Brasiliens Nachfrage nach Industriechemikalien, Farben und Lacken, Agrarchemie sowie Bioethanol wächst. Was bringt 2025?
Weltweit schwächelt die Chemieindustrie. Überkapazitäten und die steigende Unsicherheit durch geopolitische Konflikte lasten auf der Branche – auch in Brasilien. Deutlich niedrigere Preise führten dazu, dass der Umsatz auf dem brasilianischen Markt 2024 um 2,3 Prozent auf umgerechnet 158,6 Milliarden US-Dollar (US$) sank. Gerechnet in der Landeswährung Real (R$) legten die Umsätze aber um 2,1 Prozent zu. Der Grund hierfür liegt an der hohen Abwertung der brasilianischen Währung seit Sommer 2024. Diese Zahlen gab der Verband der Chemieindustrie Abiquim im Dezember 2024 bekannt.
Am stärksten trugen die Sparten Agrarchemie und Industriechemikalien zu dem Rückgang bei. Auch bei Kosmetika sowie bei synthetischen und künstlichen Fasern ging der Umsatz 2024 zurück. Dagegen verzeichneten Pharmazeutika ein hohes Umsatzwachstum. Die Nachfrage nach Reinigungsmitteln sowie nach Farben und Lacken entwickelte sich ebenfalls positiv.
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Platz: Auf diesem Rang steht Brasilien weltweit beim Verbrauch von chemischen Erzeugnissen.
Nachfrage nach Industriechemikalien wächst
Das Jahr 2024 war ein überraschend gutes Jahr für die verarbeitende Industrie. Die Zinssenkungen ab Mitte 2023, die niedrige Arbeitslosigkeit und neue Kreditmöglichkeiten regten die Nachfrage nach Kapital- und langlebigen Verbrauchsgütern an.
Die Produktion des verarbeitenden Gewerbes stieg 2024 um 3,8 Prozent. Noch stärker wuchs die Herstellung von Industriechemikalien – nach vorläufigen Zahlen um 4,4 Prozent. Gleichzeitig legte der Inlandsverkauf in der Sparte um 7,2 Prozent zu. Damit bewegt sich der Importanteil weiter auf einem Rekordniveau von rund 45 Prozent.
Die Nachfrage nach Grundprodukten für Kunststoffe ist 2024 um etwa 3 Prozent gestiegen, meldet der Händlerverband Adirplast. Ein Teil des Nachfragewachstums ergab sich allerdings dadurch, dass Unternehmen im Vorfeld von Zollerhöhungen die Lager aufstockten. Dennoch erwartet Adirplast auch für 2025 einen Zuwachs um 2 bis 3 Prozent. Sowohl aus dem Bausektor sowie bei Verpackungen und der Kfz-Industrie erwartet der Verband positive Impulse.
Der Verband der Kunststoffverarbeiter Abiplast erwartet für 2025 ein etwas geringes Wachstum als im Vorjahr. Der Markt für Polyvinylchlorid (PVC) profitiert von dem Wachstum im sozialen Wohnungsbau und den Investitionen der Wasserwirtschaft. Am Markt für Polyethylen (PE) rechnet Braskem, Brasiliens größter Petrochemiekonzern, mit einem Zuwachs um 4 Prozent. Der Bedarf an Polypropylen (PP) soll um voraussichtlich 3,5 Prozent zulegen. Der Bedarf an Polyethylenterephthalat (PET) sei 2024 um bis zu 3 Prozent gestiegen, berichtet der Branchenverband Abipet, der für 2025 mit einem Zuwachs in derselben Größenordnung rechnet.
Brasilien produziert mehr Farben und Lacke als Deutschland
Die Fertigung von Farben und Lacken ist 2024 um 6 Prozent auf 1,98 Milliarden Liter gestiegen. Laut Branchenverband Abrafati überholte Brasilien damit Deutschland und stieg zum viertgrößten Produzenten weltweit auf. Für 2025 erwartet Abrafati ein Wachstum von 2,5 bis 3 Prozent.
Alle Marktsegmente legten 2024 zu. Angetrieben wird die Entwicklung durch Bautenfarben, die 2024 drei Viertel des Verkaufsvolumens ausmachten und um 5,9 Prozent wuchsen. Das Segment Industriefarben und -lacke legte um 6,3 Prozent zu. Der Absatz von Kfz-Reparaturlacken stieg um 3,6 Prozent. Im Segment Fahrzeuglacke an Original Equipment Manufacturer (OEM-Hersteller) ergab sich mit 9,7 Prozent das kräftigste Wachstum, doch der Absatz reicht mit 36 Millionen Litern noch nicht an den des Vor-Corona-Jahres 2019 (39 Millionen Liter) heran.
Umsatz mit Agrarchemie dürfte 2025 wieder zulegen
Die Landwirtschaft überraschte 2024 positiv. Die Bruttowertschöpfung in dem Sektor stieg um 0,4 Prozent. Erwartet wurde ein Rückgang um 1 Prozent. Für 2025 rechnet der Agrarverband CNA mit einer Rekordernte und einem Wachstum um 9 bis 11 Prozent.
Mit bis zu drei Ernteperioden im Jahresverlauf und kontinuierlich wachsender Anbaufläche bleibt Brasilien weltweit der wichtigste Markt für Pflanzenschutzmittel und größter Importeur von Düngemitteln. Entwicklungen am globalen Markt für Agrarchemie haben gravierende Auswirkungen auf Brasilien. Schließlich importiert das Land 90 Prozent der Wirkstoffe für Pflanzenschutzmittel und etwa 85 Prozent der Nährstoffe für Dünger.
Die Nachfrage nach Pflanzenschutzmitteln wächst mit hohen Raten. Die Aussichten für das Erntejahr 2024/25 sind positiv. Nach dem Zuwachs um 9,2 Prozent erwartet der Branchenverband Sindiveg für 2025 eine Erweiterung der behandelten Agrarflächen um 6 Prozent. Der Umsatzrückgang um 8,1 Prozent auf 19,4 Milliarden US$ im Jahr 2024 geht auf sinkende Preise zurück.
Noch deutlicher wirkten sich die gesunkenen Preise 2024 auf die Düngemittelsparte aus. Der Branchenumsatz sank um 15 Prozent auf 13,9 Milliarden US$, der Düngerverkauf um 0,5 Prozent auf 45,6 Millionen Tonnen. Für 2025 erwartet der Branchenverband ANDA ein Wachstum um bis zu 7 Prozent. Die Importe der drei Hauptnährelemente Stickstoff, Phosphor und Kalium stiegen 2024 um 4,8 Prozent auf ein neues Rekordniveau von 41,3 Millionen Tonnen. Derweil wuchs die inländische Produktion von Stickstoff und Phosphor um 3,8 Prozent auf 7,2 Millionen Tonnen.
Ethanolgehalt im Benzin soll auf 30 Prozent steigen
Im Oktober 2024 erließ die Regierung das Gesetz zur Förderung nachhaltiger Kraftstoffe. Der weitere Wachstumskurs für Biokraftstoffe ist damit vorgezeichnet. Steuererhöhungen auf Benzin vergrößerten 2024 den Preisvorteil von Biosprit. Die Nachfrage nach Bioethanol legte 2024 um 33,4 Prozent auf 21,7 Milliarden Liter zu, während die nach Benzin um 4 Prozent auf 44,2 Milliarden Liter sank. Nun erwägt das Energieministerium den Beimischungsanteil von Bioethanol im Benzin von bislang 27 auf 30 Prozent anzuheben.
Brasiliens Kfz-Kraftstoffverbrauch stieg 2024 um 4,2 Prozent auf 133,1 Milliarden Liter. Etwa die Hälfte davon entfällt auf Diesel. Angetrieben durch den Transportsektor und das starke Agribusiness steigt der Dieselkonsum kontinuierlich (2024: +2,6 Prozent).
Ausgewählte Investitionsprojekte der chemischen Industrie in BrasilienInvestitionssumme in Millionen US-Dollar *)Akteur / Projekt (Bundesstaat) | Investitionssumme | Projektstand/Anmerkungen |
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Petrobras / Fertigstellung der Stickstoffdüngeranlage UFN 3 in Três Lagoas (Mato Grosso do Sul) | 3.500 | Bau wurde 2014 zu 80% fertiggestellt; wegen Abschreibungen/Verfall fehlen heute noch 30% zur Fertigstellung; Baubeginn 2025, Inbetriebnahme bis 2028; Produktionskapazität pro Tag: 3.600 t Harnstoff/2.200 t Ammoniak |
Raízen (Joint Venture von Shell Brasil und Cosan) / Produktion von Bioethanol der zweiten Generation und anderen Biokraftstoffen (Modernisierung der Zuckerrohrverarbeitung) in insgesamt neun Anlagen | 2.134 | Unterzeichnung der Absichtserklärung am 08.10.24; zwei Anlagen bereits fertiggestellt (Costa Pinto und Bonfim), zwei weitere im Bau befindlich |
Atvos (Staatsfonds Mubadala, Abu Dhabi) / Produktion von Bioethanol aus Mais, von Biomethan aus Reststoffen der Zucker-Ethanol-Produktion sowie von SAF (Sustainable Aviation Fuel) | 1.855 | Ankündigung im Januar 2025 des Investitionsplans 2025 bis 2033; erstes Projekt ist eine Biomethan-Anlage in Nova Alvorada do Sul (Mato Grosso do Sul), soll Ende 2026 in Betrieb gehen |
Petrobras / Ausbau der Raffinerie RNEST in Ipojuca (Pernambuco) | 1.560 | Ankündigung im Januar 2024, Ausbau der Verarbeitungskapazität für Rohöl, darunter bis Ende 2025 um 30.000 auf 130.000 t, bis 2028 Verdopplung auf 260.000 t |
Atlas Agro Brasil Fertilizantes / Elektrolyseanlage und Stickstoffdüngerfabrik in Uberaba (Minas Gerais) | 1.150 | Produktion von 2,5 GWh pro Jahr, Baubeginn 2025, Inbetriebnahme ab 2028 |
Paranafert / Stickstoffdüngerfabrik in Sapopemba (Paraná) | 557 | Ankündigung im August 2024; Anlage mit einer Produktionskapazität von 520.000 t Stickstoffdünger pro Jahr |
GranBio / Bioraffineriekomplex Exygen in São Miguel dos Campos (Alagoas) | 278 | Ankündigung am 27.01.25; Phase I bis 2026: 160 Mio. l Bioethanol aus Reststoffen der Zucker-Ethanol-Industrie; Phase II: Biomethan, Biodünger und E-Methanol |
Braskem / Sieben Projekte zur Erweiterung der Produktion von PE, PVC und anderen Erzeugnissen in den Bundesstaaten Bahia, Rio Grande do Sul und Alagoas | 114 | Ankündigung am 17.01.25 |
* Bei Angaben ursprünglich in R$ umgerechnet zum durchschnittlichen Wechselkurs 2024: 1 US$ = 5,39 R$.Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest 2025
Von Gloria Rose
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São Paulo