | 9.177 | Fertigstellung nach 2030 | |
Autobahn Salerno-Reggio Calabria | 8.333 | Fertigstellung nach 2025 | |
Bahnstrecke Genua-Mailand (Terzo Valico dei Giovi) | 6.853 | Fertigstellung 2024 | |
Brenner-Basistunnel (55,4 km) | 6.371 | Fertigstellung 2025 | |
Hochgeschwindigkeitsbahnstrecke Neapel-Bari | 6.198 | Fertigstellung nach 2025 | |
Hochgeschwindigkeitsbahnstrecke Mailand-Verona | 5.480 | Fertigstellung nach 2025 | |
Hochgeschwindigkeitsbahnstrecke Verona-Padua | 5.214 | Fertigstellung 2025 | |
Autobahn Pedemontana Lombarda | 4.118 | Fertigstellung 2026 | |
SS 106 Jonica, Verbindung Kalabrien-Basilikata-Apulien | 3.974 | Fertigstellung nach 2020 | |
U-Bahn-Bau Rom (Linea C) | 3.019 | Fertigstellung 2022 | |
U-Bahn-Bau Neapel (Linee 1- 6) | 2.847 | Fertigstellung 2023 | Gemeinde |
Eisenbahnachse Bologna-Bari-Lecce-Taranto | 2.259 | Fertigstellung nach 2025 | |
City Life, Mailand | 2.100 | Fertigstellung 2023 | |
Einkaufszentrum Westfield, Segrate Mailand | 1.400 | Fertigstellung 2022 |
Informationen zu EU-Binnenmarktausschreibungen unter www.gtai-EU-Ausschreibungen.de.
Das Konsumentenvertrauen ist im Oktober 2020 wieder gesunken und die Haushalte verlagern ihre Ausgaben weiterhin weg von größeren Anschaffungen hin zu essenziellen Käufen. Außerdem steigt die Sparquote. Die Inflation ist leicht negativ, die Beschäftigung bleibt dank der staatlichen Stützungsmaßnahmen stabil, auch wenn sie noch nicht alle Arbeitskräfte erreichen.
Mit Hilfe der europäischen Gelder ist mit einer Verlängerung der Hilfen auch für 2021 zu rechnen, was das Auslaufen des Kündigungsverbots, das bislang bis Ende Januar gilt, lindern könnte. Zumindest im Dienstleistungssektor ist jedoch mit spürbar steigender Arbeitslosigkeit zu rechnen.
Insgesamt könnten die Hilfsmaßnahmen und die unterdrückten Käufe 2020 im Lauf von 2021 unter hoffentlich günstigeren Bedingungen eine Ausgabensteigerung mit sich bringen. Für das Jahr 2020 werden die privaten Konsumausgaben um etwa 11 Prozent sinken, um dann 2021 um etwa 6 Prozent zu wachsen. Dennoch wird der Konsum 2021 wohl unter Vor-Covid-Niveau bleiben.
Zwischen Januar und September 2020 sank der Import um 15,3 Prozent und der Export um 11,6 Prozent. Entsprechend verhalten sind die Erwartungen für das Gesamtjahr 2020, auch wenn sich in einigen Absatzmärkten wie China, Polen und der Schweiz wieder mehr Nachfrage zu bilden scheint. Die Lieferungen nach Deutschland gingen weniger stark zurück als der Gesamtexport. Während Kapitalgüter sowohl im Export als auch Import deutlich verloren, waren die Einbußen bei nicht-dauerhaften Konsumgütern weniger ausgeprägt.
Im Jahr 2020 wird der Export von verarbeiteten Waren voraussichtlich um etwa 13 Prozent sinken, bei den Dienstleistungen ist die Lage noch unvorteilhafter, nicht zuletzt durch den Einbruch im Tourismus. Der Warenimport wird 2020 schätzungsweise um 11 Prozent nachgeben.
Im Jahr 2021 könnte eine Aufwertung des Euro den Export ins Nicht-EU-Ausland belasten, ebenso die unstete Nachfrage auf dem US-Markt, wo sich zurzeit wieder eine Aufwärtstendenz abzeichnet. Insgesamt rechnen Experten damit, dass der italienischen Export schneller wächst als der globale Handel und 2021 wieder um rund 9 bis 11 Prozent zulegen könnte. Damit könnte er der heimischen Konjunktur einen positiven Impulse geben. Auch der Import sollte sich in ähnlicher Größenordnung entwickeln.
2019 | 1. Halbjahr 2020 | Veränderung 1. Halbjahr 2020/1. Halbjahr 2019 | |
---|---|---|---|
Importe | 422.914 | 178.416 | -17,3 |
Exporte | 475.848 | 201.413 | -15,3 |
Handelsbilanzsaldo | 52.934 | 22.997 | - |