Wirtschaftsausblick | Italien
Italiens Wirtschaft wächst nur leicht
Der Konsum und die Investitionen legen 2025 in Italien zu, erwartet die Europäische Kommission im Mai. Die unsichere internationale Konjunktur beeinträchtigt jedoch den Export.
27.05.2025
Von Torsten Pauly | Mailand
Top-Thema: US-Zölle bergen Unwägbarkeiten
Längerfristige US-Zollerhöhungen können die italienische Konjunktur beinträchtigen, denn die USA sind für die Unternehmen der zweitwichtigste Auslandsmarkt nach Deutschland. Über den Atlantik gingen 2024 Warenausfuhren im Wert von 64,8 Milliarden Euro und der bilaterale Außenhandel hat 27,7 Prozent von Italiens weltweitem Exportüberschuss generiert. Für Italiens größten Industriezweig, den Maschinenbau, waren die USA zuletzt sogar der führende Auslandmarkt, ebenso für die wichtige Pharmaindustrie.
Sorgen bestehen auch wegen möglicher Barrieren im Dienstleistungsaustausch. Anders als viele andere EU-Staaten erwirtschaftet Italien auch hierbei gegenüber den USA einen Überschuss. Dennoch sind viele italienische Unternehmen auf US-Dienstleistungen angewiesen, insbesondere bei Patenten und im Informations- und Kommunikationssektor.
Auch die Europäische Kommission hat ihre Exportprognose für Italien im Mai 2025 gesenkt. Nunmehr erwartet sie im Gesamtjahr nur noch eine reale Zunahme der Ausfuhren von Waren und Dienstleistungen um 0,9 Prozent. Noch im November 2024 war sie von einem Plus von 2,3 Prozent ausgegangen.
Auch deutsche Investoren hegen Bedenken. Laut der Deutsch-Italienischen Handelskammer (AHK) sind 77 Prozent der befragten Mitglieder im Mai 2025 der Ansicht, dass die US-Handelspolitik ihrem Unternehmen schadet.
Wirtschaftsentwicklung: Wachstumsprognose für 2025 herabgesetzt
Der niedrigere Auslandsabsatz beeinträchtigt auch die Gesamtkonjunktur. Im Jahr 2025 soll das italienische Bruttoinlandsprodukt (BIP) laut Prognose der Europäischen Kommission von Mai 2025 preisbereinigt um nur noch 0,7 Prozent steigen. Ende 2024 hatte die Europäische Kommission noch ein reales Wachstum von 1 Prozent erwartet. Stärkster Konjunkturtreiber ist dabei der Konsum der Haushalte, so die Prognose im Mai. Insgesamt soll die italienische Inlandsnachfrage 2025 um 1 Prozent zunehmen. Dies eröffnet auch deutschen Unternehmen Lieferchancen, denn Italiens Einfuhr von Waren und Dienstleistungen erhöht sich um 1,7 Prozent.
Problematisch bleibt das wirtschaftliche Nord-Süd-Gefälle. Dieses verringert sich zwar seit Jahren, auch dank laufender Großprojekte im Süden wie einer Chipfabrik, eines Flugzeugwerks oder von Energieanlagen. Dennoch war das BIP pro Kopf 2023 in Norditalien um 83,1 Prozent höher als im Mezzogiorno. Dieser umfasst die sechs südlichsten Festlandsregionen samt Sizilien und Sardinien. Von dort wandern Talente ab, denn die Arbeitslosigkeit war 2024 im Süden mit 12,1 Prozent fast dreimal so hoch wie in den nördlichen Regionen mit 4,1 Prozent. Zudem gibt es ein Einkommensgefälle.
Hoch bleibt die öffentliche Verschuldung. Diese wird 2025 laut Europäischer Kommission 136,7 Prozent des BIP entsprechen, was EU-weit der zweithöchste Wert nach Griechenland ist.
Investitionstätigkeit steigt moderat
Die italienischen Investitionen in Ausrüstungen sollen 2025 laut Europäischer Kommission um real 0,9 Prozent steigen. Gründe für das nur moderate Wachstum sind unsichere Konjunktur- und Absatzaussichten für die Hersteller in Italien und für die wichtigen Auslandsmärkte sowie die weiterhin hohen Zinsen. Diese verteuern die Investitionskredite. Anschaffungen der Hersteller begünstigen dagegen 2024 neue öffentliche Förderprogramme.
Die hohen Zins- und Kreditkosten beeinträchtigen auch die italienische Baukonjunktur. Die Investitionen steigen 2025 nur leicht um real 0,5 Prozent, erwartet die Europäische Kommission. Zudem ist Ende 2024 das breit angelegte Förderprogramm Superbonus für energieeffiziente Investitionen ausgelaufen und nicht ersetzt worden.
Höhere Realeinkommen fördern Kauflaune der Haushalte
Die Beschäftigung soll sich in Italien 2025 laut Europäischer Kommission um 0,9 Prozent ausweiten. Zudem sollen die Reallöhne um 1,7 Prozent steigen, auch weil die Inflation 2025 mit 1,8 Prozent moderat ausfallen soll. Daher wird der private Konsum 2025 mit einem realen Wachstum um 1,2 Prozent in der Erwartung der Europäischen Kommission stärkster Konjunkturtreiber in Italien sein.
Die Haushalte konsumieren allerdings zunehmend auch auf Kredit. Die entsprechenden Darlehen waren Ende 2024 um 5,3 Prozent höher als vor Jahresfrist und ein Einwohner war im Durchschnitt mit 2.873 Euro verschuldet.
Außenhandel unter Druck
Der Warenexport war in den letzten Jahren oft einer der stärksten Konjunkturtreiber in Italien, denn viele Hersteller sind technologiestark und profitieren von günstigen Lohnstückkosten. Im Jahr 2024 gab es jedoch einen Ausfuhrrückgang um nominal 0,4 Prozent, welcher der schwachen Konjunktur in wichtigen Abnehmerländern wie Deutschland und Frankreich geschuldet war. Der Abwärtstrend soll sich 2025 durch Handelsbarrieren verstärken: Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat im April geschätzt, dass Italiens Warenausfuhr im Gesamtjahr um real 2,9 Prozent sinken wird.
Deutsche Perspektive: Unternehmen bleiben überwiegend optimistisch
Trotz der unsicheren Export- und Konjunkturerwartungen rechnen im Mai 2025 etwa 33 Prozent der von der AHK befragten Mitglieder mit einer besseren Geschäftslage in den kommenden zwölf Monaten. Dagegen erwarten 21 Prozent eine Verschlechterung. Ihre Beschäftigung ausbauen wollen 35 Prozent der AHK-Mitglieder, während 13 Prozent einen Stellenabbau planen. Auch wollen 23 Prozent der Firmen ihre Investition in Italien in den kommenden zwölf Monaten erhöhen, 17 Prozent prognostizieren eine Verringerung.