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Autoindustrie in Algerien: noch Sand im Getriebe
In Algerien waren die Erwartungen hoch, dass ein größeres Kfz-Angebot die Preise senkt. Doch Produktion und Importe kommen nur schleppend voran.
16.07.2025
Von Verena Matschoß | Tunis
Ausblick der Kfz-Branche in Algerien
- Ein neuer Rechtsrahmen belebt zwar die Kfz-Industrie, aber bisher kommt die Produktion nur schleppend voran.
- Um den Bedarf der Kfz-Produzenten zu decken, muss die Zulieferindustrie noch wachsen.
- Für die Jahre 2024 und 2025 wurden keine neuen Importquoten vergeben, somit bleibt das Angebot gering.
Anmerkung: Einschätzung der Autorin für die kommenden zwölf Monate auf Grundlage von prognostiziertem Umsatz- und Produktionswachstum, Investitionen, Beschäftigungsstand, Auftragseingängen, Konjunkturindizes etc.; Einschätzungen sind subjektiv und ohne Gewähr; Stand: Juli 2025
Markttrends
Der Bedarf an Autos - sei es neu oder gebraucht - ist in Algerien enorm. Das liegt daran, dass jahrelang aufgrund von Vorwürfen gegen Produzenten, um verdeckte Importe und um einheimische Hersteller zu fördern, keine Kfz produziert oder neue Autos importiert werden durften. Der jährliche Fahrzeugbedarf wird auf 500.000 Einheiten geschätzt - bei 47 Millionen Einwohnern.
Mit neuen gesetzlichen Regelungen im Jahr 2022 entstand die Hoffnung auf eine Entspannung der Marktsituation. Seitdem sind Tätigkeiten als Kfz-Produzent und Konzessionär wieder erlaubt. Bislang hat sich diese Erwartung jedoch nicht erfüllt: Die lokale Produktion läuft nur schleppend an, und die Neuwagenimporte entwickeln sich langsam. Das führt dazu, dass auch die Preise für Gebrauchtwagen sehr hoch bleiben. Deutschland war im Jahr 2024 drittwichtigstes Lieferland von Kfz - hinter Frankreich und China.
Der Aufbau einer eigenen Autoindustrie ist eine Priorität in der Industrialisierungspolitik Algeriens. Wenn Algerien seine regulatorischen Hürden abbaut und die Zulieferindustrie stärkt, könnte es mittelfristig zu einem Wettbewerber in Nordafrika werden. Im Vergleich zu anderen Ländern der Region hinkt die Entwicklung allerdings noch hinterher. Während Marokko und Ägypten bereits über eine Kfz-Produktion verfügen, nimmt in Tunesien die Zulieferindustrie eine bedeutende Rolle ein.
Keine neuen Importquoten in Sicht
Neuwagen dürfen in Algerien nur von Händlern mit einer Genehmigung eingeführt werden. Dabei erhalten die Konzessionäre Importquoten. Für das Jahr 2023 hat die Regierung Importquoten vergeben, die bis ins Jahr 2024 verlängert wurden, da nicht alle Händler ihr Kontingent ausschöpften. Das algerische Industrieministerium gibt an, dass bis zum 18. April 2024 von den genehmigten Importen in Höhe von 180.000 Fahrzeugen rund 160.000 Fahrzeuge von 24 Händlern eingeführt wurden. Darunter waren Modelle von Fiat, Opel, Jac, Chery und Geely.
Das Exekutivdekret Nr. 22-383 für die Aufnahme einer Konzessionärstätigkeit wurde am 17. November 2022 im algerischen Amtsblatt Nr. 76 veröffentlicht.
Der Konzessionär muss unter anderem:
- über geeignete Einrichtungen für die Ausstellung, den Kundendienst und die Lagerung verfügen.
- Personal mit erforderlicher Qualifizierung oder ausreichender Berufserfahrung einstellen.
- nach Ablauf eines Jahres in 28 Regionen (Wilayas) vertreten sein.
- über einen ausreichenden Vorrat an geeigneten Ersatzteilen verfügen.
Die Zulassung ist für fünf Jahre gültig und kann verlängert werden. Die Genehmigung kann nur für Kfz mit einem Benzin-, Elektro-, Wasserstoff- oder Hybridmotor erteilt werden.
Stellantis erhielt als einziges Unternehmen, das in Algerien produziert, die höchsten Importquoten für die Marke Fiat. Insgesamt wurden 97.000 Fiat-Fahrzeuge importiert. Für die Jahre 2024 und 2025 wurden keine neuen Quoten vergeben, und es ist unklar, wann dies wieder erfolgen wird.
Viele Ankündigungen von Produzenten
Viele Hersteller haben Investitionen angekündigt, doch bisher produziert nur Stellantis in Algerien. Das Werk in Tafraoui (Wilaya Oran) wurde im Dezember 2023 eingeweiht. Die angestrebte Produktion von 40.000 Fahrzeugen im Jahr 2024 wurde mit 24.000 Einheiten nur zu 60 Prozent erreicht. Im Werk werden Fiat 500 mit Hybridmotor und seit Juni 2024 auch der Fiat Doblò montiert. Bis 2026 soll die Produktion auf 90.000 Fahrzeuge jährlich steigen. Im Fiat-Werk sind rund 2.200 Personen beschäftigt.
Größtes Neuvorhaben ist das Werk von Hyundai. In der neuen Fabrik sollen drei Pkw-Modelle und zwei Modelle von Nutzfahrzeugen produziert werden.
Vorhaben | Investitionssumme | Projektstand | Anmerkungen |
---|---|---|---|
Werk von Hyundai (Südkorea) / Hyundai Motors Manufacturing Algeria | 400 | geplant | Vorabgenehmigung wurde erteilt, Umsetzung in Zusammenarbeit mit einer omanischen Gruppe; Inbetriebnahme für Ende 2026 geplant |
Werk von Geely (China) / Sodivem (Algerien) | 200 | geplant | Kapazität: 50.000 Fahrzeuge pro Jahr, Inbetriebnahme im Jahr 2026 |
Werk von Chery (China) in Sétif / Iris (Algerien) | 130 | geplant | Kapazität: 50.000 Fahrzeuge pro Jahr; Genehmigung erhalten |
Werk von Jetour (China) / Fondal (Teil des algerischen Konzerns Imetal) | 105 | in Umsetzung | Kapazität: 270.000 Fahrzeuge pro Jahr; auf dem Gelände des ehemaligen Kia-Werks in Batna; Produktionsstart Ende 2025 geplant |
Werk von Iveco (Italien) in Bouira / Ferrovial (Algerien) | 31 | im Bau | Kapazität: 4.000 Fahrzeuge pro Jahr; Fertigstellung für Ende 2025 geplant |
Erweiterung des Fiat- Werks in Oran / Stellantis Algérie | k.A. | im Bau | Schweiß- und Lackieranlage, Inbetriebnahme Ende 2025 |
Werk von JAC Motors (China) in Ain Témouchent / JAC Algérie | k.A. | fertiggestellt | endgültige Genehmigung steht noch aus, Kapazität: 25.000 Fahrzeuge pro Jahr; erweiterbar auf 100.000 Einheiten |
Werk von Great Wall Motors (China) / Cevital (Algerien) | k.A. | im Bau | Grundsteinlegung in Aïn Defla erfolgt; Produktionsstart 2026 geplant |
Kein grünes Licht für Renault
Nicht alle Hersteller erhielten eine Genehmigung: Renault darf seine Anlage in Oued Tlelat (Oran) vorerst nicht wieder in Betrieb nehmen. Auch die Produktion von Lkw durch die Volvo Group-Renault Trucks wurde abgelehnt. Hintergrund sind vermutlich auch diplomatische Spannungen zwischen Algerien und Frankreich – insbesondere seit der Anerkennung der marokkanischen Souveränität über die Westsahara durch Frankreich im Juli 2024.
Branchenstruktur und Rahmenbedingungen
Ende 2022 wurde der Rechtsrahmen für die Kfz-Industrie grundlegend überarbeitet. Die Regierung verfolgt mit ihrer Strategie nicht nur den Aufbau einer Montageindustrie, sondern auch die Entwicklung einer lokalen Zulieferstruktur. Rückblickend auf frühere Fehler, soll eine höhere Wertschöpfungstiefe erreicht werden.
Am 17. November 2022 wurde das Exekutivdekret Nr. 22-384 im algerischen Amtsblatt Nr. 76 veröffentlicht. Es legt die Voraussetzungen für eine Aufnahme einer Kfz-Produktion in Algerien fest.
Der Hersteller von Pkw und leichten Nutzfahrzeugen muss unter anderem:
- die Höhe der geplanten Investition und die zu produzierenden Modelle angeben.
- eine Strategie vorlegen, wie er einem Lokalisierungsgrad von 10 Prozent nach Abschluss des zweiten, von 20 Prozent nach Abschluss des dritten und von 30 Prozent nach Abschluss des fünften Jahres erreichen will.
- nach fünf Jahren auch Fahrzeuge exportieren.
- nach fünf Jahren in seine Produktpalette mindestens ein Elektromodell aufnehmen.
Fachleute weisen darauf hin, dass fünf Hersteller ausreichen würden, um die Nachfrage des algerischen Marktes zu decken. Auch deshalb müssen sich Hersteller verpflichten, spätestens nach fünf Jahren Produktion den Export aufzunehmen. Für die Produktion vor Ort ist eine Genehmigung der Regierung erforderlich. Am 7. Juli 2025 kündigte Präsiden Tebboune an, dass die Zuständigkeit ausschließlich beim Ministerrat liegen solle.
Stellantis produziert derzeit im SKD-Modus (Semi Knocked Down) und erweitert die Fertigung um eine Schweiß- und Lackiererei, um eine lokale Integrationstiefe von 20 Prozent zu erreichen. Der Konzern gab im Mai 2025 bekannt, vier Absichtserklärungen mit algerischen Zulieferern unterzeichnet zu haben:
- Martur (Sitze)
- Purem (Auspuffanlagen)
- Silverton (Lautsprecher)
- Sigit-ACS (Kunststoffteile)
Damit steigt die Anzahl lokaler Zulieferer von Kfz-Teilen und -Komponenten für Stellantis auf zwölf.
Lokale Zulieferindustrie muss sich noch entwickeln
Um den Anforderungen der Automobilhersteller in Algerien gerecht zu werden, muss sich die lokale Zulieferindustrie noch weiterentwickeln. Nach Schätzungen der Bourse Algérienne de Sous-traitance et de Parteneriat (BASTP) gibt es derzeit rund 200 Zulieferer und Hersteller von Kfz-Ersatzteilen - hauptsächlich im Bereich des Aftermarkets. Viele Industrieprojekte sind in Planung, um diese Zahl weiter zu steigern. Ein großer Teil ist im Osten und Zentrum des Landes angesiedelt.
Hierbei gibt es auch Partnerschaften mit internationalen Unternehmen. Am 19. Mai 2025 unterzeichnete das algerische Unternehmen SIPLAST mit der italienischen Gruppe SIGIT ein Abkommen, um Kunststoffteile in Sétif herzustellen. Die algerische Gesellschaft Anabib und das chinesische Unternehmen Auto Lumiar haben Anfang März 2025 vereinbart, ein Joint Venture zu gründen. In Réghaïa sollen Kfz-Ersatzteile produziert werden, zu Beginn Scheinwerfer und Stoßstangen.
Am 23. April 2024 wurde in Constantine das algerisch-türkische Autoteilewerk Cirta Automotive eingeweiht. Die Kapazität liegt bei 2,5 Millionen Automobilersatzteilen pro Jahr. Das Unternehmen ist auf die Herstellung verschiedener Gummiteile für Leicht- und Nutzfahrzeuge spezialisiert.