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Wirtschaftsausblick | Äthiopien
Seit November 2022 besteht in Äthiopien die Hoffnung auf ein Ende des Krieges in Tigray. Bleibt der Frieden bestehen, dann würde das auch zur Erholung der Wirtschaft beitragen.
01.12.2022
Von Carsten Ehlers | Nairobi
Die Konjunkturaussichten Äthiopiens für das Jahr 2023 sind aktuell mittelprächtig: Economist Intelligence Unit (EIU) erwartet ein reales Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) in Höhe von 4,0 Prozent. Das ist weit entfernt von der Boomphase der Jahre 2014 bis 2019, als teilweise zweistellige Zuwachsraten erreicht wurden.
Die Devisenknappheit verschärft sich weiter. Nur noch für etwa einen Monat reichen die Reserven der Zentralbank. Der Wechselkurs der äthiopischen Währung Birr zum US-Dollar wird künstlich hochgehalten, auf dem Schwarzmarkt muss man für einen Dollar inzwischen fast das Doppelte bezahlen. Abwertungen des Birr sind nur noch eine Frage der Zeit. Für Unternehmen wird es immer schwieriger, an Devisen zu kommen. Viele Luxusgüter dürfen gar nicht mehr importiert werden. Auch exportierende Unternehmen, zum Beispiel Kaffeeproduzenten, müssen einen Großteil ihrer eingenommenen Devisen an die Zentralbank abführen.
Der im Jahr 2021 begonnene Krieg in der Tigray-Region verschärfte die wirtschaftlichen Probleme. Im November 2022 haben die Kriegsparteien nun ein Ende des Krieges beschlossen. Sollte der Beschluss nachhaltig Bestand haben, was viele Beobachter derzeit glauben, dann dürften internationale Geber wie der Internationale Währungsfonds (IWF) auf Eis gelegte Hilfsgelder wieder auszahlen. Hilfe ist dringend notwendig, auch angesichts der Dürren und Nahrungsmittelknappheit in Tigray und der Somali-Region.
Höchst unterschiedlich ist die Stimmung in den einzelnen Branchen. Während es in der Landwirtschaft und im Bausektor Zeichen eines Aufschwungs gibt, bleibt die Situation in der Textilindustrie schwierig. Sie leidet vor allem unter der Aufkündigung des Agoa-Abkommens seitens der USA. Detaillierte Informationen zu weiteren Branchen enthalten die GTAI-Berichte zu den Bereichen Energie, Nahrungsmittelindustrie und Finanzsektor.
Indikator | 20211 | 20222 | Vergleichsdaten Deutschland 2021 |
---|---|---|---|
BIP (nominal, Mrd. US$) | 99,3 | 112,2 | 4.263 |
BIP pro Kopf (US$) | 995,7 | 1.097,6 | 51.238 |
Bevölkerung (Mio.) 3 | 120,3 | 123,4 | 83,2 |
Wechselkurs (Jahresdurchschnitt, 1 US$ = x Birr (Br)) | 43,7 | 52,8 | - |
Der Staat stellt wieder mehr Geld für den Bau von Straßen und Dämmen zur Verfügung. Äthiopier, die zu Geld kommen, legen es überwiegend in Immobilien an, da sie es ohnehin nicht ins Ausland transferieren können. Der äthiopische Bausektor blickt daher optimistisch auf das Jahr 2023. Auch der Agrarsektor expandiert, insbesondere die Produktion von Weizen steigt massiv an. Zahlreiche Farmen investieren in Landtechnik, für die Devisen prioritär zugeteilt wird.
Für Auslandsinvestitionen bleibt Äthiopien, von wenigen Ausnahmen abgesehen, ein geschlossener Markt. Premierminister Abiy Ahmed versucht, einige Sektoren zu öffnen. Zum Beispiel erhielt die kenianische Safaricom die zweite Mobilfunklizenz des Landes und investiert nun mehrere Milliarden US-Dollar in den Aufbau ihres Netzes. Auch im Bankensektor wurden ausländische Beteiligungen erlaubt. In anderen Sektoren, wie zum Beispiel dem Handel, können Ausländer kaum investieren.
Projektbezeichnung | Investitionssumme (Mrd. US$) | Projektstand | Projektträger |
Neuer Flughafen Addis Abeba in Bishoftu | 5,0 | Geplant seit 2020 | Ethiopian Airlines |
Ethiopia-Djibouti Gas Pipeline, Verflüssigungsanlage und LNG-Terminal in Dschibuti | 4,2 | Geplant; im September 2022 wurde Poly-GCL von der äthiopischen Regierung die Lizenz entzogen | Derzeit kein Konzessionär; Vergabe der Konzession durch Ministry of Mines |
Wasserkraftwerk Koysha (2.160 MW) | 2,8 | Im Bau; jedoch mit Verzögerungen aufgrund von Finanzierungsproblemen | |
Danakil Potash Project | 2,3 | Oktober 2021 neue Machbarkeitsstudie: "1. Phase für 430 Mio. US$"; sonst kein Projektfortschritt | |
"La Gare" Luxury Integrated Community Development | 1,9 | Projekt wurde 2018 beschlossen; verzögert sich aber seitdem, u.a. wegen Zementmangels |
Informationen zu aktuellen geberfinanzierten Projekten bietet die GTAI-Länderseite Äthiopien, Rubrik "Ausschreibungen" und "Entwicklungsprojekte".
Der Verbrauch leidet unter einer hohen Inflation. Diese dürfte im Jahr 2022 bei deutlich über 30 Prozent gelegen haben - ein Trend, der wohl auch 2023 anhalten wird. Die knappen Devisen werden vor allem für die dringendsten Güter wie Treibstoff, Nahrungsmittel und Dünger ausgegeben. Die massiv gestiegenen internationalen Frachtraten verteuern die Importe zusätzlich. Viele Güter werden deshalb nur in kleinerer Menge eingekauft. Die höhere Knappheit führt wiederum zu höheren Preisen.
Wie attraktiv der in Teilen noch unerschlossene Konsumgütermarkt mit seinen derzeit rund 123 Millionen Menschen ist, zeigen die umfangreichen Investitionen in Sektoren wie dem Mobilfunk oder der Nahrungsmittelindustrie. Der Einzelhandel hingegen ist stark rückständig. Internationale Ketten sucht man vergeblich. Auch führen die lokalen Supermärkte nur eine geringe Auswahl an Importprodukten, weil vieles nicht importiert werden darf.
Die deutschen Exporte erreichten bis August 2022 laut Statistischem Bundesamt einen Wert von rund 99 Millionen Euro. Dies ist ein niedriger Wert, wie schon im Vorjahr 2021, als insgesamt etwa 151,6 Millionen Euro erreicht wurden. In den Jahren bis 2020 lag der Ausfuhrwert noch deutlich höher, teilweise bei über 300 Millionen Euro. Die deutschen Importe aus Äthiopien stiegen zuletzt stark an, vor allem von Kaffee.
Weltweit gesehen leidet Äthiopien unter einem riesigen Handelsbilanzdefizit, das langsam abgebaut werden soll. Neben Kaffee werden vor allem Gold und Schnittblumen ausgeführt. Strom, Mineralien, Erdgas und Weizen sollen bald hinzukommen. Abgewickelt wird der Außenhandel bislang vor allem über den Hafen im Nachbarland Dschibuti. Konkurrenz erwächst nun in Berbera (Somaliland), wo Dubai Ports World gerade einen neuen Hafen für die Versorgung von Äthiopien baut.
2021 | 2022 * | Veränderung 2022/21 | |
---|---|---|---|
Importe (fob) | 14.333 | 16.749 | 16,9 |
Exporte (fob) | 3.930 | 4.203 | 6,9 |