Wirtschaftsausblick | Chile
Chiles Wirtschaft legt zu – doch große Chancen bleiben ungenutzt
Chiles Wirtschaft wächst 2026 solide. Zahlreiche in den Vorjahren vorbereitete Projekte werden konkret. Doch der deutsche Lieferanteil sinkt.
16.12.2025
Von Stefanie Schmitt | Santiago de Chile
Top-Thema: Was bringt Chiles neue Regierung 2026?
Am 11. März 2026 tritt der rechtskonservative José Antonio Kast der Partei Partido Republicano sein Amt als neuer Präsident Chiles an. Er siegte am 14. Dezember 2025 in der Stichwahl gegen Jeannette Jarra, die kommunistische Gegenkandidatin vom Linksbündnis Unidad por Chile. Die Stichwahl zwischen zwei Extremen zeigt die stark gestiegene Polarisierung der Gesellschaft zulasten der politischen Mitte.
Kast punktete vor allem mit den Themen innere Sicherheit sowie Bekämpfung der organisierten Kriminalität und der illegalen Migration. Der Wirtschaft versprach er sinkende Unternehmensteuern und weniger Bürokratie. Darüber hinaus will er die Beschäftigung im formellen Sektor durch Subventionen fördern und ein Programm für Großprojekte im Technologiebereich auflegen.
Regieren wird schwieriger
Doch die Handlungsspielräume Kasts sind begrenzt. Aufgrund fehlender Mehrheiten im Senat und in der Abgeordnetenkammer nach den Parlamentswahlen im November 2025 ist er auf Koalitionen und damit auf Kompromisse angewiesen:
- In der Abgeordnetenkammer kam das rechts-außen Bündnis "Cambio por Chile" (mit Kasts Partido Republicano) auf 42 von 155 Sitzen,
- das konservativ-gemäßigte Bündnis "Chile Grande y Unido" auf 34 und
- das linke Bündnis "Unidad por Chile" auf 61 Sitze.
- Damit erhält die politisch nicht eindeutig verortbare "Partido de la Gente" des drittplatzierten Präsidentschaftskandidaten Franco Parisi mit ihren 14 Abgeordneten die Rolle des Züngleins an der Waage.
Im Senat ergab sich ein ausgeglichenes Kräfteverhältnis.
Wirtschaftsentwicklung: Bergbau investiert, Infrastruktur wird ausgebaut
Nach der jüngsten Prognose der Zentralbank wird Chiles Bruttoinlandsprodukt (BIP) 2025 voraussichtlich um 2,25 bis 2,75 Prozent wachsen. Für 2026 und 2027 rechnet sie mit Zuwächsen von 1,75 bis 2,75 Prozent beziehungsweise von 1,5 bis 2,5 Prozent. Damit hob die Zentralbank ihre Prognosen zuletzt leicht an.
Ein wesentlicher Treiber sind die historisch hohen Kupferpreise, die die Bergbaufirmen zu Milliardeninvestitionen veranlassen. Chile ist als größter Produzent und Exporteur von Kupfer sowie als Nummer 2 bei Lithium weltweit in einer strategisch guten Position für die Rohstoffsicherung. Zudem gibt es Potenzial für den Abbau seltener Erden und Kobalt.
Positiv für die neue Regierung Kast: Mehrere Milliardenprojekte im Bergbau und im Energiesektor, deren Genehmigungsverfahren bereits seit Jahren laufen, stehen kurz- bis mittelfristig vor der Umsetzung, darunter die Kupfer-/Eisenmine Dominga und das Wasserstoffvorhaben H2Magallanes.
Fortschritte gibt es auch bei der Infrastruktur: Ab 2028 soll nach zehnjähriger Bauzeit die Brücke über den Canal de Chacao das Festland mit der Insel Chiloé verbinden. Mit 2.750 Metern Länge wäre sie die längste Hängebrücke Lateinamerikas.
Kurz- und mittelfristig stehen Chiles Häfen, darunter der Port von San Antonio, vor einem Modernisierungsschub. Auch zahlreiche Bahnstrecken befinden sich in unterschiedlichen Planungsstadien. Die dringend benötigte, 1,5 Milliarden US-Dollar teure Hochspannungsleitung Kimal-Lo Aguirre erhielt im November 2025 die Umweltlizenz. Doch es fehlen noch 4.941 weitere Genehmigungen, so die Zeitung Diario Financiero.
Zum 8. Dezember 2025 offerierte die Ausschreibungsplattform von InvestChile 18 Projekte im Rahmen von Betreibermodellen, darunter öffentliche Gebäude, Straßen, Schienen und Entsalzungsanlagen mit einem Volumen von 9,7 Milliarden US$. Davon waren sechs Vorhaben im Wert von 3 Milliarden US$ bereits ausgeschrieben, mit zwölf Tendern für weitere 6,7 Milliarden US$ ist zu rechnen.
Regional pulsierende "Wachstumspole"
Generell wächst Chiles Wirtschaft nicht flächendeckend, sondern um regional abgegrenzte Pole, die wiederum weiteres Wachstum generieren – etwa im Norden, wo die großen Kupferminen angesiedelt sind. Als künftiges Zugpferd könnte die Region Magallanes im Süden avancieren. Dafür genügt die Genehmigung einer Handvoll der zahlreichen Projekte rund um grünen Wasserstoff, die sich derzeit in der Umweltprüfung befinden. Dabei geht es nicht nur um die Wasserstoffvorhaben selbst, sondern auch um neue Straßen, Häfen, Wohnungen, Schulen oder Krankenhäuser.
Dieser Trend wird sich künftig verstärken. Laut Umweltprüfungsbehörde SEA (Servicio de Evaluación Ambiental) befanden sich zum 30. Oktober 2025 Projekte mit einem Volumen von knapp 99 Milliarden US$ im Prüfungsprozess, darunter 16 Projekte für 28,4 Milliarden in der Region Magallanes und 34 weitere für 27,8 Milliarden US$ in der Region Antofagasta im Norden. An dritter und vierter Stelle folgten abgeschlagen Valparaíso mit 45 Projekten (7,7 Milliarden US$) und die Metropolregion Santiago mit 71 Projekten (7,1 Milliarden US$).
Deutsche Perspektive: Der Markt wird enger
Der Wahlausgang in Chile hat auf das langfristige deutsche Engagement kaum Einfluss. "Entscheidender sind ökonomische Faktoren", sagt Fernando Acuña, Anwalt der Kanzlei Acuña-Silva, die sich auf die Beratung deutscher Unternehmen spezialisiert hat. "Und hier gilt: Der Markt wird enger, deutsche Firmen müssen sich mehr anstrengen. Neben den traditionellen Konkurrenten aus den USA, Japan und Südkorea holt insbesondere die Konkurrenz aus China auf."
Zulieferchancen bestehen weiterhin vor allem im Bergbau. Weitere Potenziale bieten sich in den Bereichen erneuerbare Energien, Entsalzungsanlagen und grüner Wasserstoff. Gefragt ist zudem alles, was Produktivität und Effizienz steigert.
Allerdings liegt Chile im Ranking der deutschen Handelspartner weit hinten. Laut Destatis belegte das Land 2024 beim Import Rang 58 und beim Export Rang 51. Mit mehr Präsenz wäre mehr möglich. Doch die Realität sieht anders aus: In den ersten neun Monaten 2025 fielen die deutschen Ausfuhren nach Chile in Euro gerechnet um 16,2 Prozent. Im gleichen Zeitraum sank der deutsche Anteil an Chiles Importen von 3,8 auf 3,5 Prozent. Cornelia Sonnenberg, Geschäftsführerin der AHK Chile, glaubt, dass hier zwei Faktoren aufeinandertreffen: "zum einen der generelle Rückgang beim Import von Investitions- und hochwertigen Konsumgütern und zum anderen eine eventuelle Verdrängung deutscher Produkte durch internationale Wettbewerber, zum Beispiel aus China".
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